Über die Erlebnisse deutscher Soldaten im Kessel von Stalingrad gibt es relativ viel Literatur. Nun liegt erstmals ein Werk vor, das die sowjetische Seite darstellt. Nach langer Zeit wurden diese Protokolle endlich freigegeben.
Interviewt wurden sowohl Offiziere, als auch einfache Soldaten. Auch Frauen waren in der Roten Armee, und auch sie kommen zu Wort.
Das Buch beginnt mit einer ausführlichen Einführung, in der unter anderem die Geschichte der Stadt Stalingrad, die Rote Armee, die Vorbereitungen des Kampfes um Stalingrad und die Kampfstrategien beschrieben werden.
Im Abschnitt „Der soldatische Chor“ wurden die Interviews, nach Themen sortiert, wie Diskussionen zusammengeschnitten. So ist es möglich, die gleiche Situation aus verschiedenen Blickwinkeln gleichzeitig zu betrachten.
Im nächsten Teil des Buches erzählen ein Armeegeneral, ein Gardedivisionsgeneral, eine Krankenschwester, ein Leutnant, eine Regimentskommandeur, ein Geschichtsdozent, ein Scharfschütze, ein einfacher Rotarmist und ein Feindpropagandist aus ihrer Sicht.
Ein Abschnitt mit Aussagen von deutschen Kriegsgefangenen, ein Einblick in die Nachkriegszeit, sowie ein ausführlicher Anhang runden den Band ab.
Dieses Buch konnte ich nur mit Unterbrechungen lesen. Mir gingen die Erzählungen einfach zu nahe, so plastisch wird beschrieben, wie es sich für die Soldaten anfühlte, dort zu sein.
Stalingrad war für beide Seiten zu einem Symbol geworden, und entsprechend erbittert wurde gekämpft.
„Achtzig Stunden ohne Unterbrechung arbeiteten die Luftwaffe, die Granatwerfer und die Artillerie. Drei Tage und drei Nächte verwandelten sich in ein Chaos aus Qualm, Feuer und Geschützdonner. (…) Dieser in seiner Erbitterung nie gekannte Kampf dauerte ohne Unterbrechung mehrere Tage rund um die Uhr.“
Krieg ist die Hölle, und zwar für beide Seiten. Und die Soldaten beider Seiten tragen psychische Schäden davon. Immer. In jedem Krieg. Aber ganz besonders beim Kampf um Stalingrad.
„Von sechs, sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends wurde bombardiert, nur bombardiert. (…) Geschosse explodierten, Granatwerfer feuerten. Der Nebelwerfer 41 heulte unentwegt, alles brodelte von morgens bis abends. Nachts flogen Nachtbomber und warfen ihre Fracht ab, immerzu, immerzu. (…) Drei, vier Tage hat man nicht geschlafen und auch kein Bedürfnis danach gehabt. (…) Die ganze Zeit war man aufgewühlt, die ganze Situation hatte eine fürchterliche Wirkung.“
Das sowjetische Menschenbild betonte – wie übrigens auch das nationalsozialistische – das Heldentum. Im Kampf um Stalingrad war das „Heldentum zum Alltag geworden“, zwangsläufig. Aber es entpuppte sich als Hölle auf Erden, als zu teuer erkauft.
Der alltägliche Wahnsinn des Krieges wird in diesem hervorragenden und umfangreichen Buch lebendig.