Johann A Leisewitz

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Autor*in von Julius von Tarent.

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Cover des Buches Julius von Tarent (ISBN: 9783150001110)

Julius von Tarent

 (4)
Erschienen am 01.01.1986

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Cover des Buches Julius von Tarent (ISBN: 9783150001110)
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Rezension zu "Julius von Tarent" von Johann A Leisewitz

Rezension zu "Julius von Tarent" von Johann A Leisewitz
Heike110566vor 13 Jahren

In der Literatur spielen Vater-Sohn- und Brüder-Konflikte immer wieder eine große Rolle. Diese Rivalitäten bieten Stoff für diverse Auseinandersetzungen, Reibereien und Kämpfe. Als Grundkonstellation dienten sie auch vielen Autoren des Sturm und Drang als Basis für ihre Dramen. So auch Johann Anton Leisewitz (1752-1806) für das Trauerspiel "Julius von Tarent", das 1776 veröffentlicht wurde.
Bei Leisewitz sind diese Konfliktherde sogar in quadrierter Form in seinem Stück zu finden. Zwei Brüderpaare, zum einen der Fürst von Tarent und sein Bruder der Erzbischof, zum anderen Julius von Tarent und sein Bruder Guido, und dazu auch gleich in zweifacher Ausfertigung der Vater-Sohn-Konflikt, denn der Fürst ist der Vater sowohl des Erbprinzen Julius als auch von Guido. - Eine sehr interessante Ausgangskonstellation für ein Drama.
Die Tragödie spielt in Tarent, Ende des 15. Jahrhunderts.
Julius liebt Blanca. Guido liebt auch Blanca. - Da diese aber erstens keine standesgemäße Frau für die Söhne des Fürsten darstellt und sie zweitens immer wieder für Streit zwischen den Brüdern gesorgt hat, ließ der Fürst die Frau ins Kloster sperren, wo sie als Nonne sich Gott weihen sollte. Julius, der sie liebevoll begehrt und dem auch Blanca zugeneigt ist, will sie da rausholen und ist bereit, auf seine Titel und Ehren zu verzichten, wenn er mit der Frau, die er liebt, glücklich werden kann. Am liebsten würde er sofort zum Kloster aufbrechen und sie befreien, aber Aspermonte, ein Freund des Prinzen, versucht den von seinen Leidenschaften geprägten jungen Mann zu besonnen Handeln zu bewegen: einen Monat abzuwarten, statt im Affekt zu handeln.
Aber auch Guido ist ein extrem von seinen Leidenschaften gesteuerter Zeitgenosse. Auch er beansprucht Blanca für sich, macht gegenüber seinen Bruder sogar die älteren Rechte geltend, denn er habe sie zuerst geliebt. Das Blanca Julius liebt, interessiert ihn nicht. Die Frau habe da nicht mitzuentscheiden, wen sie heirate, so seine Argumentation.
Guido, der sich schon in diversen Kämpfen bewährt hat, sieht in Julius keinen Mann. Er sieht ihn als Weichling, als Zärtling. Und auch Julius hat mit seiner Geschlechterrolle ein Identitätsproblem. Schon in der ersten Szene des Stücks äußert er: "Ich habe ein Herz und bin ein Fürst - das ist mein Unglück" und zeigt deutlich, dass er die Diskrepanz zwischen dem Dasein, das man von ihm erwartet, und seinen eigenen Gefühlen und Ambitionen erkannt hat. Und er ist bereit den Fürstentitel abzugeben. - Bei der Begegnung zwischen den Brüdern prallen diese unterschiedlichen Weltsichten natürlich aufeinander. Julius ist aber nicht an einer Eskalation interessiert und lässt Guido stehen.
Derartig brüskiert geht dieser auf Aspermonte los, fordert diesen zum Duell. Gerade rechtzeitig taucht da der Erzbischof auf. Er versucht seinem Neffen klarzumachen, dass weder er noch Julius Blanca haben könne, da sie nun der Kirche gehöre. Guido hat dafür überhaupt kein Verständnis.
Dem Fürsten von Tarent nimmt dieser Streit zwischen seinen Söhnen besonders mit. Feiert er doch gerade seinen 76. Geburtstag und hat die Thronfolge im Sinn. Und da taucht sein Bruder auf und erzählt ihm von der gerade statfgefundenen Auseinandersetzung der Söhne. Aber der Fürst hat einen Plan: er hat seine Nichte Cäcilia kommen lassen, damit sie Julius heirate. So sei der Thron gesichert und Blanca kein Objekt der Begierde mehr, denn auch Guido würde dann verzichten, da er sie nur haben wolle, weil sie Julius liebt. So seine Argumentation.
Allerdings scheitert der Plan, denn Cäcilia ist fest entschlossen keinen Mann zu heiraten. Auch nicht Julius. "Ich habe der Liebe auf ewig entsagt; frei geboren, will ich frei sterben; ich kann den Gedanken nicht ausstehn, die Sklavin eines Mannes zu werden."
Julius ist dies natürlich recht. Sein Herz gehört Blanca, an Cäcilie hat er daher eh kein Interesse. - Aber die Wünsche des Fürsten sind damit durchkreuzt und deshalb appeliert er an seine Söhne, dass sie sich vertragen. Als er dabei erfolglos ist, zwingt er sie regelrecht dazu, dass sie sich umarmen. Das dies nur ein Schauspiel ist, dessen ist er sich bewusst. Aber für ihn ist es Hoffnung. Und Guido ist tatsächlich bewegt, bietet seinen Bruder an, auf Blanca zu verzichten, wenn auch Julius abschwöre. Aber Julius sieht dafür keine Chance, kann und will seine Leidenschaften nicht dem Staatsinteresse unterordnen. Daraufhin erklärt ihm Guido den Krieg.
Noch am selben Abend zieht Julius los, um Blanca aus dem Kloster zu befreien. Anschließend will er mit ihr und mit Hilfe Aspermontes aus Tarent fliehen. Aber Guido erfährt von dem Plan, lauert seinen Bruder auf und tötet ihn.
Für den Vater bricht eine Welt zusammen. Und damit gleichzeitig auch sein Fürstentum, dass er als Familiensache betrachtet. Getötet der Erbe von seinem eigenen zweiten Sohn, muss er nun als Oberhaupt der Familie und oberster Richter des Staates über den Mörder Gericht halten. Das Urteil ist natürlich der Tod. Und er vollstreckt es selbst, erdolcht den eigenen Sohn.
Am Ende ist er am Ende. Die Familie ausgelöscht und damit auch der Staat zusammengebrochen, teilt er seinem Bruder mit, dass er nun ins Kloster gehen wolle und das Fürstentum an das Herrschaftshaus in Neapel übergebe.
Angeregt wurde Leisewitz durch die Geschichte des Großherzogs Cosmos I. von Florenz, die er aber nicht original nachgestaltete, sondern seine eigene Geschichte ersann. Er verarbeitete hier die typischen Sujets des Sturm und Drang. Interessant dabei die bereits oben erwähnte Grundkonstellation. Zwei Brüderpaare, zwei Vater-Sohn-Paare.
Sowohl Julius als auch Guido sind von Leidenschaften gesteuert. Können diese nicht unter Kontrolle halten. Die Leidenschaften sind aber völlig unterschiedlich ausgerichtet: Julius ist sanft, herzlich, sehr empfindsam; Guido ist direkt, ehrversessen, angriffslustig. In den Dialogen wirken sie wie die zwei Seiten einer Person. - Und auch das andere Brüderpaar, Fürst und Erzbischof, hat die analoge Wirkung.
Die Leidenschaften der Protagonisten, die sämtlich aus dem Adel stammen, bestimmen die Handlung. Zwar scheint es auch einen Standeskonflikt zu geben, denn die Liebe zu Blanca wird als nicht standesgemäß im Text eingeordnet, aber dies ist eher nur ein Randthema, dient als Begründung für das Einweisen von Blanca ins Kloster durch den Fürsten.
Während in vielen Sturm-und-Drang-Dramen der Rebell scheitert und die alte Ordnung also wieder hergestellt ist, bleibt hier am Ende ein kompletter Trümmerhaufen. Auch der Vater, die bestehende Ordnung, ist gescheitert und hat keine Zukunftsperspektive mehr. Die Ignoranz des Fürsten gegenüber den Realitäten ist die entscheidende Ursache hierfür. Er verschließt die Augen vor dem weiter bestehenden Zwist, nachdem er seine Söhne zu der symbolischen Umarmungsgeste gezwungen hat. Das Unversöhnliche ist aber nicht zwangsweise versöhnbar. Dies erkennt der Fürst leider nicht.
Das Drama wird hier zur Kritik an der bestehenden politischen Herrschaft des Adels. Und Leisewitz erkennt auch, dass dies System zum Scheitern verurteilt ist. - Eine Vision hat er aber nicht. Besonders tragisch, da er auch anprangert, wie die Fürsten ihre Untertanen als ihre Privatsache betrachten. Tarent wird einfach an Neapel abgetreten, was aus dem Volk wird, interessiert dem Fürsten nicht. Am Ende gibt es keinen Schimmer der Hoffnung.
So interessant die Grundkonstellation auch ist, Leisewitz gelingt es nicht besonders, einen Spannungsbogen zu erzeugen. Die Handlungsfolge ist vorhersehbar, überraschendes bleibt aus. Selbst bei Julius Ermordung verzichtet der Autor auf jedweden Kampf. Es gibt nur einen ganz kurzen Wortwechsel und dann steht als Regieanweisung: "Er [Guido] ersticht Julius." - Kein Kampf der Leidenschaften, nichts. Die Entscheidung fällt fast nebenbei. Hier wäre mehr drin gewesen. Und dies nicht nur martialisch, sondern auch sinnhaft in Bezug auf das, was der Dichter in diesem Drama darstellt und letztlich auch dem Publikum vermitteln will.

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