Cover des Buches Der brennende Engel (ISBN: 9783471300060)
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Rezension zu Der brennende Engel von John Connolly

Ein Rückschlag innerhalb der Reihe

von Stefan83 vor 12 Jahren

Rezension

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Stefan83vor 12 Jahren
Es hatte sich schon im Vorgänger "Die weiße Straße" immer mehr angedeutet, nun wird es Gewissheit: John Connolly hat den Pfad des reinen Hardboiled-Romans endgültig verlassen und sich in die Gefilde des Mystery-Horrors begeben. Eine Entscheidung, die nach den vielen vorhergegangenen Andeutungen zwar nicht mehr überraschen dürfte, bei mir allerdings insofern bitter aufstößt, da besonders die ersten Bände der Charlie-"Bird"-Parker - düstere Thriller in der Tradition der "Noir"-Klassiker - zum Besten gehören, was ich bis dato in diesem Genre gelesen hatte. Statt weltlicher Gewalt, Korruption, Rachegelüsten und menschlicher Verderbtheit hebt Connolly nun in "Der brennende Engel" die Welt um Hauptfigur Parker auf eine esoterische Ebene. Gefallene, rebellische Engel, ein fanatischer Totenkult, übermenschliche und unsterbliche Gegenspieler. Irgendwie ein dicker Drops den man hier nicht nur über knapp 500 Seiten lutschen, sondern letztlich auch schlucken muss und der wohl auch die Grenzen der Geduld von so manchem Leser ausloten wird. Fakt ist: Der Autor hat sich von sicherem Boden auf dünnes Eis begeben, denn wo zuvor die Plots stimmig daherkamen, tun sich die Protagonisten im fünften Band der Serie mit ihren neuen Rollen schwer. Die Erkenntnis, was und wer z.B. Parker in Wirklichkeit ist, beißt sich mit dem im Grunde typischen Detective-Eye-Fall und wertet zudem die durchlittenen Tiefschläge der Vorgänger irgendwie ab. Connolly verliert beim Seiltanz zwischen den Genreelementen hier mehr als einmal die Balance. Stellenweise schrammt die Geschichte gar nah an der Lächerlichkeit vorbei, wenn der Fokus der Handlung von Schwiegermutterpredigt und Freundinnen-Gezicke plötzlich wieder auf den brutalen Mord an einer Frau schwenkt, der nebenbei noch gleich die Seele ausgesaugt wird. So sehr bemüht Connolly ist, der Geschichte einen stimmigen Rahmen zu geben - allzu oft wirkt sie nur konstruiert, werden Handlungsfänden gewaltsam ineinander geschoben, wo sie früher, mit mehr Überraschungen behaftet, von selbst zueinander gefunden haben. Selbst Louis und Angel bleiben (nicht nur was den humorigen Schlagabtausch angeht) blass, zu bloßen "Hitmen" degradiert, deren Rollen nach dem Beginn des Buches der Überflüssigkeit preisgegeben werden. Größer Kritikpunkt bleibt jedoch das Tempo der Geschichte. Für einen Parker-Roman unheimlich gemächlich und behäbig, geht es voran. Die sonst so präsente, urwüchsige und packende Sprachgewalt blitzt nur selten auf. Und auch Parkers neueste Nemesis, Mr. Brightwell, ist nur ein schwacher Abklatsch von Caleb Kyle, Faulkner, Mr. Pudd und Co. Das Finale, durchaus atmosphärisch und gefällig inszeniert, birgt leider keinerlei Überraschungen und lässt zudem viele Fragen offen. Keine Spur von dem Kitzel, dieser beklemmenden, unheimlichen Gänsehaut, die sonst noch nach Zuklappen eines Connolly-Buches den Leser in den Klauen hält. "Der brennende Engel" ist nach "Die weiße Straße" ein weiterer Rückschlag für diese grandios gestartete Reihe, den ich als Quereinsteiger wahrscheinlich sogar schon recht früh an die Seite gelegt hätte. Es bleibt zu hoffen, dass sich Connolly wieder recht bald auf seine eigentlichen Tugenden besinnt.
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