"Im Schlaf zeigt ein Gesicht nie das gleiche Alter wie im Wachen. Vicos Gesicht wird im Schlaf älter, ihres jünger. Da ich ihr Wächter bin, kenne ich mich da aus." (Berger, S. 88)
Vico, Vica und King. Ein Trio, der besonderen Art. Vico und Vica sind ein Paar, King ihr Hund. An sich nichts besonderes. Doch King hat hier das sagen, im wahrsten Sinne des Wortes. Er ist der Erzähler, aus seiner Sicht wird dieses Drama geschildert.
Eine namenlose Stadt in Italien. Vico und Vica sind obdachlos und leben in St. Valéry, welches King schlichtweg als "Mantel" bezeichnet: Die Vicos Leben im Aufschlag des rechten Ärmels. King nimmt uns mit in ihr Leben und in ihren Tagesablauf. Anhand eines Tages schildert er ihr Leben. Allerdings wird es kein alltäglicher Tag sein, nein es ist ihr letzter Tag in ihrem alten Zuhause.
Berger hat hier etwas Neues probiert und zugegeben, die Geschichte aus Sicht eines Hundes zu schreiben, ist durchaus kreativ. Aber, ja es gibt leider ein großes Aber. Aber es zündet schlichtweg nicht. Die Charaktere bleiben irgendwie blass und man erhält als Leser keinen Zugang zu ihren Gedanken. Wie auch? Die Geschichte wird schließlich von King - einem Außenstehenden - getragen und geschildert. Dadurch ist viel Potential verloren gegangen und man geht unzufrieden aus der Geschichte. Und das ist im doppelten Sinne schade:
Zum einen ist das Buch wirklich sehr hübsch aufgemacht - in ockerfarbenem Leinen und dem schlichten Cover mit kurzen Kapiteln, die Zeitabschnitte darstellen. Es ist schlichtweg ein Schmuckstück. Zum anderen ist die Idee, eine Geschichte aus Hundesicht zu schildern durchaus gut, es hapert hier aber schlichtweg an der Umsetzung. Ein rotierendes Prinzip, dass Vicos und Vicas Sicht der Dinge geschildert hätte, wäre sicher vorteilhafter gewesen.
Fazit: Ein gute Idee, leider nur mäßig umgesetzt, in einer wirklich schmucken "Verpackung".
John Berger
Lebenslauf von John Berger
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von John Berger
Auf dem Weg zur Hochzeit
Flieder und Flagge
King
Das Sichtbare und das Verborgene
Dürer - Zeichnungen
Eine andere Art zu erzählen
SauErde
G.
Neue Rezensionen zu John Berger
Rezension zu "Bentos Skizzenbuch" von John Berger
Da ich sowohl John Bergers Betrachtungen über die Kunst und das Leben, als auch die Philosophie des Baruch de Spinoza sehr zu schätzen weiß, freute ich mich auf diese Mischung aus beidem - und wurde nicht enttäuscht.
Das liebevoll gestaltete Buch setzt sich aus persönlichen Alltagsbeobachtungen, (kunst)geschichtlichen Ausflügen, Skizzen und Zeichnungen John Bergers, und Zitaten Spinozas zusammen, die sich ergänzen oder nebeneinander stehen, und zusammen ein dichtes, gewebtes Muster an Eindrücken und Gedanken entstehen lassen.
Mal geht es um das genaue Betrachten der Zwetschgen am Baum, mal um die Grausamkeit der Gleichgültigkeit politischer Systeme, mal um das Entstehen einer Zeichnung durch Abtragen des Raums, um Lucas Fahrrad, um die Zufälligkeit von Begegnungen, um das Zeichnen im Motarradfahren, um die Gaukler-Portraits von Velázquez, um die Bedeutung des Daseins, und um das Lernen des Sehens.
Dabei folgt alles der Interpretation John Bergers, ob es nun um die Deutung Spinozas Aussagen oder um künstlerische und politische Bemerkungen geht. Man sollte auf keinen Fall eine wissenschaftliche, durchstrukturierte Abhandlung erwarten, wenn man das Buch genießen und von ihm lernen möchte. Es ist das Portrait eines eigenwilligen, nicht unumstrittenen Denkers und Zeichners, der gemeinsam mit den Theorien Spinozas Hoffnung geben möchte, und aus einem Gefühl der Dringlichkeit heraus schreibt.
Für mich war es eine inspirierende Entdeckungsreise, jede neue Beobachtung und Zeichnung war eine Überraschung, und es hat mir Spaß gemacht, den ebenso interessanten wie persönlichen Gedankengängen John Bergers zu folgen. Es ist ein Buch über die Vielfalt von Schönheit, über den Zustand der Welt und über das Zeichnen.
"Wenn ich zeichne, fühle ich mich ein wenig der Art und Weise näher, wie Vögel sich im Flug orientieren, Hasen auf der Flucht Deckung suchen, Fische wissen, wo sie laichen, Bäume den Weg zum Licht finden oder Bienen ihre Waben bauen.
Ich spüre eine ferne, stille Gemeinschaft. Fast so fern wie die Sterne. Und doch ist da eine Gemeinschaft. Nicht, weil wir uns im gleichen Universum befinden, sondern weil wir - jeder auf seine Art - auf einer vergleichbaren Suche sind."
Rezension zu "Auf dem Weg zur Hochzeit" von John Berger
Das Leben ist zu kurz, die falschen Bücher zu lesen....
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John Berger wurde am 05. November 1926 in London (Großbritannien) geboren.
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