John Connolly

 4 Sterne bei 620 Bewertungen
Autor von Das Buch der verlorenen Dinge, Das schwarze Herz und weiteren Büchern.
Autorenbild von John Connolly (© Hugh Glynn)

Lebenslauf

Mystische Krimis und einfühlsame Porträts: Der irische Autor und Journalist John Connolly wurde 1968 in Dublin geboren. Dort wuchs er auch auf. Später studierte er sowohl am Trinity College als auch am University College Dublin Englisch und Journalismus. Zunächst versuchte er sein Glück mit diversen Aushilfsjobs, bis er als Journalist bei der Irish Times unterkam. Obwohl er als Schriftsteller inzwischen erfolgreich ist, geht er seinem Job bei der Zeitung noch immer nach. International bekannt wurde Connolly mit seinen mystisch angehauchten Krimibestsellern um den ehemaligen New Yorker Polizisten Charles „Bird“ Parker. Seit dessen Frau und Tochter von einem Serienkiller ermordet wurden, arbeitet er als Privatermittler. Unterstützt wird er dabei von Angel, einem ehemaligen Einbrecher, sowie dem Auftragskiller Louis. Für „Every Dead Thing“ (1999; dt.: Das schwarze Herz; 2000) erhielt Connolly den US-amerikanischen Shamus Award. Doch schreibt er nicht nur Krimis. 2017 landete er mit „He“ (dt.: „Stan“; 2018), einem einfühlsamen Porträt des weltberühmten Hollywoodkomikers Stan Laurel, in der englischsprachigen Welt einen Bestseller. Beim Irish Book Award bekam er dafür den Publikumspreis. Die amerikanischen Schauplätze seiner Romane kennt John Connolly übrigens aus eigener Erfahrung, verbringt er doch die Hälfte des Jahres in den Vereinigten Staaten.

Alle Bücher von John Connolly

Cover des Buches Das Buch der verlorenen Dinge (ISBN: 9783548609225)

Das Buch der verlorenen Dinge

(276)
Erschienen am 03.12.2009
Cover des Buches Das schwarze Herz (ISBN: 9783955305659)

Das schwarze Herz

(56)
Erschienen am 01.10.2014
Cover des Buches Das dunkle Vermächtnis (ISBN: 9783955305666)

Das dunkle Vermächtnis

(35)
Erschienen am 01.10.2014
Cover des Buches In tiefer Finsternis (ISBN: 9783548266237)

In tiefer Finsternis

(26)
Erschienen am 13.09.2006
Cover des Buches Die weiße Straße (ISBN: 9783548280981)

Die weiße Straße

(22)
Erschienen am 11.05.2009
Cover des Buches Das Portal der Dämonen (ISBN: 9783570223710)

Das Portal der Dämonen

(19)
Erschienen am 14.01.2013
Cover des Buches Die Insel (ISBN: 9783548269405)

Die Insel

(18)
Erschienen am 08.05.2008
Cover des Buches Der brennende Engel (ISBN: 9783548280486)

Der brennende Engel

(17)
Erschienen am 11.03.2009

Neue Rezensionen zu John Connolly

Cover des Buches Das Buch der verlorenen Dinge (ISBN: 9783548609225)
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Rezension zu "Das Buch der verlorenen Dinge" von John Connolly

Nyansha
Ein Buch, das man gelesen haben sollte

„Das Buch der verlorenen Dinge“ von John Connolly erschien am 3. Dezember 2009 im List Verlag. Es handelt sich um einen Roman, der 336 Seiten umfasst und in 33 Kapitel unterteilt ist, die den jeweiligen Inhalt in kurzen Überschriften zusammenfassen.

Für einen ersten Überblick über die Grundstimmung des Buches möchte ich folgende Textstelle zitieren: 

Wer sich auf den Handel mit dem Krummen Mann einließ, indem er den Namen des Kindes nannte, war auf ewig verdammt. Er wurde ein Herrscher ohne Macht, stets verfolgt von dem Betrug an jemandem, der kleiner und schwächer war als er selbst, einem Bruder, einer Schwester, einem Freund, den er hätte beschützen sollen, der ihm vertraute, der zu ihm aufsah und der später, wenn aus den Kindern Erwachsene wurden, seinerseits für ihn da gewesen wäre. Und wenn der Handel erst einmal abgeschlossen war, gab es kein Zurück mehr, denn wie könnte jemand mit dem Wissen um diese schreckliche Tat in sein altes Leben zurückkehren? (S.283)

Ich habe das Buch unter folgenden Gesichtspunkten genauer betrachtet:


 Schreibstil /Layout

Definitiv gehoben, ich brauchte eine Weile, um mich in die zuerst nüchtern anmutende, aber durchaus scharfe Schreibweise des Autors zu gewöhnen. Oftmals ist die Andeutung des Grauens viel prägnanter als das Grauen an sich. Davids Reaktionen auf Erlebtes waren mir oftmals zu kontrolliert, gerade, wenn man bedenkt, dass aus Kindersicht erzählt werden soll. Die Darstellung der Charaktere ist wirklich gut gelungen, ich fühlte mich ihnen nah, obwohl wir oftmals nur Bruchstücke dessen erfahren, was sie sind oder sein könnten. Jeder von ihnen hat einen Platz in dieser Geschichte, der Schreibstil und die enthaltenen Dialoge sorgen für ein einfaches Erkennen, selbst ohne direkte Namensnennung.

Es kam kein langweiliger Moment auf. Die Geschichte wechselt zwischen bedeutsamen Reisemomenten, in denen tiefgründige Gespräche im Vordergrund stehen; und Gewaltszenen, die nichts für schwache Gemüter sind.

Das Layout ist schlicht, aber wertig. Die genaue Bezeichnung der Kapitel sorgt für einen guten Überblick. Ich hätte mir zusätzlich Abbildungen mancher Szenen gewünscht, vielleicht auch märchenartig.

Realität vs. Fantasy

Man kann nicht gerade behaupten, dass diese Fantasiewelt romantisiert werden kann. David versucht zwar mehrfach, Gründe dafür zu nennen, warum es an diesem Ort trotz allem besser als bei seiner Stiefmutter und seinem Halbbruder sein wird, dennoch sieht er die Umstände größtenteils sehr klar und gerät gar nicht erst in Versuchung, den düsteren Umständen und dem Lockruf des Krummen Mannes zu verfallen. In dieser Hinsicht hätte ich mir spannungstechnisch doch etwas mehr „Verführungskunst“ gewünscht, etwa, indem der Krumme Mann in einer Gestalt erscheint, die David zum (negativen) Umdenken bewegt hätte. Mit dem Förster und Roland hatte er zwei sehr starke, „gute“ Charaktere an seiner Seite, ein faszinierendes Gegengewicht fehlte mir diesbezüglich, beispielsweise hätte man aus Leroi noch mehr herausholen können.

Die nüchterne und ebenso grausame Realität, der David anfangs um jeden Preis entfliehen möchte, wird am Ende auf eine wirklich bedeutsame Weise wieder in ein Verhältnis gesetzt. Das Ende des Buches ist für mich ein absolutes Meisterstück. Während der Geschichte erkennt David auch durch direkte Hinweise immer wieder, wie gefährlich, kalt und nüchtern seine eigene Welt betrachtet werden muss. Dass er trotzdem durchweg zurückkehren möchte, ist ein starker, roter Faden, der für Ordnung in dem Chaos sorgt, dem er sich gegenübersieht. Der Krieg ist ein wiederkehrendes Motiv, das jedoch in beiden Welten vorkommt und als Mahnmal dafür gilt, dass keine Welt jemals ausschließlich friedlich sein wird, solange ihre Bewohner nicht im Einklang miteinander sind.

Lesende, die sowohl den Zauberer von Oz, als auch Narnia kennen, werden die Unterschiede zu Davids Erzählung sicherlich ebenso interessiert verfolgen und persönliche Schlüsse daraus ziehen können. Denn tatsächlich wird die Flucht in eine Fantasiewelt zu keinem Zeitpunkt ernsthaft romantisiert, David braucht lediglich seine Zeit, um deren Finsternis zu erkennen und seine Schlüsse daraus zu ziehen. Diese Art der mentalen Reise empfinde ich als höchst gelungen.

Besonders spannend ist auch die Existenz des Buches der verlorenen Dinge. Während David sich in die Fantasiewelt flüchtet, ist das Buch der verlorenen Dinge eine Art Rettungsanker für den gealterten König, der seine heile Welt inzwischen mit seinem Leben in der ehemaligen Realität verbindet. Auch dies ist eine Form der Flucht, die nur auf umgekehrte Seite funktioniert. Psychologisch definitiv spannend zu betrachten!

Zeitliche Umstände

Eine gewisse Bekanntheit der Geschichte des 2. Weltkriegs wird vorausgesetzt. David spiegelt die Denkweise der Briten um 1940 wider, er kommentiert auch bewusst, dass die Deutschen „die Bösen“ sind und dies „jeder“ weiß.

Obwohl David den Krieg anfangs nur aus einer Zuschauerperspektive erlebt (etwa durch Zeitungsartikel oder dem Verhalten der Erwachsenen um ihn herum), wird dieser mehr und mehr Teil seiner Wirklichkeit. Er zieht in eine ländlichere Gegend, einerseits aufgrund der geänderten Familienverhältnisse, aber auch aus Schutzgründen. Die Arbeit seines Vaters ist genauso mit dem Krieg verknüpft, wie sein eigener Alltag, denn er erlebt die Auswirkungen dieser schwierigen Zeiten durch die Emotionen seiner Familie.

Besonders schwierig aus heutiger Sicht ist wohl, wie schnell Davids Vater nach dem Tod der Mutter bereits mit einer anderen Frau zusammenkommt. Dies allein ist für einen Jungen sicherlich zu jedem Geschichtszeitpunkt schwierig, da ihm kaum Zeit bleibt, seine Trauer mit der einzigen Person zu durchleben, die ihm noch geblieben ist. Verlustängste werden zusätzlich dadurch geschürt, dass die neue Frau, die den Platz seiner Mutter in wenigen Wochen einnimmt, auch noch ein neues Kind, ebenfalls einen Jungen, zur Welt bringt. Betrachtet man, in welch kurzem Abstand David so viele Veränderungen erlebt, erklären sich viele andere Punkte von allein (Auftauchen des Krummen Mannes, psychische Instabilität). Aus der Sicht des Vaters gibt es für die frühe, erneute Heirat sicherlich viele, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gründe, das Versorgtsein spielt dabei eine große Rolle. Aus heutiger Sicht ist dies alles natürlich höchstproblematisch und macht es leicht, mit Davids negativen Emotionen mitzufühlen.

Charaktere/Glaubwürdigkeit

Man muss an erster Stelle wohl sagen, dass David ein wirklich bemerkenswertes Kind zu sein scheint. Seine Seele wird auf viele, verschiedene Weisen in höchstem Maße gefordert und bewältigt diese Aufgaben mit einer Perfektion, die in mir oftmals die Frage erweckt haben, wie alt er denn nun eigentlich genau sein soll und was ihm vor den Geschehnissen des Buches schon widerfahren sein muss, um all dies ertragen zu können. Denn wenn ich ihn mit anderen, erwachsenen Personen vergleiche, kann man dahingehend nur den Hut vor ihm ziehen. David ist klug, offensichtlich belesen und seiner Zeit definitiv voraus.

Die erwachsenen Charaktere der Fantasiewelt, die David auf seinem Weg helfen, wirken nicht nur größtenteils vertrauenswürdig, sondern auch reflektiert und gefestigt. Es ist annehmbar, dass dies seine Wunschvorstellung von Erwachsenen darstellt. Die meisten von ihnen haben jedoch auch keine persönlichen Namen, sondern werden mit ihrem Berufsstand bezeichnet. Gerade der Förster tritt schon sehr früh als Vaterfigur auf und vermittelt David das, was er von seinem eigenen Vater nicht in ausreichendem Maße erhält: Zusammenhalt, Vertrauen und tatkräftige Unterstützung. Der König ist dagegen ein Spiegelbild für eine ältere Version Davids, die er höchstwahrscheinlich geworden wäre, wenn er an seinen negativen Gefühlen festgehalten hätte.

Insgesamt konnte ich jedem Charakter seine Rolle wirklich „abnehmen“ und empfand auch niemanden als überflüssig. Sie sind alle gut durchdacht und fügen sich angenehm in die Geschichte ein. Lediglich etwas Potential auf der Seite der Machthaber wurde in meinen Augen verschenkt, oftmals gewinnt David als Kind zu leicht.

Die Bedeutung des Aberglaubens/Vermeidbarkeit des Todes im Angesicht der Hilflosigkeit/Trauerbewältigung

Im Allgemeinen spricht man häufig von den fünf Phasen der Trauer. Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. David durchlebt nach meinem Empfinden all diese Phasen während den Geschehnissen des Buches.

Beinahe durchgängig möchte er glauben, dass seine Mutter nicht gestorben, sondern nur in eine andere Welt übergegangen ist. Sie ist für ihn unerreichbar, ruft ihn jedoch, damit er sie rettet und sie wieder zusammen sein können. Dass David nicht loslassen kann, ist verständlich, wenn bedacht wird, auf welche Art sein Vater mit dem Verlust umgeht. David hat das Gefühl, dass seine Mutter ersetzt wird, er sieht die Freude seines Vaters über die neue Frau und das Kind, das ihn stets an seine eigene Vergangenheit mit Mutter und Vater erinnert. In einer erneut auftauchenden Phase magischen Denkens versucht er, mit seinen Emotionen umzugehen, gerät dabei aber schnell an seine Grenzen, was sich durch die Anfälle äußert. David versucht innerlich, mit dem Tod zu verhandeln, während seine Mutter auf dem Sterbebett liegt. Danach  empfindet er Wut auf sich selbst, dass seine Gewohnheiten, von denen er sich einbildet, dass sie den Tod seiner Mutter hätten verhindern sollen, nicht nützlich genug waren und hat gleichzeitig Angst, aus dieser Zwangsspirale herauszutreten, da ihm sonst auch noch der Vater genommen werden könnte. Diese Wut überträgt sich auf Rose, die in seinen Augen alles dafür tut, erst seine Mutter und dann auch ihn durch das neue Kind zu ersetzen. Erst der Förster kann ihm helfen, mit dem Umdenken zu beginnen, indem er Davids magisches Denken durch die Ankunft von Vernunft und Realismus aushebelt.

Wir haben alle unsere Regeln. Aber sie müssen einen Sinn haben und etwas bewirken, das wir sehen oder woraus wir Trost schöpfen können. Ohne das sind sie so nutzlos wie das ewige Auf und Ab eines Tieres im Käfig. Über kurz oder lang führen sie in den Wahnsinn.“ (S.96)

Verschiedene Anzeichen der Depressionsphase finden sich nach dem Tod der Mutter, gipfeln dann im Zusammenbruch beim Therapeuten und zeigen sich im Anschluss weiter in Davids Rückzug von allen Menschen seiner Umgebung. Die Phase der Akzeptanz erreicht er schleichend, nach und nach, unter anderem auch dadurch, dass er Rolands Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen sehen und nachvollziehen kann. Statt ebenfalls daran zu zerbrechen, erkennt David schließlich, dass er dennoch nicht allein ist und seine Liebe auf mehr als eine Person ausweiten kann.  

David kann seine wahren Gefühle jedoch lange Zeit weder gegenüber seinem plötzlich unerreichbaren Vater, der neuen Familie, oder dem Psychiater zulassen. Bei Letzterem befürchtet er sogar, in die Psychiatrie eingewiesen zu werden, wenn er sich zu sehr öffnet. Diese Angst und negative Verbindung zu psychiatrischen Einrichtungen hält bei vielen Menschen bis heute an und sorgt damit wohl erneut dafür, dass die lesende Person unweigerlich mit David mitfühlt.

Familienverhältnisse

Dieser Punkt war für mich ein Kernbereich des Buches, der auch mit den Emotionen der Lesenden spielt. Es ist wirklich leicht, Davids Grundstimmung zu übernehmen und Charaktere wie Rose und sogar Georgie an unterschiedlichen Punkten regelrecht zu hassen. Auch der Vater ist in meinen Augen absolut kein Sympathieträger, obwohl David häufig Entschuldigungen für ihn findet. Dass sich Familien auf diese Weise neu finden, ist nur natürlich, der Umgang mit solchen Umständen war gerade für David aber einfach wahnsinnig unglücklich. Hier fehlte mir die Empathie eines liebenden Vaters, betrachtet man aber die zeitlichen Umstände, muss wohl bedacht werden, dass die Menschen anders als heute nicht wirklich bereit waren, über Gefühle dieser Art zu sprechen, oder Schwäche zu zeigen. Was man gerade Rose aber durchaus vorhalten könnte, wie ich finde, ist, dass sie sich offensichtlich an einen Mann herangemacht hat, der seine Frau auf dem Sterbebett begleitete. Ich persönlich konnte den beiden nicht abnehmen, dass es sich erst danach „so ergeben“ hat. Ebenso hatte ich das Gefühl, dass Rose durchaus gerne den Vater ohne seinen Jungen gehabt hätte, oder es sich zumindest leichter vorgestellt hat. Sie sieht anfangs in meinen Augen nicht den Jungen mit Emotionen, sondern ein Accessoire, das sie in Kauf nehmen muss. Umso spannender finde ich die Auseinandersetzung der beiden, als die Situation eskaliert. Auch hier handelt Davids Vater in meinen Augen absolut falsch und zeigt seine Egozentrik.

Dass David am Ende Frieden mit seinen Lebensumständen schließt, empfinde ich als überaus gelungen, denn es ist „nicht einfach alles gut“. Der Ausgang dieser Familienkonstellation war für meinen Geschmack absolut passend allen Beteiligten gegenüber, sogar die Art der jeweiligen Tode. David beweist insgesamt eine enorme, emotionale Stärke, obwohl er so oft an seine Grenzen gerät. Dies ist nicht nur inspirierend, sondern zeugt auch erneut von einem sehr guten Schreibstil insgesamt.

Homosexualität

Es lassen sich im Buch mehrere Stellen finden, an denen dieses Thema Erwähnung findet, auch im Zusammenhang mit Übergriffen. Ein Junge wird unbekleidet auf den Bahngleisen gefunden, ermordet. Was zuvor geschah, findet zwar nur eine Andeutung, die aber so direkt wie möglich formuliert wurde. Mit Romantik wird die Liebe zum gleichen Geschlecht zwar ebenfalls verknüpft, doch diese Verbindung endet offensichtlich im Verderben. Dies wird als „gerechte Strafe“ für ein Verhalten betitelt, das die Charaktere als ehrlos ansehen. Als David selbst mit der Möglichkeit konfrontiert wird, von einem Mann geliebt zu werden, reagiert er mit Ablehnung und Distanz. Erneut wird diese mögliche Zuneigung mit einem schändlichen Übergriff gleichgestellt, wenn dies auch nur angesichts von Davids Alter zu erahnen ist. Obgleich sich der betreffende Mann keinerlei unedles Verhalten zu Schulden kommen lässt, wird er aufgrund einer bloßen Andeutung eines nicht vertrauenswürdigen Charakters dazu gebracht, Roland zu misstrauen.

Wichtig zu bedenken ist wohl auch der geschichtliche Aspekt, denn bis in die 1050er Jahre hinein wurde Homosexualität in Großbritannien noch als Sittlichkeitsvergehen bestraft. Obwohl man denken könnte, dass die Karten in einer Fantasiewelt neu gemischt werden, muss hier einfach bedacht werden, dass diese Welt maßgeblich durch Davids eigene Gefühle beeinflusst wird. Sein Umgang und Rolands Existenz lassen sich also gut mit dem Vergleichen, was zu Beginn des Buches über den Umgang seiner Eltern mit dem Thema angedeutet wurde.

Hier empfand ich folgendes Zitat als sehr treffend: „Ich kann mir denken, was er dir über mich erzählt hat. Meine Gefühle für Raphael sind ganz allein meine Angelegenheit. Ich habe ihn geliebt, so viel kann ich dir sagen, um der Rest geht niemanden etwas an.“ (S. 232)

Sexualität als Tabuthema und sündigem Verhalten findet an mehreren Stellen im Buch Erwähnung, der Krumme Mann nutzt die Konfrontation eines Kindes mit dem Wissen darüber letztendlich sogar als Foltermethode.

Anfälle/Der Krumme Mann

An dieser Stelle kommt mir folgendes Zitat von Tucker Max in den Sinn:

The devil doesn’t come dressed in a red cape and pointy horns. He comes as everything you’ve ever wished for.“

Auch wenn der Krumme Mann von Anfang an keine erkennbare Form annimmt und David ihn während ihrer Begegnungen stets als sehr abstoßend beschreibt, schwingen in Begegnungen mit ihm auch Hoffnungen mit, die offensichtlich dunkler Natur sind. Doch der Krumme Mann ist sowohl äußerlich, als auch innerlich abstoßend, er bewegt sich mit einer Leichtigkeit durch beide Welten, die seine Übermacht symbolisieren. David erkennt dies erst nach und nach, lange Zeit überwiegen sein Zorn und seine Traurigkeit, sowieso seine Egozentrik. Er empfindet zu unterschiedlichen Zeitpunkten Angst vor dem Krummen Mann und sucht zu Beginn auch noch die Hilfe seines ebenso egozentrischen und damit unerreichbaren Vaters. Allerdings wird ihm auch schnell klar, dass die Erwachsenen, die er auf seiner Reise trifft, lediglich Wegbegleiter sein können. In einer Welt, die von eigenen Ängsten und Emotionen erschaffen wird, können sie nicht mehr als Statisten sein, die ihm dabei helfen, sich selbst und seine Art von Frieden zu finden.

Die sogenannten Anfälle treten stets dann auf, wenn David von seinen Gefühlen überwältigt wird und glaubt, keinerlei Hilfe zu erhalten. Interessant ist, dass er in der Fantasiewelt, in die er eintaucht, gerade in diesen Momenten extreme, mentale Stärke zeigt, während er in vergleichbaren Szenen der Realität all seine psychische und physische Kraft einbüßt. Man spricht in solchen Momenten ja auch gerne mal von einem Neustart des Gehirns, oder der Flucht in einen Zustand des nicht mehr Realisierens. Für David werden diese Momente schließlich mit dem tatsächlichen Übergang in die andere Welt übernommen, denn es finden keine Anfälle dieser Art an diesem neuen Ort mehr statt.

Der Krumme Mann ist am Ende ein Sinnbild für menschliche Ängste und negativen Emotionen, für all das, was man sich nicht zu sagen traut (auch aufgrund gesellschaftlicher Konventionen), aber unter weniger strikten Umständen bereit wäre, an sich zu nehmen. Als David erkennt, dass das, was er so lange von sich gewiesen und verurteilt hat, gleichzeitig seine größte Schwäche sein kann und eine Art der Fantasie unnötig werden lässt, hat der Krumme Mann keinerlei Macht mehr. Als das angreifbare Kind zum Mann heranwächst, vergeht auch der Einfluss dieses Wesens, das sich an den Gefühlen derer genährt hat, die die größte Fantasie und Stärke besitzen.

Fazit

Es handelt sich in meinen Augen um ein Buch, das man gelesen haben sollte. Es ist ein zeitloses Meisterwerk, auf emotionaler Ebene aber auch nicht zu unterschätzen. Ich würde es daher frühstens für junge Erwachsene empfehlen. Persönlich vergebe ich 5/5 Sternen.

Cover des Buches Stan (ISBN: 9783498009465)
herr_hygges avatar

Rezension zu "Stan" von John Connolly

herr_hygge
Stan

John Connolly erzählt in seinem Roman STAN die Geschichte von Stan Laurel, Teil des großartigen Komiker-Duos Laurel & Hardy, in deutschsprachigen Gefilden auch bekannt als Dick & Doof. Man begleitet ihn auf seinem beschwerlichen Weg durchs Leben, der ihn von den Bühnen Englands zum Film nach Amerika, später zu Oliver Hardy, durch fünf Ehen mit vier verschiedenen Frauen sowie diverse Schicksalsschläge und Fehlentscheidungen führt.
Der Roman liest sich fast wie ein Bericht oder eine Reportage, sehr geradlinig, freiheraus und emotionslos. Auch wenn der nüchterne Erzählstil des Autors am Anfang etwas befremdlich wirkte finde ich ihn für die Geschichte sehr passend und gut gewählt. Wäre der Text mehr ausgeschmückt und emotionaler formuliert, so wäre der Roman wahrscheinlich schnell ins kitschig-dramatische abgetriftet, was der Person Stan Laurel meiner Meinung nach nicht gerecht geworden wäre.
Das Buch erlaubt dem Leser wunderbare Einblicke in das häufig schwierige Leben eines Mannes, der sein Leben unter anderem der Aufgabe gewidmet hat sein Publikum zum Lachen zur bringen.

Ganz anders als erwartet, aber fesselnd wie immer!

John Connollys Schreibstil ist einfach fantastisch! Das Buch beinhaltet zwei voneinander unabhängige Geschichten, die an Spannung nichts zu wünschen übrig lassen. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und das, obwohl die eigentliche Geschichte der Serie nicht weitergesponnen wird. Fans von Connollys Erzählstil, werden nicht enttäuscht sein. Wer jedoch erwartet, dass in "The Furies" das Geheimnis um Charly Parker und seine Tochter gelüftet wird, der muss sich wohl noch etwas gedulden.

Gespräche aus der Community

John Connolly - Das schwarze Herz


"Lesen Sie und fürchten Sie sich" (The Times) – Bestsellerautor John Connolly ist der "Meister des Gänsehautmoments"!

"Dämonisch und mit einem literarischen Ton – ein Klasse-Thriller!" (PETRA)

Über das Buch:
Autoren oder Titel-CoverDer New Yorker Detective Charlie "Bird" Parker hat sich die falsche Nacht ausgesucht, um sich in seiner Lieblingsbar zu betrinken. Zuhause hat ein Eindringling seine Frau und seine kleine Tochter getötet und die Leichen "künstlerisch" arrangiert. Noch in derselben Nacht quittiert Parker den Dienst. Es gibt für ihn nur noch ein Ziel: den Dämon zu finden, der sein Leben zerstört hat. Auf der Suche nach diesem teuflischen Killer enthüllt sich dem Ex-CopCharlie Parker schließlich das vollendete Schlechte und Dunkle – und er rührt für Momente am schwarzen Herz des Bösen...

Wir von Edel Elements vergeben 25 digitale Leseexemplare (epub/mobi) für eine gemeinsame Leserunde und freuen uns auf Eure Bewerbungen bis einschließlich 01. Juli 2018! Schreibt Euer Wunschformat einfach mit in Eure Bewerbung!

Herzlichst, Euer Elements-Team

14 BeiträgeVerlosung beendet
Edel_Elementss avatar
Letzter Beitrag von  Edel_Elements
Ihr Lieben, hat denn keiner das Buch wenigstens angefangen zu lesen? Bisher gibt es nur zwei Kommentare...Ich muss so leider einmal auf die Richtlinien für Leserunden bei LovelyBooks hinweisen: Für die Teilnahme an Leserunden und Buchverlosungen gelten auf LovelyBooks.de bestimmte Regeln. Bei einer Leserunde verpflichtet sich der Nutzer im Falle des Gewinns eines kostenlosen Buches, Hörbuches oder E-Books zu einer zeitnahen und aktiven Teilnahme am Austausch in der Leserunde. Das bedeutet, dass dieser sich innerhalb von 4 Wochen nach Erhalt des Buches mit Beiträgen in allen Leseabschnitten der Leserunde beteiligen sowie eine Rezension auf LovelyBooks.de schreiben muss, nachdem er das Buch gelesen hat. Vielleicht schaut ihr doch noch mal ins Buch rein :) Liebe Grüße Mandy
Ich habe vor kurzem "das Buch der verlorenen Dinge" gelesen und war einfachn nur hellauf begeistert von diesem Roman, seiner Geschichte, der Erzählweise des Autors und einfach von allem!!!!! Kann mir jemand Bücher nenen die von der Art ähnlich sind?
Zum Thema
1 Beiträge
Icikes avatar
Letzter Beitrag von  Icike
Ähnliche Bücher: Silberlicht//Laura Whitcomb Troposhere//Scarlett Thomas

Zusätzliche Informationen

John Connolly wurde am 31. Mai 1968 in Dublin (Irland) geboren.

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