Hugo von Hofmannsthal, einer der wichtigsten österreichischen Literaten, umworben von Stefan George und Paradeautor der Wiener Moderne... Viele Attribute kann man ihm zugeben und vor allem eigentlich ein Neudenken und Umdenken. Umso mehr verwunderte mich dieses kleine Stück.
„Jedermann“ ist ein kurzes Drame, dass einem barrocken Fastnachtspiel fast gleichkommt.
Es handelt sich um ein Stück, welches den Reichtum als solches verurteilt und die christlichen Tugenden lobt. Jedermann ist hier eine Figur – mit sehr buchstäblichem Namen -, die der Wollust und dem Reichtum erlegen ist und dabei all die christlichen Werte vergisst.
Ganz in der Tradition des goethschen Faust beginnt das Drama mit einem Gespräch zwischen Gott und Teufel. Dabei beauftragt Gott den Teufel, Jedermann zu sich zu holen und vor das Jüngste Gericht zu stellen.
Dann lernt der Leser Jedermann kennen und lernt, wie selbstbezogen und verliebt in sein Leben er ist. Obwohl ihn seine Mutter zu mehr Christlichkeit ermahnt, kann er weder Nächstenliebe noch Güte für seine Mitmenschen aufbringen.
JEDERMANN
Ich kenn dich auch vom Ansehen nit.
SCHULDKNECHT
Ist doch dein Fuß, der auf mich tritt. - S. 15
Bei einem ausgelassenen Fest in seinem Haus kommt nun der Teufel herbei. Mit diesem verhandelt Jedermann eine Stunde, um jemanden zu finden, der mit ihm den ungewissen Weg zu Gott geht.
JEDERMANN Dich strafen, Süße, ist mir fern,
Lieb dich gleich meinem Augenstern,
Habe müssen denken von ungefähr
Wie deine Miene beschaffen wär,
Wenn dir auf eins zukäm die Kund,
Daß ich müsst sterben zu dieser Stund.
BUHLSCHAFT
Um Christi willen, was ficht dich an,
Mein Buhle traut, mein lieber Mann,
Ich bin bei dir, sieh doch auf mich,
Dein bin ich heut und ewiglich. - S. 31
Jedermann meint, sichere Freundschaft in seinem Leben zu haben, doch täuscht er sich darin. Niemand will mit ihm.
Dann tauchen auch noch die Personifizierungen des Glaubens und der Werke sowie des Mammons auf. Diese erinnern wiederum stark an Faust, der sich ja ganz ähnlich mit Personifikationen von Eigenschaften und Tugenden herumschlagen muss (Faust II).
MAMMON (stößt ihn weg)
Du, trau mir nit, dein Wut acht ich gering,
Wir umkehrt wohl geschaffen sein.
Ich steh gar groß, du zwergisch klein.
Du Kleiner wirst wohl sein der Knecht
Und dünkst dich, anders wärs gewesen,
Das war ein Trug und Narrenwesen.
JEDERMANN
Hab dich gehabt zu meim Befehl.
MAMMON
Und ich regiert in deiner Seel. - S. 56
Ich kam beim Lesen nicht umhin, immer mehr Bezüge zu Faust zu entdecken. Auch der Teufel ist ganz dem Mephisto nachgezeichnet. Selbst die Auflösung des Dramas erinnert daran.
Nun bin ich denn etwas verwundert. Das Stück „Jedermann“ ließe sich in Handlunng und in Motivik auch deutlich in die Sattelzeit verlegen und nicht zwingend in die Wiener Moderne. Aber vielleicht liegt genau da der Knackpunkt. Ein moderner Dichter bedient sich traditioneller, teilweise auch mittelalterlicher Bezüge und schafft damit wiederum eine Kritik an der modernen Gesellschaft, weil eben auch diese stets und immer noch diese Fehler macht...
Dafür, dass das Werk so schmal ist, hat es mich ziemlich zum Nachdenken gebracht. Ich bin kein großer Fan christlich bezogener Literatur, aber das Werk hat mit dennoch recht gut gefallen.