Rezension zu "1918 – Aufstand für die Freiheit" von Joachim Käppner
Oktoberrevolution in Russland, Niederlage im ersten Weltkrieg, Abtritt des deutschen Kaisers, Weimarer Republik und Aufstieg der NSDAP, dass sind im allgemeinen die verbreitet bekannten „Eck-Ereignisse“ im Zuge der und der Zeit nach dem ersten Weltkrieg.
Doch auch in Deutschland war „Revolution“. 1918, unter zentraler Beteiligung der damaligen SPD, rebellierten Arbeiter und Angehörige der Streitkräfte gleichermaßen, waren die eigentliche Kraft, welche die bestehende Monarchie in die Knie zwangen und durchaus erkennbare, demokratische Strukturen auf den Weg brachten.
Ein Weg, und dies legt Käppner sorgfältig, detailliert und in den einzelnen Entwicklungsschritten dar, der nicht konsequent dann zu Ende gegangen wurde und damit ist hier eine Mitverantwortung der zentralen Kräfte dieser Revolution zu erkennen, aufgrund derer die folgenden, instabilen Verhältnisse der Weimarer Republik grundgelegt wurden.
„Behüt Dich Gott, es wäre zu schon gewesen, behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein“, dichtet Kurt Tucholski schon 1919 im Rückblick auf diesen breiten Aufstand und lässt in den Zeilen des nachfolgenden Gedichtes bereits erkennen, mit wieviel Hoffnung die Revolution gestartet war und welches Ansehen dieser Versuch in breiten Kreisen der intellektuellen Gesellschaft gefunden hatte.
Das Kaiserreich gestürzt, eine Nationalversammlung installiert und damit die erste deutsche Demokratie auf den Weg gebracht unter Entwicklung eines selbst heute noch modern anmutenden Wahlrechtes mit einer ebenso fortschrittlichen Verfassung und, nicht zu vergessen, einer erstmaligen Sozialgesetzgebung, die diese Bezeichnung tatsächlich ausfüllte.
Alles Momente, die Käppner sorgfältig vor Augen führt und den „Geburtsfehler“ dieser demokratischen Revolution ebenso minutiös benennt und diesem nachfolgt. Dass gerade das Heer in Form seiner Offiziere und die Verwaltungsbeamten des „alten Reiches“ nicht „genügend angetastet“ wurden. Letztendlich verlor die Bewegung ihre Kraft mehr und mehr durch die bestehend bleibende Verbundenheit zu den traditionellen Kräften der Monarchie.
„Die Revolution von 1918, die nach Weimar führte, blieb unvollendet, widersprüchlich, zwiespältig. Sie fegte das wilheminische Kaiserreich beiseite, ließ dessen Institutionen jedoch bestehen“. Sicherlich mit dem Hintergedanken einer Form von Ordnung, derer man meinte, noch zu bedürfen um nicht im vollständigen Chaos zu enden.
Wie bitter die Fehleinschätzungen der damaligen Zeit sich rächten und wie, letztendlich, bedauerlich dieses „Zerfasern“ der zu Beginn starken und im Volk stark verankerten demokratischen Kräfte aus heutiger Sicht zu beurteilen ist, zeigt Käppner in gut lesbarem Stil mit vielen Blicken in den Alltag der damaligen Zeit auf. Ein Bedauern, dass am Ende der Lektüre nicht nur den furchtbaren Folgen dieses „demokratischen Scheiterns“ gilt, sondern auch den inneren Kräften und Reformen der damaligen Revolution selbst im Nachgang mehr Erfolg gewünscht hätte.
Zu einer Zeit, als „die Freiheit plötzlich zu siegen schien in Deutschland“. So verbleibt dieses Ereignis eher als Fußnote der Geschichte und seine führenden Menschen weitgehend unbekannt (im Gegensatz zu den Revolutionären der französischen oder amerikanischen Revolutionen).
Das tatsächlich ein speziell zum Schutz der neuen Regierung gegründetes „Volksmarinechorps“ wenig später von ebendieser neuen Regierung unter Artilleriebeschuss genommen wurde, ist dabei ebenso schockierend wie fehlerhaft im Rahmen der möglichen Neuordnung der Verhältnisse.
„Warum sind wir betrogen“. Jene Frage aus den Reihen des Chores ist es letztlich, auf die das Buch minutiös Antworten liefert. Eine Lektüre, die sich nicht nur aus geschichtlichem Verständnis her lohnt, die nicht nur ein „Beitrag zur Ehrenrettung der Revolutionäre“ im besten Sinne ist, sondern die auch Fragen für die Gegenwart in sich trägt. Mit einem „Wehret den Anfängen“ auf der einen Seite und einer genauen Analyse der falschen Entscheidungen und der Dynamik, die aus diesen entstand (und auch in der Gegenwart wieder zunehmend erkennbar vorliegt).
Gut geschrieben, verständlich argumentiert und mit fundiertem Blick auf die „Räte“ jener Zeit und das fast allgemein zu nennende „Scheitern am System“, das mehr ein Scheitern an der mangelnden eigenen Courage am Ende ist.