Der Roman erschien im Original erstmals 1968 unter dem Titel „A Small Town in Germany“. Es sind unruhige Zeiten in der britischen Botschaft in Bonn. Großbritannien möchte der EWG (Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) beitreten, doch sein Ansehen in Deutschland ist nicht besonders groß. Gleichzeitig versuchen Rechtspopulisten unter der Führung von Klaus Karfeld die Westbindung Deutschlands aufzulösen und treten für eine Anbindung an die Sowjetunion ein. Außerdem erschüttern Studentenunruhen das Land. Ausgerechnet nun verschwindet ein Mitarbeiter der Politischen Abteilung der Botschaft, mutmaßlich unter Mitnahme brisanter Informationen. Das Außenministerium schickt den Agenten Alan Turner nach Deutschland, um Mann und Material zu finden. Turner spricht nach und nach mit allen Angehörigen der Botschaft, die mit dem verschwundenen Leo Harting zu tun hatten und versucht sich so ein Bild von dem Mann zu machen und auf seine Spur zu kommen.
Sehr ausführlich schildert le Carré das Leben und Zusammenwirken von Angehörigen des diplomatischen Dienstes in einer Botschaft, in diesem Fall in Bonn. Die ständige Anspannung, bloß keinen Fehler zu machen, das dauernde gegenseitige Belauern, die hierarchische Verteilung der Informationen, dem jeder dadurch entgegenzuwirken versucht, indem er versucht, anderen Informationshäppchen zu entlocken. In einer solchen Atmosphäre werden Gespräche oftmals nur scheinbar miteinander geführt, meist wird mehr übereinander gesprochen. Der Leser erhält so einen glaubwürdigen – le Carré war schließlich selbst im diplomatischen Dienst – Einblick in die Lebenswelt der Diplomaten, die an einigen Punkten die Lebenswelt der Agenten berührt.
Dennoch ist der Roman eine sehr zähe Angelegenheit. Es passiert lange Zeit überhaupt nichts. Die Befragungen, die Alan Turner mit den Botschaftsangehörigen durchführt, bringen den Roman inhaltlich irgendwie nicht voran, sondern beleuchten eben nur ein ums andere Mal das Botschaftsleben, jeweils aus einem anderen Blickwinkel.
Was ich besonders verwunderlich und nachlässig gemacht empfinde, ist le Carré Beschreibung der Proteste in Deutschland. Es ist offenbar die Zeit der Studentenunruhen auf der einen Seite und der Demonstrationen einer wieder erstarkenden, rechtsradikalen Bewegung, die es ausweislich der Wahlergebnisse der NPD Ende der 60-er Jahre parallel gab. Der Autor wirft beides wenig differenziert in ein und denselben Topf, so als wären beide Seiten den Briten gegenüber feindlich gesinnt oder gar miteinander verbündet, was der Realität keinesfalls entsprochen hat.
In zwei Punkten aber hat sich die Wahrnehmung des Autors bewahrheitet, nämlich erstens bei folgendem Satz: „Vielleicht werden sie eines Tages alle nach Berlin übersiedeln; von dieser Möglichkeit wird sogar in Bonn gelegentlich gesprochen.“ (dtv Tb, Juli 1997, S. 21) Zweitens erinnert die Rede des Rechtspopulisten Klaus Karfeld, die dieser am Ende des Romans hält, sehr an die Reden aus den Reihen der heutigen AfD.
Ich will das nicht prophetisch nennen, sondern eher sehr aufmerksam, aber das ist auch schon eine Leistung. Insgesamt ein sicherlich gut beobachteter und beschriebener, aber zu langweilig geratener Inhalt. Zwei Sterne.