Cover des Buches Anklage (ISBN: 9783453438422)
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Rezension zu Anklage von John Grisham

Gute Idee, die leider nicht aus den Startlöchern herauskommt

von Auroria vor 7 Jahren

Rezension

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Auroriavor 7 Jahren
Samantha Kofer ist eine junge, erfolgreiche und ehrgeizige Anwältin in einer Großkanzlei. Doch der berufliche Aufstieg wird jäh durch die Finanzkrise gestoppt. Plötzlich ist sie eine der vielen Anwälte, die ohne Job dastehen und sich neu orientieren müssen. Sofern Samantha sich jedoch bereit erklärt, als Praktikantin ehrenamtlich für eine gemeinnützige Organisation zu arbeiten, könnte sie ihre bisherige Anstellung nach einer gewissen Zeit zurück bekommen. In Ermangelung an Alternativen willigt Samantha ein und zieht von New York in die Provinz. Dort müssen kleine Leute gegen große Probleme und um ihr Recht kämpfen. Und plötzlich sieht sich auch Samantha mit ungeahnten Widrigkeiten konfrontiert.

Von John Grishams „Anklage“ erwartete ich mir etwas in der Richtung wie Erin Brokovitch. Natürlich mit gewissen Unterschieden. So zeichnet sich Samantha dadurch aus, dass sie Rechtsanwältin ist. Doch ich erhoffte mir, dass den „einfachen“ Menschen, denen Ungerechtigkeit widerfährt, geholfen wird und eine Großklage illegale Machenschaften aufdeckt. Großklagen sind durchaus Thema in diesem Buch. Und trotzdem war dieses Buch ganz anders. Doch von vorn: Nachdem Samantha gefeuert wurde, nimmt sie den ihr angebotenen Deal an. Jedoch gestaltet sich die Suche nach einer geeigneten Praktikumsstelle schwieriger als gedacht. Die Flut der freigesetzten Anwälte beschert Samantha einige ungewohnte Absagen. Nach einigen Misserfolgen erhält sie immerhin die Chance auf ein Vorstellungsgespräch in einer Kleinstadt in den Appalachen. Aus Neugier und vielleicht auch, weil sie nichts Besseres zu tun hat, fährt sie hin, mit nicht unerheblichen Zweifeln im Gepäck.

"Und was würde sie in Brady, Virginia, vorfinden, was so spannend wäre, dass sie ein gesamtes Jahr dort verbringen wollte? Die Antwort lautete: nichts." (S. 50)

Doch Samantha bleibt schließlich. Die zu bearbeitenden Fälle zeichnen sich durch eine thematische Vielfalt aus, die sie bisher nicht gekannt hat. Da in den Appalachen Kohleabbau eine große Angelegenheit ist, wird sie auch bald mit allerlei schmutzigen Machenschaften konfrontiert. Diese aufzudecken und dagegen anzukämpfen hat sich ein ortsansässiger junger Anwalt auf die Fahnen geschrieben. Samanthas Aufenthalt entwickelt sich schnell turbulenter und abwechslungsreicher als gedacht. Und dann auch wieder nicht.

„Anklage“ ist eines der Bücher, die sich leicht und flüssig lesen lassen. Die Informationen, die ich zum Kohleabbau erhielt, waren durchaus nicht uninteressant. Allerdings verfügt das Buch auch über nicht unerhebliche Strecken. Inhaltlich ist zwar recht viel los, da unterschiedliche Themenbereiche behandelt werden. Trotzdem war mir alles zu wenig, denn ich fragte mich schnell, worauf das alles hinauslaufen sollte. Zwar hatte ich eine Vorstellung davon, in welche Richtung es gehen sollte. Allerdings wurden erzählerisch zu viele Haken geschlagen, sodass ich nie das Ziel erreichte, von dem ich glaubte, dass es erreicht werden sollte. Schade, dass die Geschichte in den Startlöchern hängen blieb. Denn eigentlich wäre viel mehr drin gewesen. Stattdessen war die Phase der Selbstfindung und Neuorientierung von Samantha recht vordergründig. Sie wusste immer genau, was sie alles nicht wollte. Leider korrelierte das nicht mit den Vorstellung, die ich hatte bezüglich dem, was ich als Leserin wollte. Jedes Mal, wenn sich ein gewisser Spannungbogen entwickelt hatte und ich guter Dinge war, dass es nun endlich richtig losging, wurde ich enttäuscht. Da ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass ich mit der Figur Samantha nicht richtig warm wurde. Sie erschien mir oft zu unterkühlt und unnahbar, zu wenig empathisch. Obwohl sie eine Fremde in dem kleinen Örtchen und der neuen Arbeitsstätte war, wurde ihr ohne Weiteres großes Vertrauen entgegen gebracht. Für mich recht unverständlich. Und natürlich durfte auch die ein oder ander amouröse Entwicklung nicht fehlen.

In „Anklage“ werden zu viele Fälle beleuchtet. Hin und wieder verwirrten mich diese. Weniger wäre hier sicherlich mehr gewesen. Eine Fokussierung auf ein bestimmtes Thema hätte diesem Buch gut zu Gesicht gestanden. So aber blieb mein erster Grisham weit hinter den Erwartungen zurück. Die Assoziationen, die mit dem Titel Anklage bei mir geweckt wurden, konnten den Entwicklungen nicht standhalten. Trotzdem gut geschrieben und flüssig zu lesen. Leider fehlt das gewisse Etwas.
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