Rezension zu "Der Mensch - Evolution, Natur und Kultur" von Jochen Oehler
Wie die Evolution unser Menschenbild verändert
Als der britische Theologe Charles Darwin vor ungefähr 150 Jahren sein Hauptwerk „Die Entstehung der Arten“ schrieb, war sicherlich niemandem bewusst, dass Darwin damit einen Stein ins Rollen brachte, der immer weiter und weiter rollte und auch heute noch rollt. Seit 150 Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler rund um der Welt mit der Darwin’schen Evolutionstheorie und wollen beweisen, dass Darwin richtig lag, als er behauptete, dass nur die Eigenschaften eines Organismus an die nächste Generation vererbt werden, die einen Selektionsvorteil darstellen, und dass alle jetzt lebenden Organismen aus früheren Lebensformen entstanden sind.
Rein wissenschaftssystematisch betrachtet ist die Evolutionstheorie Teil eines Fachgebietes der Biologie, nämlich der Evolutionsbiologie. Doch seit einigen Jahren beschäftigen sich auch andere Wissenschaften mit der Evolutionstheorie und ihrer Auswirkung auf die jeweils eigene Wissenschaft. Die Evolutionspsychologen erklären das Verhalten des Menschen aus evolutionärer Sicht und suchen in der Evolution die Lösung für das Verhalten des Menschen. Sprachwissenschaftler wollen herausfinden, was die Grundlagen und Ursachen für Sprache in der Evolution des Menschen waren und vor allem, wie die Evolution der Sprache selbst abläuft. Kognitionswissenschaftler und Philosophen versuchen das Phänomen Bewusstsein aus evolutionärer Sicht zu erläutern und überlegen, was das Bewusstsein für Selektionsvorteile hervorbrachte. Aber auch über die Rolle des evolutionären Naturalismus in der Ethik und über das Verhältnis von menschlicher Freiheit und biologische Determination wird heiß diskutiert.
Dies sind nur wenige Beispiele für die ungemeinen Auswüchse einer Theorie, die ein Theologe nach einer Reise durch die Welt, aufstellte. Auch Religions- und Literaturwissenschaftler, Historiker und Anthropologen, Politologen und Soziologen, Physiker und Chemiker machen sich die Evolutionstheorie zu Eigen und wollen damit das bunte Kaleidoskop der Welt erklären. Jochen Oehler, studierter Biologe mit Schwerpunkten in der Biokommunikation und Neurobiologie, versammelt in „Der Mensch – Evolution, Natur und Kultur“ 21 Essays, die sich genau mit diesen – und noch viel mehr – Themen(-gebieten) beschäftigen.
Die Essays entstammen zwei Tagungen des VBIO in Dresden aus den Jahren 2007 und 2009 und sind, obwohl mit zahlreichen wissenschaftlichen Theorien und Termini gespickt, verständlich und nachvollziehbar. Die Leser bekommen sowohl eine Einführung in die Allgemeine Evolutionstheorie, wie auch in die mit ihr verbundenen Wissenschaften. Die Verknüpfung der Evolutionstheorie mit bisher eher unüblichen Fächern, wie beispielsweise die Philosophie, und ist sehr einleuchtend.
Besonders positiv sind darüber hinaus das Sachverzeichnis am Ende des Buches und die Literaturempfehlungen und –verweise nach jedem Essay/Kapitel. So können einzelne vorgestellte Theorien bei Interesse des Lesers genauer unter die Lupe genommen werden und das Wiederfinden verschiedener Aspekte wird durch das Sachverzeichnis erleichtert.
Insgesamt ist „Der Mensch – Evolution, Natur und Kultur“ ein sehr interessantes Buch, das durch die ungemeine vertretende Fächervielfalt ebenso überzeugt, wie mit der Verständlichkeit der vorstellten wissenschaftlichen Theorien. Hier wird Interdisziplinarität groß geschrieben, was ich als sehr positiv empfinde, denn in ihr liegt das Verständnis des Menschen, des Universums und einfach allem!