Cover des Buches Das Herz ihrer Tochter (ISBN: 9783492053006)
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Rezension zu Das Herz ihrer Tochter von Jodi Picoult

Diskussionsstoff

von The iron butterfly vor 9 Jahren

Rezension

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The iron butterflyvor 9 Jahren

June Nealon erlebt eine der schlimmsten Situationen im Leben eines Menschen, sie verliert durch ein grausames Verbrechen ihre kleine Tochter Elizabeth. Ein Handwerker, der von der Familie für Renovierungsarbeiten engagiert wurde, tötete auch Kurt Nealon, Junes zweiten Ehemann. In der Gerichtsverhandlung stellt die Recherchearbeit dar, dass Shay Bourne wohl Elizabeth missbrauchte und vom Stiefvater, der Polizist war, dabei überrascht wurde. Bei Handgreiflichkeiten konnte Shay Bourne Kurts‘ Waffe ergreifen und diese für sein Verbrechen an Elizabeth und Kurt nutzen. Shay Bourne wird im Staate New Hampshire von den Geschworenen zum Tode durch eine tödliche Injektion verurteilt.

June, die zum Zeitpunkt des Verbrechens mit dem gemeinsamen Kind schwanger war, erlebt erneut einen niederschmetternden Verlust, da sie Jahre zuvor bei einem Autounfall ihre große Liebe Jack verlor. Sie und Elizabeth überlebten den Unfall und fanden in Kurt Nealon nicht nur ihren Retter am Unfallort, sondern auch einen neuen Vater und Mann. Shay Bourne hat dieser Idylle ein jähes Ende bereitet und June findet ausschließlich in ihrem noch ungeborenen Kind, der Tochter Claire, Halt, um weiterzuleben.

Elf Jahre nach dem Verbrechen hat sich die Realität für keinen der Beteiligten maßgeblich gebessert, denn Claire, June kleine Tochter, ist herzkrank und benötigt dringend eine Transplantation.

Shay Bourne erlebt eine andere Situation, die nicht minder niederschmetternd ist, er ist ein Todeskandidat und sitzt mit anderen Schwerverbrechern, die nichts mit ihm gemeinsam haben im Gefängnis. Selbst ein Pflegekind, welches von Familie zu Familie gereicht wurde, litt Shay an einer bipolaren Störung, die nie behandelt wurde. Sinnesreize überfluten seine Wahrnehmung, er kann sich schlecht in Worte fassen, kann nur schlecht lesen oder gar schreiben. Ein Brand im Haus seiner Pflegeeltern wird ihm in Jugendzeiten angelastet und führt zu einer Jugendstrafe, danach scheint er als wandernder Zimmermann nach Arbeit zu suchen. Ein Paradekandidat für ein Schwerverbrechen.

Shay entscheidet, als er im Fernsehen durch Zufall eine Berichterstattung über Claires dringend notwendige Herztransplantation sieht, ihr sein Herz zu geben. Schließlich steht seine Exekution kurz bevor und dies erscheint ihm die ausgleichende Gerechtigkeit für seine Schuld an Junes Verlust der geliebten Elizabeth zu sein.

Jodi Picoult erzählt diese Geschichte aus der Sicht von verschiedenen Personen. Zum einen ist da June, die unsagbar viele Verluste erleiden musste und um ihre Zukunft mit Claire kämpft. Sie hat Entscheidungen zu treffen, die niemand alleine treffen will und doch steht sie alleine da.

Michael, anfänglich Student und Geschworener im Prozess um Shay Verurteilung, später Priester aus Überzeugung und Seelsorger für Shay. Im Prozess war er der letzte Geschworene, der Shay zum Tode verurteilte und seine Zweifel haben ihm seinen Glauben näher gebracht. Als Seelsorger erhofft er sich nicht nur Erlösung von seinen Zweifeln, sondern auch die Chance Shay mit Hilfe des Glaubens auf seine bevorstehende Hinrichtung zu unterstützen.

Lucius, Gefängnisinsasse, Mörder an seinem Geliebten, Künstler und irgendwann auch das, was man in einer Gefängnisatmosphäre Shays Freund nennen kann. Lucius beobachtet und erlebt Shay im Gefängnis. Durch seine Augen erlebt der Leser wundersame Begebenheiten, die Shay in ein anderes Licht rücken.

Maggie, Rechtsanwältin bei der Amerikanischen Bürgerrechtsunion ACLU, Singlefrau mit den üblichen Selbstbewusstseinsstörungen und einer unbändigen Intelligenz. Sie wird Shay helfen, denn wenn er durch eine tödliche Injektion hingerichtet wird, ist sein Herz unbrauchbar und nicht mehr für Claire als Organspende geeignet.

Gewohnt gut recherchiert und formuliert, hat sich Picoult in „Das Herz meiner Tochter“ die Themen Glaube, Religion und die umstrittene Todesstrafe in den USA vorgenommen. Die Erzählweise ist aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel eher aufschlußreich, als verwirrend. Inhaltlich führt alles selbstverständlich nur schwer auf ein Happy-Ending zu und doch sind da einige Ansätze, die mir weniger gefielen. Die Protagonisten wirken wie für die Geschichte "gestrickt", klischeehaft teilweise. Oder Shay, der zu Beginn eher als Person dargestellt wird, die sich nur schwer äußern kann, die introvertiert und kompliziert zu sein scheint, entpuppt sich phasenweise zum Retorikkünstler. Das wirkte für mich teilweise am Protagonisten „vorbeierzählt“. „Too much“ war mir auch der ganze religiöse Schwall, wobei die Thematik um Religionsfreiheit und die Thomasevangelien sehr interessant gestaltet wurde, aber diese Andeutungen in Richtung wundersamer Ereignisse, die Paralellen zwischen Shay und Jesus, naja…

Trotzdem liest sich Picoult immer wieder mal ganz gut, weil sie mutig Themen aufgreift und sie vorstellt, ohne Partei zu ergreifen. Sie lässt genug Spielraum für Überlegungen, stößt Interesse an und hinterlässt auch die eine oder andere Frage zum Thema, die man hinterher gerne diskutieren kann oder für die eigene Wissenserweiterung recherchiert. Ein ordentlicher drei-Sterne-Roman.

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