Joachim Unseld

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Lebenslauf

Joachim Unseld, Verleger und seit 1991 Übersetzer der Werke von Jean-Philippe Toussaint, übersetzte Fliehen, Die Wahrheit über Marie und Nackt.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Joachim Unseld

Cover des Buches Brief an den Vater (ISBN: 9783311230007)
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Rezension zu "Brief an den Vater" von Franz Kafka

holzmair_eva
Ein Brief, der den Vater nie erreicht hat

Im Kafka-Jahr 2024 (Franz Kafka starb vor hundert Jahren) wollte ich wieder mal diesen Autor lesen und habe zu einem Buch gegriffen, das ich noch nicht kannte: „Brief an den Vater“. Dieser Brief, im handschriftlichen Original über 100 Seiten lang, wurde dem Vater nie übergeben. Die Mutter hat ihn zurückgehalten, wohl aus gutem Grund. Der Vater hätte den Sohn erneut nicht verstanden, es wäre womöglich zum endgültigen Bruch zwischen den beiden gekommen. Dabei versucht Franz Kafka, keine Schuld zuzuweisen, vielmehr versucht er, das gestörte Verhältnis zum Vater und seine Angst vor diesem Vater auf zwei unvereinbare Charaktere zurückzuführen, womit er zwar recht hat, doch das Quälende, das dieser Gegensatz im „schwachen“ Kind, Jugendlichen und später Erwachsenen hervorruft, das hätte dieser „starke“ Vater, „der alles aus Eigenem geworden ist“ (zitiert aus dem Nachwort von Max Brod), nicht begreifen können, wie auch wir als Lesende manche Argumentationsstränge nur schwer nachvollziehen können. Zum Werkverständnis trägt dieser Brief allerdings viel bei, etwa ein Zitat, in dem Kafka sich selbst, in Abgrenzung zum Vater unter Einbindung der aus der Familie Löwy stammenden Mutter, beschreibt:

„Vergleich uns beide: ich [...] ein Löwy mit einem gewissen Kafkaschen Fond, der aber eben nicht durch den Kafkaschen Lebens-, Geschäfts-, Eroberungswillen in Bewegung gesetzt wird ... Du dagegen ein wirklicher Kafka an Stärke, Gesundheit, [...] Ausdauer, Geistesgegenwart, Menschenkenntnis, einer gewissen Großzügigkeit, natürlich auch mit allen zu diesen Vorzügen gehörigen Fehlern und Schwächen, in welche Dich Dein Temperament und manchmal Dein Jähzorn hineinhetzen.“ Wenn es dann an anderer Stelle heißt, dass sich Kafkas mütterlicher Erbteil durch „Trotz, Empfindlichkeit, Gerechtigkeitsgefühl, Unruhe“ auszeichnet, wird klar, warum Sohn und Vater nicht miteinander konnten und gegen Ende des Briefes auch, warum dieser Franz Kafka Menschen in Käfer verwandelte, vergeblich ein Schloss aufsuchen oder unschuldig einem Prozess aussetzen ließ.

Cover des Buches Nackt (ISBN: 9783442713639)
S

Rezension zu "Nackt" von Jean-Philippe Toussaint

Sanne54
Vom Ende der Liebe zu Marie: Toussaints „Sich lieben“

Aus meinem Bekanntenkreis weiß ich, dass Toussaints „Sich lieben“, das letzte der vier Bücher über Marie, spaltet. Ich selbst finde Toussaints Stil großartig, genau in der Beschreibung von Objekten und Lichtverhältnissen, trotzdem sehr leicht durch den parenthetischen Stil. Es ist anders als drei anderen Marie-Bücher, greller und „künstlicher“ ausgeleuchtet. 

Inhaltlich geht es um die Trennung der hier ewig weinenden Modeschöpferin Marie und des namenlosen Ich-Erzählers, die eigentlich schon beschlossene Sache ist. Mich hat das irritierende Gefühl, das Toussaints Roman durchzieht ein bisschen an „Lost in Translation“ erinnert, aber viel verzweifelter, gnadenloser und mit mehr Sex.

Sicherlich ist es kein Roman für nebenbei im Zug …

Cover des Buches Das Badezimmer (ISBN: 9783627002817)
aus-erlesens avatar

Rezension zu "Das Badezimmer" von Jean-Philippe Toussaint

aus-erlesen
Vom Unerfülltsein im Erfüllten

Verrückte Zeiten, verrückte Typen – es gab sie immer, es gibt sie immer noch, und es wird sie immer geben. Die Einen sind unfassbar kreativ und produktiv, Andere trotzen dem Älterwerden mit klischeehaftem Jugendwahn. Und dann gibt es die wirklich abgedrehten Typen: Sie steigen in eine Badewanne … und kommen einfach nicht mehr heraus – eindeutig die angenehmsten schrägen Vögel, die unsere Welt und die Literatur zu bieten haben.

So unvermittelt der namenlose Erzähler – eines der Erkennungszeichen von Autor Jean-Philippe Toussaint – in angenehm warmes Nass steigt, so unvermittelt nimmt er postwendend auch wieder am trockenen Alltag teil. Anfangs scheinen die fehlenden Gedankenbrücken zu fehlen. Doch schon bald hat man sich mit dem Badeannenkapitän angefreundet. Sprunghaft ist anders. Vielmehr ist man Teil eines Lebens, das man selbst so nicht leben könnte. Es zu beobachten ist viel interessanter. Wie, wann, was zustande kommt, darf und muss man außeracht lassen (können). 

Die titelgebende Badewannensession geht dem Leser ans Zwerchfell. Freunde kommen vorbei und berichten vom Regen. Wasser ist nun wirklich das Einzige, das den Badenden überhaupt nicht interessiert. Es umgibt ihn und seinen Körper vollends. Auch die Mama kommt vorbei. So wie es Mütter nun mal tun, wenn ihre Zöglinge Unfug treiben. Doch statt endloser Tiraden, ist die Welt im und um das Badezimmer herum in Ordnung. 

Edmondsson – ein außergewöhnlicher Name für eine Frau – sieht dem Treiben ihres Gatten teilnahmslos, ratlos, aber auch verständnisvoll, oft auch abwesend zu. Dennoch reduziert sie ihre Arbeitszeit, um bei ihm zu sein. Eine echt verrückte Beziehung! 

Als der Badewannenhorizont schlussendlich doch ausreichend erforscht ist, das eigene Leben analysiert, die Welt um ihn herum in von ihm gelenkten Bahnen die selbigen zieht, beschließt er ein wenig Unordnung wieder in sein Leben zu lassen. Er verlässt das, was er sich in den gekachelten vier Wänden gerade aufgebaut hat.

Jean-Philippe Toussaint brillierte in seinem Erstling mit der Essenz der ihm zur Verfügung stehenden Sprache. Detektivisch sucht man nach Überflüssigen. Keine Chance! Als Leser wird man zum Weberknecht der Gedanken eines Mannes, der Verrücktes tut, den man jedoch niemals auch nur annähernd als verrückt bezeichnen könnte, wolle man ernst genommen werden. Er ist verrückt, im reinsten Sinne des Wortes: Ver-Rückt. 


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