Cover des Buches Zuckersand (ISBN: 9783406705090)
M
Rezension zu Zuckersand von Jochen Schmidt

Die eigene Kindheit hervorholend

von M.Lehmann-Pape vor 7 Jahren

Rezension

M
M.Lehmann-Papevor 7 Jahren
Die eigene Kindheit hervorholend

Karl ist zwei Jahre alt. Und „auf dem Weg“, das kann man zurecht sagen. Ob mit dem Bobby-Car, dem Dreirad oder, nach wenigen Metern meist, doch lieber im bequemen Kinderwagen.

Vor allem aber tastet, probiert, beobachtet, experimentiert Karl mit allem, was sein Universum in der elterlichen Wohnung und auf den Wegen mit seinem Vater hergibt.

Sei es, den Wasserhahn selbstvergessen immer wieder zu öffnen und zu schließen, das „An-Aus-Spiel“, sei es der Versucht, Obstmus-Gläser mit einem Glasöffner zu öffnen (erfolglos).

Sei es auch bei weniger lustigen Verrichtungen wie eine Strumpfhose richtig anzuziehen (mit Hilfe des Vaters natürlich“, ein Akt, bei dem nicht geschummelt werden darf.

Erkundungen, ein „Hineingehen“, ganz fassbar, ins Leben, das jeder Mensch in diesem Alter erlebt und genossen und, hoffentlich, überlebt hat. Und eine griffige, klare Sprache, mit der Schmidt mit spürbarer Lust dem allem durch die Augen des fiktiven Vaters im Buch nachgeht.

So kleinteilig und klar, dass der Leser fast mit durch Karl´s Augen den Badeschaum erkundet, der aus kleinen Blasen besteht.

Eine Vater-Sohn Geschichte, in der die Mutter eine nicht unerhebliche, vor allem aber abwesende Rolle spielt. Es scheint eine moderne, andere Rollenverteilung vorzuherrschen, bei der die Frau arbeiten geht und der Mann den Haushalt versorgt.

Seite für Seite, Erlebnis um Erlebnis schildert Schmidt und zaubert dabei dem Leser mehr und mehr ein, durchaus auch leicht melancholisches, Lächeln auf den Mund, in dem er einen beständigen Fluss eigener Erinnerungen auftauchen lässt und auch das „Glück des Vaters“ zum Klingen bringt, der sich im Kleinsten für diese „Entdeckung der Welt“ interessiert, fast mit hineinschlüpft in die nochmalige Wiederholung der damals eigenen Reise als Kind. Viel Freiraum zumindest lässt der Vater seinem Karl im Buch, Freiraum, den er mitgenießt, den der Leser zu schätzen weiß und den Schmidt bestens füllt.

Was Karl angeht.

Wobei dort, wo der Vater seine Beziehung regelt, wo der Kontakt zwischen Vater und Mutter mehr in den Vordergrund tritt (im Buch zumeist per SMS), doch der ein oder andere Wehrmutstropfen auf das ansonsten hervorragende Lesevergnügen tropft.

Denn so soft, so „neuer Mann“, so dermaßen sich anbiedernd und anlehnend an die Lebenspartnerin wirkt dieser Mann, dass es auf Dauer tatsächlich anfängt, zu nerven. Was zu Beginn noch als „sensibel“ durchgehen mag, als „die hart arbeitende Frau teilhaben lassen“ am Elternglück, wird nach einer Weile der Lektüre doch anstrengend.

„Gespannt wartete ich darauf, ob Klara merken würde, dass ich das Salz in ihrem Salzstreuer nachgefüllt hatte (oder gar, dass er den Kaffeerest vom Boden der Dose immer sorgfältig geborgen hat, oder dass er seinen Mittagsschlaf immer „ohne Socken“ verrichtet, damit eine zufällig früher nach Hause kommende Klara keinen Anstoß nimmt).
Hechelnd nach Anerkennung wirkt das über doch weite Strecken im Buch und damit auch ein stückweit doch ab von der Welt (auch wenn es solche Männer sicherlich gibt, hoffentlich ist das nicht die Regel).

Diese Seite der Lektüre ist allerdings nicht der Kern dessen, was Schmidt dem Leser vor Augen führt und gut ist, dass die Siege und Niederlagen, das „eigenständig werden“ durch die Wunder eines Wasserhahns oder eines Steins oder eines „großen Ausflugs“ bestens im Buch anklingen.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks