Rezension zu "Die Geschichte der Spekulationsblasen" von John Kenneth Galbraith
Betrachtet man die Spekulationsblasen aus einiger historischer Entfernung, dann stellt man einerseits fest, dass sie nicht oft vorkommen, sich aber andererseits in ihrem Verlauf sehr ähneln. Der vor einigen Jahren verstorbene Ökonom John Kenneth Galbraith hat diese Gemeinsamkeiten in seinem jetzt wieder aufgelegten Klassiker wunderbar herausgearbeitet.
Die sogenannte Finanzkrise von 2008 und den Bitcoin-Crash hat Galbraith nicht mehr erlebt. Aber auch das Platzen dieser beiden Blasen hätte ihm Recht gegeben. Denn auch sie liefen mit großer Ähnlichkeit zu den vergangenen Krisen ab. Zunächst brauchte es immer eine Spekulationsidee, die einen gewissen Grad von Neuigkeit aufweisen muss. In diesem Sinne unterscheiden sich die Tulpen im 17. Jahrhundert nur wenig von den Bitcoins im 21. Jahrhundert.
Manchmal reicht es aber auch aus, dass die historische Demenz von sogenannten Anlegern bereits hinreichend fortgeschritten ist. Immobilien-Spekulationen sind nämlich schon sehr oft die Ausgangslage für einen Crash gewesen. Aber aus welchen Gründen auch immer wird das merkwürdigerweise ausgeblendet, wenn es wieder einmal losgeht. Galbraith hat 2008 nicht mehr erlebt, und in seinem Vorwort von 1993 ahnt er schon, dass sein Buch zukünftige Krisen nicht verhindern wird. Menschen sind als Gruppe nicht in der Lage, aus der Vergangenheit zu lernen. Das sieht man im Großen, aber auch schon im Kreise der eigenen Familie. Die Erfahrungen der Älteren werden zwar gehört, aber selten genutzt, weil die nachfolgenden Generationen immer glauben, sie wären schlauer und bei ihnen wäre alles anders.
Hat eine scheinbar neuartige Spekulationsidee erst einmal hinreichend viele Leute erfasst, dann wirkt der Herdentrieb des Menschen, die Gier nach schnellem Reichtum oder die Angst, etwas zu verpassen. Gerne glaubt man dann irgendwelchen Gurus, die allen goldene Zeiten versprechen. Warnende Zeitgenossen werden entweder nicht gehört oder ausgegrenzt oder gar bedroht. Das kann man übrigens bei jedem menschlichen Herdenwahnsinn beobachten.
In vielen Fällen verschärft sich die Explosivität von Finanzblasen durch ihr innewohnenden Hebelwirkungen, zum Beispiel, indem auf Kredit spekuliert wird. Irgendwann kommen schließlich erste Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Spekulationen auf. Dann suchen zunehmend mehr Leute das rettende Ufer, das sich jedoch immer schneller entfernt. Vernunft ist im Gegensatz zu anders lautenden Behauptungen, die man zum Beispiel in der Schule lernt, keine herausragende Eigenschaft des Menschen. Der Herdentrieb besitzt eine alles andere dominierende Stärke.
Obwohl dieses Büchlein in herausragender Klarheit verfasst wurde, wird es wohl nur denjenigen nutzen, die mit System und Vernunft mit Geld umgehen können. Dem Herdentrieb widerstehen oder ihn gar ausnutzen zu können, ist nur Wenigen gegeben, obwohl das die meisten Menschen von sich glauben wollen.