Rezension
Ein Dorf hat ein Problem und wo Hilfe gebraucht wird, ist Vianne Rocher nicht weit. Denn sie kann bekanntermaßen mehr als nur Schokolade herstellen. Das ist auch gut so, denn diesmal kann die Schokolade Lansquenet nicht retten. Das Örtchen im Südwesten Frankreichs hat ein „Ausländerproblem“, so würden es die Einwohner wohl selber bezeichnen. Also ruft die Tote Armande ihre Freundin Vianne zur Hilfe und die hört diesen Ruf natürlich. Hat ja magische Kräfte und der Wind, der Wind, das himmlische Kind, ist auch allzu verlockend.
Nach und nach entblättern sich die Hintergründe, es gibt schlechte Stimmung, Verzweiflung und gar Gewalt gegen einen Geistlichen, der niemand Geringeres ist als der Hauptbeschuldigte in einem Brand, dessen Opfer die rätselhafte Inès Bencharki ist. Von Kopf bis Fuß verschleiert zieht sie die Kontroverse richtig an. Inès ist auch schriftstellerisch gesehen faszinierend und plastisch, ebenso Vianne und ihre Töchter und diverse andere Nebenfiguren. Die große Menge der „Fremden“ jedoch stellte die Autorin offensichtlich vor eine zu große Herausforderung. So kommt es, dass einige essentielle Figuren nicht aus der Menge herausstechen und man gar einige Namen und Familienverhältnisse bis zum Schluss nicht durchschauen kann.
Joanne Harris hat ein Gespür dafür, das Besondere zu sehen und darzustellen. Sie streut Magie ein und das kann einem solchen Buch ein interessantes Flair geben. Ich persönlich bin für derlei vollkommen unempfänglich, sodass mir Passagen, in denen Farben gesehen werden und Voodoo-mäßig kleine Missgeschicke veranlasst werden, nicht zusagen.
Ein Lob verdient jedoch der Umgang mit dem Thema Islam. Sensibel nähert man sich jenen Punkten, die in der hiesigen Gesellschaft mit Argwohn betrachtet werden und Konfliktpotential sind. Die Auflösung von allem ist dann doch überraschend und man würde sich fast wünschen, dass diese Probleme auch in der Wirklichkeit einfach so gelöst werden können, weil nur Einzelne dafür verantwortlich sind. Tatsächlich ist Lansquenet überall, Ab- und Ausgrenzung allgegenwärtig. Dieses Buch ist trotz allem ein Unterhaltungsroman und daher nur bedingt ein Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs.
Für Fans von „Chocolat“ ist es eine gelungene Fortsetzung, für alle anderen ein durchschnittlicher Roman, den man lesen kann, aber nicht muss. „Himmlische Träume“ verbergen sich darin nicht.