Richard, der Icherzähler, kommt ein letztes Mal nach Schmogrow im Oderbruch. Das Anwesen, in dem er die Sommerferien seiner Kindheit verbrachte, soll nach dem Tod der Besitzer verkauft werden. Mit Frau und Kindern besucht er es nun ein letztes Mal und macht sich auf Spurensuche.
Es passiert wahrlich nicht viel, auch die Erinnerungen, die reichlich ausgegraben werden, bleiben unspektakulär. Nur in Nebensätzen erfahren wir ein bisschen was über den maroden Zustand der gegenwärtigen Beziehung (Richard und Klara gehen sich auf die Nerven und daher möglichst aus dem Weg).
Der Hof des Ehepaars Tatziet in Schmogrow war zu DDR-Zeiten eine Art Sommerpension für Feriengäste aus Berlin und Verwandte aus dem Westen. Man fuhr mit dem vollgepackten Trabi hin und traf da ein Völkchen von Künstlern und Kulturleuten, auch mit Sack und Pack und Kindern, und genoss gemeinsam ein paar Wochen in einer seltsamen Mischung aus Bäuerlichkeit und Bohème (Herr Tatziet arbeitet als Lateinlehrer an der örtlichen Oberschule und von den Gästen wird erwartet, dass sie am Hof tatkräftig mithelfen).
Das Dorf ist stark geprägt vom Zweiten Weltkrieg - Anfang 1945 kam es hier zu einem letzten mörderischen Aufeinandertreffen von Wehrmacht und Roter Armee, im Boden zeugen Granatsplitter und Tretminen davon, Herr Tatziet verlor damals als junger Soldat einen Arm. Auch die anschließende Sowjetherrschaft mit ihren tausendfachen Vergewaltigungen hat Narben bei den Dörflern hinterlassen, mit den Flüchtlingstrecks kamen neue Bewohner, während andere von den Zeitläuften fortgespült wurden. Immer wieder kommt die Rede auf 1945 und die Umbrüche, die damit einhergingen.
Sonst sind die Erinnerungen eher unpolitisch. Die deutsche Teilung ist ein Fakt, mit dem sich alle ebenso abfinden wie mit der Wende von 1990 und damit, dass der Westen materiell reicher ist. Aber ums Geld geht es den Gästen bei Tatziets ohnehin nicht. Jochen Schmidts Alter Ego Richard sammelt die Spuren der Erinnerung, eher denkmalpflegerisch-bewahrend als nostalgisch-sehnsuchtsvoll, er erinnert sich genau und malt nichts rosa, die Mückenstiche sowenig wie das Plumpsklo im Hof. Angesichts der trockenen Dialoge und Sprüche kam mir manches Mal Walter Kempowski in den Sinn, dann klingt es wieder mehr nach der aufrichtigen Vergangenheitserkundung eines Günter de Bruyn (dessen Werk erwähnt wird und der sein Refugium nicht weit von Schmogrow gefunden haben muss). Richard beklagt die Veränderungen, die mit den Jahren nicht zu vermeiden sind, eher aus ästhetischer Sicht: Die neugebauten Siedlungshäuser sind einfach hässlich, darunter leidet er.
Nein, viel passieren tut nicht. Und kluge Schlussfolgerungen kann man auch keine ziehen aus diesem Buch. Und so einen autofiktionalen Sog à la Knausgård entfaltet es erst recht nicht. Man liest es trotzdem sehr gern (ich hab mich auch nicht an den langen Sätzen gestört, die andere Leser_innen monieren). Am Ende wollte ich drei Sterne geben. Und dann beugte ich mich zurück und es erschien mir, als seien drei Sterne dann doch eine Watschen für den Text, die er nicht verdient hat. Fragen Sie nicht, wieso. Ich weiß es auch nicht.