Cover des Buches Der Ewige (ISBN: 9783847905851)
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Rezension zu Der Ewige von Joann Sfar

Der Ewige

von bookstars vor 9 Jahren

Rezension

B
bookstarsvor 9 Jahren
"Vampire gibt es nicht. Psychoanalyse funktioniert nicht. Höchste Zeit, dass die beiden sich mal treffen!"
INHALT
Anfang des 20. Jahrhunderts stirbt der junge Ukrainer Jonas auf dem Schlachtfeld – und muss mit Erschaudern feststellen, dass er als Vampir wiederaufersteht. Doch die neue Existenz widert ihn an, er kann sich nicht damit abfinden; schließlich entfremdet sie ihn von seiner großen Liebe Jelena. Und auch das Blutsaugen findet er barbarisch.
Hundert Jahre und dramatische Verwicklungen später begibt er sich in Behandlung bei Rebecka, einer New Yorker Psychoanalytikerin. Die langjährige Biografie muss aufgearbeitet werden. Doch regen sich zwischen beiden bald zärtliche Gefühle. Ihnen ist nicht bewusst, wie verwoben ihre Geschichten sind und in welcher Gefahr sie schweben.
(Quelle Eichborn-Verlag)

MEINE MEINUNG
Der Franzose Joann Sfar gehört sicher zu den interessantesten, produktivsten und vielseitigsten französischen Comiczeichnern und wurde für seine Arbeiten mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Mit „Der Ewige“ ist sein Debütroman nun auch in deutscher Übersetzung herausgekommen.
Im Mittelpunkt steht darin der junge Ukrainer Jonas, der als jüdischer Offizier der während des Ersten Weltkriegs den Tod findet, seitdem als traumatisierter Vampir mit seiner Existenz als blutsaugender Unsterblicher nicht zurechtkommt und fortan mit seinem Vampirdasein auf Erden zu hadern hat.
Der äußerst irreführende Klappentext, der ein „romantisches, abgedrehtes und skurriles Romandebüt“ angekündigt, weckt zusammen mit dem Buchcover, auf dem eine Comiczeichnung eines verliebten Vampirs mit roten Herzchen in den Augen abgebildet ist, allerdings eine völlig falsche Erwartungshaltung beim Leser. Wer neugierig ist auf ein amüsantes Zusammentreffen von Vampir und Psychoanalytikerin, wird sehr enttäuscht sein, da dies nur äußerst wenig Raum einnimmt und der angekündigte Zeitsprung in die Gegenwart erst nach 200 Seiten im mit „Rebecka Streisand“ betitelten, zweiten Teil des Buchs erfolgt.
Der Autor versteht es, mit seinem hervorragenden, bildhaften Schreibstil, eine einzigartige düster unheilvolle Atmosphäre heraufzubeschwören und ein farbenprächtiges, faszinierendes Kopfkino in Gang zu setzen, das ich allerdings bei vielen sehr eindringlich beschriebenen Passagen über brutale, blutrünstige Gemetzel und barbarische Gräueltaten lieber ausgeblendet hätte.
Bei der Lektüre erlebt der Leser eine wahrhaftige Achterbahnfahrt an unterschiedlichen Eindrücken und Gefühlen. Während man begeistert ist von Sfars ausgeprägtem Sprachgefühl und brillant geschilderten Szenen, fühlt man sich gleichermaßen von derben, zotigen und sehr splattermäßigen Szenen sowie detailliert beschriebenen Sexszenen abgestossen. Äußerst amüsant hingegen sind Szenen, in denen der Sarkasmus und tiefschwarze Humor des Autors aufblitzt, und die einen sogar zum Schmunzeln bringen. Kurzzeitig nachdenklich stimmen auch einige philosophisch angehauchte Momente und eingeflochtene Passagen zur jüdischen Kulturgeschichte.
Mit äußerst hohem Tempo, vielen plötzlichen Zeitsprüngen und raschen Wechseln der Handlungsstränge und Schauplätze treibt Sfar seine sehr abstruse und skurrile Handlung voran.
Schon bald kann man der verworrenen Geschichte nicht mehr ganz folgen, sucht vergeblich einen roten Faden und fragt sich irritiert, wohin die verrückte, planlose Reise unseres unglücklichen, getriebenen Vampirs überhaupt noch hinführen soll. Langeweile kommt beim Lesen der zahllosen aberwitzigen Abenteuer jedenfalls keine auf.
Darüber hinaus führt Sfar immer neue Charaktere ein, so begegnet man neben einigen aus seinen Comics bekannten Figuren vielen skurrilen Gestalten wie dem Horrorschriftsteller H.P. Lovecraft, aber auch einigen Fantasywesen wie beispielsweise einen sprechenden Galgenbaum, eine sehr vereinnahmende Alraune und einen triebgesteuerten Werwolf. Insgesamt wirken die Figuren jedoch recht oberflächlich und skizzenhaft, so dass ihre Motivation leider im Verlauf der Handlung kaum nachvollziehbar ist.

FAZIT
Der Debütroman „Der Ewige“ von Joann Sfar war für mich eine ganz besondere Leseerfahrung – kurzweilig, abgedreht, skurril und oft auch abstoßend!
Abschließend kann ich nur sagen, dass mir der Roman trotz tollem Kopfkino und einigen sprachlich brillanten Passagen leider nicht besonders zugesagt hat!
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