Cover des Buches Das Vermächtnis der Montignacs (ISBN: 9783492301541)
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Rezension zu Das Vermächtnis der Montignacs von John Boyne

Ein schicksalhaftes Jahr

von kubine vor 11 Jahren

Rezension

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kubinevor 11 Jahren
Owen Montignac sieht seiner Zukunft gelassen entgegen. Zwar hat er einen Riesenberg Schulden am Hals, aber das sollte sich durch das Erbe seines Onkels bald erledigt haben. Bei der Testamentseröffnung dann die böse Überraschung: Seine Cousine Stella erbt alles und nicht wie traditionell üblich der männliche Erbe. Er hat den Schock noch nicht ganz verdaut, da steht auch schon der Gläubiger vor der Tür und macht Owen unmissverständlich klar, das er sein Geld will und setzt ihm eine Frist. Kurz darauf nimmt ein Fremder mit Owen Kontakt auf und verspricht ihm Geld, wenn Owen gewisse Gefälligkeiten für ihn erledigt - Gefälligkeiten, die alles andere als legal sind. Er lässt sich darauf ein, nichtsahnend dass er nicht nur das Schicksal einzelner für immer verändern wird, sondern auch das ganze Empire...

John Boyne ist ein Meister, wenn es um das Verbinden von wahren Begebenheiten mit einer fiktiven Handlung geht. Das hat er schon beim "Haus zur besonderen Verwendung" bewiesen, und auch dieser Roman steht dem in nichts nach.

Dieses Mal nimmt er den Leser mit nach England ins schicksalsträchtige Jahr 1936. Edward VIII. ist seit Anfang des Jahres der neue König, doch seine Liebe zu der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson spaltet die Nation. Besonders konservativen Angehörigen des Parlaments ist die Beziehung ein Dorn im Auge, wobei das aber auch nur ein Vorwand ist. Aber kann man jemanden vorschreiben, wen er zu lieben hat? Kann man in dem Punkt wirklich eine gerechte Entscheidung treffen?

Das gilt nicht nur für den König, sondern dieses Motiv zieht sich auch durch den ganzen Roman. Dabei geht es aber nicht nur um die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern auch um die elterliche Liebe zu ihrem Kind, die heimatverbundene Liebe und die Liebe zur Freiheit.

Mit Owen Montignac hat John Boyne dabei einen Charakter geschaffen, der widersprüchlicher nicht sein kann. Einerseits ist er skrupelloser Egoist, der alles tun würde, um seine Ziele zu erreichen. Andererseits hat er auch ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsbewusstsein. Es ist ihm klar, dass er seine immensen Schulden nur seiner Spielsucht zu verdanken hat. Seine eigenen Unzulänglichkeiten machen ihn wütend, aber nicht nur die. Wütend ist er auch auf seine Familie, die seinem Vater, und damit auch ihn, ums Erbe betrogen. Wütend ist er auf seine Cousine, mit der ihn einmal mehr verbunden hat, als nur verwandtschaftliche Bande. Die Wut lässt ihn seine Taten recht kaltblütig begehen, aber immer wieder meldet sich auch sein schlechtes Gewissen. Den Protagonisten Owen Montignac kann man dadurch schwer einschätzen.

Die damalige Zeit und besonders das Verhalten der Oberschicht der Londoner Gesellschaft wird hervorragend skizziert. Ob fauler Sohn, dandyhafter Freund, eine Mutter, für die es nichts Höheres als das Gartenfest im Buckingham Palace gibt oder ein Richter, der seinen Idealen und Prinzipien folgt - das alles findet seinen Platz im Roman. Ebenso wie die Tatsache, dass alle nur Marionetten in einem Spiel sind, bei dem andere die Fäden ziehen. Bei diesem Spiel machen alle Figuren eine Wandlung durch und erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben. Die Verbindung von Fiktion und realen Begebenheiten zeigt, welche komplexen Hintergründe wichtige oder tiefgreifende Veränderungen haben können. Und das vermeintliche Sieger auf lange Sicht gesehen eigentlich Verlierer sind.

Der angenehme Schreibstil John Boynes trägt dazu bei, das man das Buch kaum aus der Hand legen möchte. Geschickt eingestreute Geheimnisse und Begebenheiten, die ein Licht in das Dunkel der Vergangenheit bringen, tun ihr übriges dazu, ebenso wie der Wechsel der Erzählperspektive und relativ kurze Kapitel.

Mir hat es jedenfalls sehr gut gefallen und ich kann es allen, die historische Romane, die sich mit der näheren Vergangenheit beschäftigen, lieben, nur empfehlen!
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