Cover des Buches Rache (ISBN: 9783827012654)
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Rezension zu Rache von Jochen Rausch

Wenn dieses Gefühl namens „Rache“ in uns brodelt ...

von Insider2199 vor 9 Jahren

Rezension

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Insider2199vor 9 Jahren

Wenn dieses Gefühl namens "Rache" in uns brodelt ...

Der Story-Band "Rache" von Jochen Rausch macht deutlich, wozu Menschen fähig sind, wenn dieses Gefühl namens „Rache“ in ihnen übermächtig wird. Der Autor ist ebenso Journalist und Musiker; sein letzter Roman „Krieg“ erschien 2013.

Zum Inhalt: Ein Story-Band mit 11 Kurz-Thrillern spürt den Momenten nach, in denen unterdrückte Wut sich Bahn bricht und in Radikalität und Gewalt umschlägt: Der Jobcenter-Mitarbeiter, der gegenüber seinem Kunden die Beherrschung und daraufhin Arbeit und Frau verliert; der Lokalreporter, der während einer Recherche im sozialen Randgebiet in einen „Ehrenmord“ verwickelt wird, das junge Weltverbesserer-Pärchen, das beim Anzünden eines Autos an den völlig Falschen gerät; ein Amokläufer, der völlig durchdreht ...

Meine Meinung: Inhaltlich gefallen mir die Geschichten sehr gut, bis auf vielleicht zwei kleine Ausnahmen („Feuer“ und „Krawall“). Es fällt auf, dass die Rache-Täter meist männlich sind – was ja nicht sehr verwunderlich ist, in einer Gesellschaft, in der es immer noch nicht sehr männlich erscheint, Gefühle zu zeigen, und lang aufgestaute Gefühle bahnen sich letztlich irgendwann ihren Weg – und auch, dass es meist die „Falschen“ trifft. Obwohl ich als Leser die Taten nie gut heißen konnte – ich bin sowieso eher für „Verzeihen“ als für „Selbstjustiz“ – waren die Beweggründe der Figuren trotzdem nachvollziehbar, und das ist sehr wichtig, soll der Bezug zur Story nicht verloren gehen. Allerdings ist das Thema "Rache" nicht ausreichend ausgereizt worden, da wäre viel mehr denkbar gewesen.

Sprachlich und auch handwerklich ist der Roman sehr ausgereift. Der Autor ist ein guter Beobachter, liefert pointierte Milieu- und Charakter-Studien und versteht es, die Spannung langsam zu steigern und im Hohepunkt entweder mit einem Knall-Effekt oder einer gelungenen Überraschung aufzuwarten oder auch mal ein offenes Ende zu präsentieren, das den Leser zum Nachdenken anregt.

Außerdem versteht es der Autor, seinen Figuren eine eigene Stimme zu geben, was bei Kurzgeschichten nicht immer einfach ist, und schafft es auch meisterlich, die Präsentation seiner Texte den Stories anzupassen: eine Geschichte, die sich hauptsächlich im Gericht abspielt, präsentiert er als Zeugenaussagen und beschreibt die Hauptfigur lediglich aus der Sicht Dritter. Oder ein anderer Held versteckt sich an der Ostsee im Wohnwagen, und so wird die Story dem Leser als Unterhaltung mit einem Urlauber dargeboten.

Oder im großen Finale am Ende, der Titel-Story „Rache“, die neben „Haie“ zu meinen Highlights gehört, ist das Setting ein Diner, und so fügt der Autor die einzelnen Tische wie Puzzle-Steine zusammen, beschreibt dem Leser jede dieser kleinen Welten, die sich an den einzelnen Tischen abspielt und fügt sie im Höhepunkt gekonnt zu einem fertigen Puzzle zusammen. Erstaunlich, wie er bei so vielen Figuren dafür sorgt, dass der Leser dennoch nicht den Überblick verliert.

Fazit: Ein äußerst unterhaltsamer, abwechslungsreicher und spannender Story-Band mit pointierten Milieu- und Charakter-Studien, sprachlich ausgereift und gut geschrieben. Das Einzige, was mir etwas fehlte – und dafür muss ich leider auch einen Stern abziehen – ist, dass das Thema „Rache“ nicht ausreichend ausgereizt wurde. Die Stories laufen alle letztlich auf Mord und Totschlag hinaus, aber Rache beinhaltet wie ich finde so viel mehr Facetten: z.B. könnte der Täter sein Opfer in den finanziellen Ruin treiben, um nur eins von vielen Alternativen zu nennen – ich denke da an tolle Romane wie Alexandre Dumas’ „Der Graf von Monte Christo“ oder auch ganz neu die TV-Serie „Revenge“, wo es auch nicht nur Tote gibt. Aber insgesamt auf jeden Fall lesenswert.

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