Cover des Buches Kleine große Schritte (ISBN: 9783570102374)
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Rezension zu Kleine große Schritte von Jodi Picoult

Wahnsinnig wichtig in jeder Zeit

von Anne-Sophie_Fuchs vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Gänsehaut und Scham.

Rezension

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Anne-Sophie_Fuchsvor 6 Jahren

„Soll ich ehrlich sein? Der Grund, weshalb wir nicht über Rasse sprechen, ist der, dass wir keine gemeinsame Sprache sprechen.“

Neben mir liegen die knapp 590 Seiten von Jodi Picoults „Kleine große Schritte“. Hinter mir eine gewaltige Reise durch das Innere eines Rechtsextremisten, einer farbigen Krankenschwester und einer weißen Anwältin, die endlich erkennt, was Rassismus eigentlich bedeutet.

„Ich bin kein Rassist, aber“ – ist das, was hierzulande oft gesagt und veralbert wird. Und genau mit dieser Leichtfertigkeit, mit der Ignoranz, mit Überkompensation – mit all dem spielt Jodi Picoult, wirft dem Leser so regelmäßig den Ball zu und fragt zwischen den Zeilen ganz direkt: „Und jetzt? Was würdest du jetzt tun?“

„Sie legen mich in Ketten.
Einfach so legen sie mir Handschellen an, als würde das nicht zweihundert Jahre Geschichte wie einen Stromschlag durch meine Adern jagen.“

Ich begleitete Ruth, deren Welt in wenigen Sekunden radikal auf den Kopf gestellt wird. Und eine Ruth, die kopfüber schließlich merkt, wie viel Wut eigentlich in ihr schlummert.

Ich steckte im Kopf von Turk, dem Mann mit dem Swastika-Tattoo auf dem Schädel. Turk, der sich in seiner Jugend von Menschen aufgenommen und verstanden fühlte, die Schwarze hassen. Und alle, die nicht sind, wie sie: weiß. Und ich lernte Turk kennen, den jungen Vater, voller Liebe für seine Frau und seinen Sohn. Und voller Rachsucht, Hilflosigkeit und Wut auf die Frau, die sein Baby umgebracht hat.

Und ich war an der Seite von Kennedy, einer Pflichtverteidigerin, die mit Ruths Mordanklage ihren ersten großen, richtigen Fall behandeln durfte. Kennedy, deren Mutter es für unangebracht hält, dass die kleine Violet zu Halloween ein „Tiana-Kostüm“ bekommt – eben das einer schwarzen Disney-Prinzessin.

Mutter zeigt auf Violet und ihre kleine Freundin, die Gras über ihre Schlammkuchen sprenkeln. „Das geht schon so viel länger als wir existieren, Kennedy. Für dich und deine Zeit sieht es so aus, als läge noch ein weiter Weg vor uns. Aber was soll ich sagen?“ Sie blickt lächelnd auf die Kinder. „Wenn ich das sehe, kann ich nur staunen, wie weit wir schon gekommen sind.“

Ich möchte, dass jeder dieses Buch liest.
Außer mein Freund, dem hab‘ ich das Ende schon verraten, du bist raus.
Aber sonst: jeder.

Denn es macht Gänsehaut. Weil du dich wiederfindest, in jeder Perspektive. Weil es Wahrheiten ausspricht, die viel zu leichtfertig unter den unsichtbaren Tisch gekehrt werden. Weil es mir bewusst gemacht hat, wie wichtig es ist, über Rassismus zu sprechen. Und zwar mit jedem.

„Wie schwer ist es für Sie, eine Glückwunschkarte zum Geburtstag Ihres Babys zu finden, mit dem Bild eines Kindes darauf, das dieselbe Hautfarbe hat wie Ihr Mädchen? Wie oft haben Sie ein Bild von Jesus gesehen, der so aussieht wie Sie?“

Die Grundhandlung ist ganz einfach. Und das, was Jodi Picoult mit Perspektiven, Hintergründen und Dialogen drumherum schafft, einfach bemerkenswert. Das Buch ist einfühlsam, detailliert, wortgewaltig und spannend. Und vor allem: wahnsinnig wichtig.

Lesen!

„Ich höre das Plätschern des Brunnens hinter mir und denke an Wasser, das als Dunst aufsteigt, damit kokettiert, eine Wolke zu sein und dann als Regen zurückkehrt. Würde man das Fallen nennen? Oder nach Hause kommen?“

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