Cover des Buches Midnight Sun (ISBN: 9781846559914)
Rezension zu Midnight Sun von Jo Nesbø

Midnight Sun - Blood on Snow - Jo Nesbø

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Ein Thriller der weniger auf brutale Gewalt als auf psychologischen Nervenkitzel setzt. Spannend ohne rasante Handlung.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 8 Jahren
Inhalt

Jon is on the run. He has betrayed Oslo’s biggest crime lord: The Fisherman.

Fleeing to an isolated corner of Norway, to a mountain town so far north that the sun never sets, Jon hopes to find sanctuary amongst a local religious sect.

Hiding out in a shepherd’s cabin in the wilderness, all that stands between him and his fate are Lea, a bereaved mother and her young son, Knut.

But while Lea provides him with a rifle and Knut brings essential supplies, the midnight sun is slowly driving Jon to insanity.

And then he discovers that The Fisherman’s men are getting closer.

Deutsch: Das Versteck

Ulf ist Geldeintreiber. Sein Boss ist der Fischer. Der Fischer ist einer DER Drogenhändler Oslos. Als Geldeintreiber wird man nicht unbedingt reich. Doch jetzt hat Ulf einen Weg gefunden. Glaubt er. Zwei Probleme stellen sich: Drogenhändler lassen sich ungern reinlegen. Und schicken sie ihre Killer los, sollte man ganz weit laufen – und sich ein gutes Versteck suchen.

Meine Meinung

Jo Nesbø ist einer meiner liebsten Autoren. Wenn er etwas schreibt, muss ich es einfach lesen. Ich warte zwar schon viel zu lange auf einen weiteren Harry Hole Thriller, aber die neue »Blood on Snow«-Reihe gefällt mir bisher auch sehr gut.

Ulf, der Protagonist der diese Geschichte selbst erzählt, überlegt, wann und wo alles angefangen hat. Das ist einfach schwer zu sagen. Also fängt er dort an, wo er mitten in der Nacht aus einem Bus steigt und blinzelt, weil die Sonne ihn blendet. Sie war knapp über dem Horizont, rot und dumpf, wie er selbst. Er war in Finnmark angekommen, die nördlichste Provinz in Norwegen. Er sah sich um; eine Gruppe niedriger Gebäude und eine Kirche. Er war in »Kåsund«, hier war es genauso gut wie in jeder anderen kleinen Siedlung hier im Norden. Seine erste Begegnung ist mit einem kleinen, o-beinigem Lappländer mit breitem Gesicht. Er heißt Mattis und fragt Ulf gleich aus. Wer er sei, was er hier in Kåsund mache, WAS er sei. Ulf lügt, weil er die Wahrheit nicht erzählen kann. Er sei ein Jäger und suche nach einem Hotel oder einfach nur ein Zimmer. Mattis schickt ihn zur Kirche, was Anderes gibt es hier nicht, aber dort kann er sich irgendwo hinlegen und hat ein Dach über den Kopf.

Es ist sehr lange her, dass ich durch Norwegen gereist bin, aber die Mitternachtssonne habe ich am Nordkap bewundert. Es ist schon beeindruckend zu sehen, wie die Sonne über dem Horizont hängt um Mitternacht. Es ist taghell, 24 Stunden am Tag, auch viel weiter im Süden. Da fährt man durch die Landschaft und stellt plötzlich überrascht fest, dass es weit nach 23 Uhr ist und man noch immer kein Zimmer für die Nacht hat! Man verliert sein Zeitgefühl komplett. Da geht man dann ins Bett und kann nicht schlafen, weil es einfach viel zu hell ist. Dass man da leicht verrückt wird, kann ich durchaus verstehen. So geht es Ulf. Er kommt aus Oslo und ist auf der Flucht vor seinem Boss, dem Fischer. Er hat ihn bestohlen und weiß, dass Killer nach ihm suchen.

Ulf heißt nicht wirklich so, wir erfahren später im Buch wie er wirklich heißt. Man erfährt immer mehr über ihn, wie er überhaupt dazu gekommen ist für den Fischer zu arbeiten. Wieso er gestohlen hat, obwohl er das Risiko gekannt hat. Wofür er das Geld unbedingt gebraucht hat und wie sinnlos er sein Leben aufs Spiel gesetzt hat. Und doch kann man seine Motivation verstehen und hätte vielleicht genauso gehandelt an seiner Stelle. Die aneinander Reihung von Zufällen und Irrtümern, die dazu geführt haben, dass er sich jetzt im Norden versteckt, ist durchaus nachvollziehbar. Nicht nur die Sympathie wächst, je mehr man erfährt, auch das Mitleid und die Angst, dass die Männer des Fischers ihn erwischen könnten. Wer »Blood on Snow – Der Auftrag« gelesen hat, rechnet eigentlich schon fest damit. Er lernt Lea und ihren zehn Jahre alten Sohn Knut kennen. Sie zeigt ihm eine kleine Jagdhütte außerhalb des Dorfes, wo er bleiben kann. Knut ist ein witziges, neugieriges Kerlchen, der gerne Witze erzählt oder hört. Leas Ehemann Hugo ist mit dem Boot draußen beim Fischen. Lea und Knut haben natürlich eine eigene Geschichte, eine Vergangenheit, die nicht ohne Gewalt ist und stark geprägt von ihrer Religion, dem Laestadianismus. Mattis, der dem Volk der Samen (Lappen) angehört, taucht auch immer wieder auf. Es ist schwer ihn irgendwo einzuordnen, er ist wie ein Blatt im Wind und man neigt sicher dazu, ihn falsch einzuschätzen.

Die Atmosphäre wird von der Gegend geprägt. Düster ist es nicht, es wird ja nicht einmal in der Nacht dunkel. Es ist eine sehr einsame Gegend, in Finnmark leben weniger als 2 Einwohner pro Quadratkilometer. Ulf lebt in permanenter Angst, leidet unter Schlaflosigkeit, leidet an der Einsamkeit und der Sonne, die in den Sommermonaten nie untergeht. Er weiß, dass der Fischer immer findet, was er sucht, und jetzt sucht er nach ihm. Es ist nur eine Frage der Zeit. Jo Nesbø setzt in diesem Buch nicht auf Gewalt und brutale Verbrecher. Es ist ein psychologischer Nervenkitzel mit Hauptaugenmerk auf das Zwischenmenschliche. Eine Kettenreaktion aus Zufällen, Irrtümer und falscher Entscheidungen haben Ulf hierhergebracht, aber vielleicht war es einfach Schicksal, dass er zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort sein sollte. Das Ende war dann unerwartet. Es hat sich einiges abgezeichnet und doch rechnet man nicht damit. Die Männer des Fischers sind ganz nah und Ulf weiß, dass er sterben wird.

Ein Thriller der weniger auf brutale Gewalt als auf psychologischen Nervenkitzel setzt. Spannend ohne rasante Handlung. Eine Kettenreaktion von Ereignissen, die Ulf zum Hier und Jetzt führen, in einer kargen Landschaft mit einer Mitternachtssonne, Schlaflosigkeit, Angst und wachsenden Gefühlen. Die Komplexität eines Harry Hole Thrillers hat diese Geschichte nicht, vielleicht ist sie gerade deswegen so realitätsnah. Wunderbare Charaktere und ein Ende, mit dem man doch nicht gerechnet hat.

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