Rezension
William wächst in einer Schauspielerfamilie auf, die am Theater der kleinen Stadt Vermont regelmäßig Stücke aufführt. Rollen möchten bestmöglich ausgefüllt werden und so ist es für den Jungen ganz normal, dass sein Opa in Frauenkleider schlüpft und so manche weibliche Rolle besser ausfüllt, als es die anderen Frauen jemals könnten. Der neu hinzugezogene Richard Abbott bemerkt relativ früh, dass William noch keinerlei Bezug zu Literatur aufweist und bringt ihn – unter leichtem Protest der weiblichen Personen in Williams Familie – in die Stadtbücherei. Dort übergibt er ihn in die Obhut der zauberhaften Miss Frost, die sich rührend um die literarische Bildung des Jungen kümmert. Sein Interesse liegt vor allem auf Büchern über die Schwärmereien für die Falschen, wobei besonders Miss Frost nicht ausgenommen wird. Immerhin ist William von der ersten Minute ihrer Begegnung in die deutlich ältere attraktive Frau verliebt.
Die Schwärmereien begleiten William noch während seiner Schullaufbahn. Mit seiner Freundin Elaine hat er gemein, denselben Jungen der Schule attraktiv zu finden – ausgerechnet denjenigen, der ihnen augenscheinlich die meiste Verachtung, Hohn und Spott entgegen bringt. Und doch sind Kittredge und Miss Frost diejenigen, die William und auch Elaine für ihr restliches Leben lang prägen werden.
Das Buch führt durch die amerikanische Geschichte der Homo- und Bisexualität. Es wirft Fragen nach dem „Falsch“ oder „Richtig“ auf, wobei man anhand der Figur des William, der aus seiner Perspektive sein Leben erzählt, darauf aufmerksam gemacht wird, dass man sich diese Identität kaum selbst aussuchen kann und sich sicher nicht dafür schämen muss. Man spürt, welcher Hass – und ja, es ist sogar Hass – Verachtung und Abscheu den Menschen entgegen gebracht werden, die ihre Rolle nicht „konform“ ausfüllen. Bis zu seinen spätesten Jahren spürt man, wie sehr William von seiner Vergangenheit geprägt wird, vor allem von den Geschehnissen seiner Kindheit. Man begleitet den Helden – und das ist er wirklich – in der Schwulenbewegung der 60er und 70er Jahre. Man leidet mit ihm, als ihm die Aids-Epidemie seine Freunde und Geliebte nimmt. Spürt die Angst und Distanz, die er gegenüber der Krankheit aufzubauen gedenkt, um so wenig wie möglich mit ihr in Berührung zu kommen. Dabei spinnen sich stets Fäden zurück in seine Vergangenheit und stellen eine sehr angenehme Spannung her. Die Geschichte baut sich schließlich bis zur heutigen Zeit auf, in der die Gesellschaft zaghaft tolerant der Homosexualität gegenüber tritt.
Geschrieben hat Irving die Geschichte um William Abbott auf sehr schöne Weise aus der Ich-Perspektive. Während man aus seinem Leben liest, spricht William den Leser direkt an. Die Beziehung, die ich zu ihm aufbaue, ist deswegen auch eine sehr nahe, wodurch viele Ereignisse auch mich persönlich sehr berühren. William ist wirklich ein großer Held – denn er stellt sich seinen Bedürfnissen und unterdrückt sie nicht, egal was andere von ihm denken mögen. So wird aus dem anfangs etwas zurückgezogenen Jungen ein mutiger und aufrichtiger Mann.
Fazit:
„In einer Person“ wird von dem jungen William Abbott erzählt, der in seiner frühen Pubertätsphase eine Schwärmerei für die Falschen an sich wahrnimmt. So fühlt er sich nicht nur zur deutlich älteren Bibliothekarin, sondern auch zu einem Jungen seiner Schule hingezogen. Man begleitet William durch die amerikanische Geschichte der Homosexualität – über die Schwulenbewegung, die Aids-Epidemie bis heute, in Zeiten zaghafter Toleranz. Es ist ein tolles Buch über Schubladendenken, Mut und das Einfinden in Rollen. Man lernt bei der Lektüre auch einiges über sich selbst. Schon allein deswegen ist das Buch empfehlenswert.