"Die Dinge und Materialien, mit denen wir täglich hantieren, haben oft weite Wege hinter sich, ehe sie zu uns gelangen. Ihre wechselvolle Vorgeschichte wird aber im fertigen Produkt ausgeblendet. Was wir an der Kasse kaufen, präsentiert sich uns als neu und geschichtslos. Wenn man seiner Vorgeschichte nachgeht, stößt man auf Überraschendes und Erstaunliches. Auch Verdrängtes und Unbewusstes taucht auf. Gerade am Leitfaden der Stoffe zeigen sich die Konflikte unserer globalisierten Welt."
Der Oekom-Verlag hat in seiner außergewöhnlichen und in der Welt der Sachbücher einzigartigen Reihe "Stoffgeschichten" Stoffe beschrieben, die gesellschaftlich oder politisch relevant sind.
Für den Stoff Holz hat er als Autor den Bielefelder Professor Joachim Radkau gewonnen, einen der produktivsten und ausgewiesensten Kenner der Umweltgeschichte und Autor zahlreicher Standardwerke zur Technik- und Umweltgeschichte. Ich erinnere mich zum Beispiel noch gut daran, wie sein Buch über die Atomindustrie in den achtziger Jahren uns in der Bewegung gegen die zivile Nutzung der Atomenergie viele hilfreiche, oft aber auch ernüchternde Hinweise gab.
Seine Stoffgeschichte über das Holz ist gut, verständlich und locker geschrieben, mit zahlreichen den Text erläuternden Abbildungen versehen und verfolgt nach seinen eigenen Angaben vor allem zwei Ziele:
"Zum einen geht es um technische Entwicklungen in der Be- und Verarbeitung des Holzes, zum anderen aber auch darum, am Beispiel des Holzes die Materialgebundenheit der technischen Entwicklung, die Umwelt - und Ressourcengebundenheit der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte deutlich zu machen."
Als Enkelsohn eines Zimmermanns und Schreiners, der große Teile seiner Kindheit in den Werkstätten und auf dem Holzplatz des Großvaters verbracht hat, war dieses Buch für mich eine ganz besondere Lektüre. Obwohl es mein Großvater sein ganzes Leben lang eher nicht mit den Büchern hatte, dieses Buch hätte ihm gefallen.
Dem Oekom-Verlag ist zu dieser Buchreihe nur zu gratulieren und dem Autor ebenfalls für ein weiteres kluges und anschauliches Buch, das Lust macht an Geschichte und Technikgeschichte und helfen kann, die Zusammenhänge in der globalisierten Welt etwas besser zu verstehen.
Mit der hier vorliegenden Neuausgabe hat Radkau sein 2007 zum ersten Mal erschienenes Buch überarbeitet und ergänzt.
Ein kluges und anschauliches Buch, das Lust macht an Geschichte und Zusammenhänge in der globalisierten Welt verständlich erklärt.
Joachim Radkau
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Joachim Radkau
Die Ära der Ökologie
Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft
Holz
Technik in Deutschland
Das Zeitalter der Nervosität
Max Weber
Geschichte der Zukunft
Natur und Macht
Neue Rezensionen zu Joachim Radkau
Rezension zu "Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft" von Joachim Radkau
Als der damals noch junge Wissenschaftler Joachim Radkau, der nach etlichen entsprechenden Publikationen in den letzten zehn Jahren (vgl. etwa das Werk „Holz. Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt“ Oekom 2007) als Begründer der Umweltgeschichte bezeichnet wird, im Jahr 1983 sein Werk „Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft. 1945-1975. Verdrängte Alternativen in der Kerntechnik und der Ursprung der nuklearen Kontroverse“ veröffentlichte, da legte er nicht nur einen Grundstein der kritisch- wissenschaftlichen Dokumentation der Atomwirtschaft, sondern gab mit diesem Buch damals der Anti-Atom-Bewegung die kritischen Daten an die Hand, mit der auch naturwissenschaftliche Laien lernen konnten, in öffentlichen Debatten den Vertretern der Atomwirtschaft und ihren politischen Bündnispartnern so etwas wie Paroli zu bieten. Ich erinnere mich sehr genau, wie wichtig dieses Buch für mich war, als ich als junger Pfarrer und überzeugter Atomkraftgegner eine Pfarrstelle in Biblis übernahm, wo man gerade plante, einen Block C zu bauen.
Das vorliegende Buch knüpft an das alte an und führt zusammen mit dem ehemaligen Mitarbeiter des Öko-Instituts und späteren Vorsitzenden der Reaktorsicherheitskommission, Lothar Hahn, die Geschichte fort bis zum Atomausstieg nach Fukushima und den neuen zentralen Herausforderungen eines Rückbaus der Atomanlagen.
Von der Euphorie der Nachkriegszeit, die sogar den Philosophen Ernst Bloch im „Prinzip Hoffnung“ angesteckt hatte, über die Entstehung und Blüte der Anti-Atom-Bewegung, für die beide Wissenschaftler eine unschätzbare Bedeutung hatten, bis zum endgültigen Aus beschreiben die beiden Wissenschaftler die Geschichte einer Technik und eines Wirtschaftszweigs, der mit vielen Verbandelungen in der Politik von Illusionen und Machtinteressen durchsetzt eine ganze Epoche prägte und riesige Mengen nicht nur an nuklearem Brennstoff verbrannte und den entsprechenden Abfall hinterließ, sondern auch ein Maß an gesellschaftlichem Reichtum und Geld „verbrannte“, das unvorstellbar ist.
Was man an diesem Buch sehr gut sehen und lernen kann, ist, wie Verheißungen der Technik blind machen können für ihre Risiken, die unkalkulierbar waren von der ersten Stunde an. Eine Geschichte der Vertuschungen und Pannen, die der Rezensent mehrmals in Biblis miterlebt und auch dagegen vor dem höchsten hessischen Gericht geklagt hat. Doch man darf sich als überzeugter und früher Gegner dieser Technik bei und nach der Lektüre dieses Buches nicht zurücklehnen, denn es mahnt zur Vorsicht bei der Einschätzung auch neuer Techniken. So hat mir etwa noch niemand überzeugend darlegen können, wo und wie nach Ablauf ihrer Haltbarkeit (ca. 20 Jahre) all die vielen Millionen aus Steuergeldern finanzierten Solarzellen auf den Dächern unseres Landes umweltgerecht entsorgt bzw. recycelt werden können.
Rezension zu "Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft" von Joachim Radkau
Ob nun wirklich „alles gekommen ist gegen den Willen aller“, wie es ein führender Atomphysiker einmal ausgedrückt hat, wird auch nach der Lektüre dieses Buches nicht zweifelsfrei zu entscheiden sein. Dass aber in Bezug auf die friedliche Nutzung der Kernenergie seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts vieles an Entwicklung nicht unbedingt „koscher“ wirkt, das ist kein Geheimnis.
Das Störfälle vertuscht wurden, Gutachten zurechtgebogen, das Vorteile gewährt wurde und, vor allem, das keine von Beginn an überlegte und feststehende „übergeordnete Planung“ vorhanden war, das allerdings ist offenkundig an vielen der Entwicklungen ablesbar. Nicht zuletzt daran, dass bis heute kein überzeugendes und tragfähiges Konzept für eine Endlagerung der Abfälle der Atomwirtschaft generiert wurde.
Wie taumelnd wirkt diese Geschichte der Kernenergie und der Atomkraftwerke. Als wäre oft nach dem Motto verfahren worden: „Was so sein soll, das muss auch zurechtgebogen werden“. Außer dem Willen, Atomenergie zivil zu nutzen, technisch voran zu sein und, natürlich, viel Geld mit dieser Form der Energieerzeugung zu erwirtschaften findet sich zunächst auf Planungsebene nicht viel zukunftsfähiges in den ersten Jahrzehnten der Nutzung der Atomenergie. Ein „Durchwurschteln“ an vielen Stellen, das einem, liest man es im Buch nach, nicht nur im Nachgang noch die Haare zu Berge stehen lässt.
Allein schon die Recherchen zur damals so wichtigen Frage nach einer „Energielücke“ und die fundierten Zweifel, die im Buch benannt werden an einer solchen „Lücke“ zeigen bereits auf, dass der „Wunsch“ Vater der Realitäten oft war, genauso, wie die ständige Beschwörung des „friedlichen und beherrschbaren Atoms“. Eine Mär, die nicht erst seit Tschernobyl oder Fukushima enttarnt ist. Störfälle und „Beinahe Katastrophen“ begleiten die zivile Nutzung der Atomenergie international seit Entstehen der ersten Atomkraftwerke. Um so verwunderlicher, wie trotz dieses Wissens sich das Staatsengagement stetig verstärkte. Auch dies im Buch interessant nachzulesen.
Die Entwicklung von der „Waffe“ zur zivilen Nutzung, die „Atomenergie als Integrationsideologie“ der 50er Jahre, der „ungeplante Siegeszug des Leichtwasserreaktors“, das sind die ersten, grundlegenden Teile im Buch, in denen die Autoren die, zunächst fast ungestörte, Entfaltung der Atomenergie nachzeichnen. Um dann mehr und mehr in den Vordergrund zu rücken, wie das „intern verdrängte Risiko“ Schritt für Schritt in die Öffentlichkeit sickerte und zur Entstehung der Anti-Atomkraft Bewegung führt. Eine Bewegung mit politisch durchaus umwälzenden Folgen, betrachtet man allein den Siegeszug der Grünen in und durch die Parlamente.
Wie letztendlich schon in der Wurzel angelegte „Fehlentwicklungen und Größenwahn“ ein „hin und her“ des Ausstieges anstießen und das es nicht damit getan ist, jetzt aufzuatmen angesichts eines bevorstehenden jahrzehntelangen Prozesses des Rückbaus einer fehlerhaften und ignorierenden Entwicklung, auch das benennen die Autoren klar und prägnant.
Das es neue Strukturen braucht, vor allem eine neue Haltung zur langfristigen Planung und zur Klärung der eigenen Ziele und das auch mit einer anderen Haltung im Managementbereich der Energiewirtschaft, mit diesem durchaus hoffnungsvollen Ausblick beenden die Autoren ihre Darlegungen.
Mit klar erkennbarer Position, durchaus „parteiisch“, führen die Autoren die Geschichte der zivilen Nutzung der Atomenergie mit Schwerpunkt in Deutschland vor Augen. Eine Parteinahme, die allerdings nicht in Gefahr steht, die Fakten allzu einseitig zu verfälschen, denn diese sprechen im Buch für sich.
Ein Buch über Fehlentwicklungen , mangelnde Planung und einem „Geradebiegen“ von Problemen, das viel verrät über die Kurzsichtigkeit an maßgeblichen Entscheidungsstellen und das aufrütteln will, solche Fehler weder im Blick auf den notwenigen Rückbau der Atomenergie, noch im Blick auf die Entwicklung anderer Energieformen noch einmal zuzulassen.
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