Rezension zu "Laborschläfer" von Jochen Schimmang
Rainer Roloff, Jahrgang 1948, hat ein bewegtes Leben: Als promovierter Soziologe an einer Wissenschaftskarriere gescheitert, zeitlebens von Gelegenheitsjobs lebend, nächtigt er nun als Proband im Schlaflabor, um seine Rente aufzubessern. Dort ist er Teil einer Studie zu Traum und Erinnerungen. Von diesen hat der spleenige Privatgelehrte genug, blickt er doch auf ein ereignisreiches Leben in der sich findenden Bundesrepublik zurück. Die Erinnerungen nehmen einen großen Teil des Romans ein und liefern einen spannenden Einblick in Roloffs Wahrnehmung der gesellschaftlichen Stimmung der 1960er und 1970er und seine teils wehmütigen Rückblicke auf eine Biografie, die wohl viele als gescheitert betrachten würden. Zugleich zeigt sich nach und nach, dass der wissenschaftliche Leiter der Schlafstudie nicht ganz mit offenen Karten spielt – zu Roloffs selbstkommentierter Erinnerung gesellt sich daher ein Plot, der zugleich absurd, melancholisch, traurig und amüsant ist.
Garniert wird alles mit einer im positiven Sinn eigenwilligen Sprache, wenn mal eben vergessene lokale Punkbands wie selbstverständlich erwähnt oder mir bisher gänzlich unbekannte bundesdeutsche Autor*innen der damaligen Zeit zitiert werden, wenn Beobachtungen der Gegenwart - der Plot spielt zu Beginn der Coronapandemie - von Roloff in ausschweifenden inneren Monologen kommentiert werden. Dass seine Erinnerungen eng mit Köln verbunden sind, machte den Roman für mich noch unmittelbarer - nicht nur einmal las ich im Buch etwas über einen Ort, an dem ich am gleichen Tag selbst noch war.
Jochen Schimmang bietet also mit "Laborschläfer" nicht nur zeitlich detaillierte Einblicke, sondern auch einiges an Lokalkolorit. "Laborschläfer" hat mich ob der Sprache und des großartig ausgearbeiteten Protagonisten sehr beeindruckt. Statt schnell und actionreich entfaltet es gemächlich seine Wirkung auf die Leser*innen und belohnt aufmerksame Geduld mit einem vielschichtigen Plot.