Rezension zu "The Kaiju Preservation Society" von John Scalzi
Eine weltweite Pandemie geht auch an einem erfolgreichen Schriftsteller nicht spurlos vorbei und selbst als Science-Fiction-Autor mit einer großen Vorstellungskraft ist man offenbar zuweilen von den Ausmaßen der Realität überfordert – so erging es dem Amerikaner John Scalzi nämlich im Frühjahr 2020. Wie so viele Millionen Menschen hatte auch Scalzi mit der auf die Welt einprasselnden Ausnahmesituation zu kämpfen und sah sich nicht mehr imstande, seinen eigentlich fest eingeplanten und bereits vermarkteten Roman rechtzeitig abzuliefern. Wohl zum Schrecken seines Agenten verwarf er das begonnene Manuskript sogar komplett, nur um wenig später schon mit einer neuen Idee auf der Matte zu stehen. "Light and catchy", also locker und eingänglich, sollte die neue Geschichte sein und die Lesenden nach Scalzis eigener Aussage (siehe Nachwort) mit einem Lächeln auf dem Gesicht zurücklassen – das Ergebnis dieser Bemühungen ist "The Kaiju Preservation Society".
Vom Essens-Lieferant zum Monster-Schützer
Zum Lächeln ist Jamie Gray, dem Protagonisten dieses Romans, allerdings anfangs überhaupt nicht zumute, dabei war er gerade noch fest davon überzeugt, dass sein Chef ihn in seinem Beurteilungsgespräch über den grünen Klee loben würde. Wenige Minuten später ist Jamie jedoch nicht mehr Mitarbeiter eines ambitionierten New Yorker Lieferdienst-Startups, sondern frustriert und arbeitslos und steht wie viele seiner Mitmenschen angesichts der hereinbrechenden COVID-19-Pandemie vor einer ungewissen Zukunft. Um überhaupt einigermaßen über die Runden zu kommen lässt er sich sogar dazu herab, für ausgerechnet den Arbeitgeber, der ihn soeben erst gefeuert hat, für einen Hungerlohn als Lieferbote durch die Straßen der Metropole zu fahren. Auch wenn es sich für Jamie so anfühlt, als wäre er damit am Tiefpunkt angekommen, erweist sich die Entscheidung unerwartet als absoluter Glücksgriff, weil zufällig einer seiner Stammkunden ganz dringend einen Mitarbeiter für seine "Tierschutzorganisation" sucht. Ein großzügiges Gehalt mit Bonuszahlungen und Krankenversicherung im Gegenzug für ein paar anspruchslose Hilfsarbeiten klingt für Jamie wie ein Sechser im Lotto und auch von den zwar erwähnten, aber nicht näher definierten "großen Tieren" lässt er sich nicht abschrecken...
"Jurassic Park" trifft "Pacific Rim" in einem Parallel-Universum
Wie der Titel des Buches verrät handelt es sich bei diesen Kreaturen nicht etwa um Elefanten, Büffel oder Nashörner irgendwo in einem afrikanischen Reservat, sondern eben um "Kaijus". Wer den Film "Pacific Rim" gesehen hat oder sich mit japanischer Unterhaltung auskennt weiß wovon die Rede ist: gigantische fremdartige Riesenkreaturen, die man sich ungefähr so wie das Kult-Monster "Godzilla" vorstellen kann. Und diese befinden sich auch nicht im privaten Freizeitpark eines größenwahnsinnigen Milliardärs, sondern gleich in einer ganz anderen Dimension, die man über ein streng geheimes Portal in Grönland erreicht – einer Parallelwelt, in der neben Hochhaus-hohen Monstern noch ganz andere tödliche Gefahren auf Jamie und seine neuen Kolleg:innen warten...
Ein (nicht ungefährliches) Paradies für Nerds
Wie John Scalzi selbst ankündigte handelt es sich bei "The Kaiju Preservation Socienty" in erster Linie um leichte Lektüre, die gut unterhalten und Spaß machen soll. Dementsprechend erfindet der Autor das Genre auch nicht neu, sondern kombiniert hier bekannte Elemente zu seiner eigenen Geschichte. Die ersten Kapitel kann man sich ungefähr so vorstellen wie den Dinosaurier-Klassiker "Jurassic Park", nur dass Scalzi den Nerd-Faktor noch einmal etwas erhöht hat. Hauptfigur Jamie ist kein Wissenschaftler, sondern ein überaus durchschnittlicher Normalbürger mit ausgeprägtem Science-Fiction-Interesse, für den das Eintauchen in das Paralleluniversum mit allerlei skurrilen (und zumeist gefährlichen) Kreaturen und unzähligen technischen Gadgets wie ein gigantischer Abenteuer-Spielplatz für Erwachsene ist. Auch seine Mitstreiter sind durch die Bank auf coole Weise uncool, wobei der Autor hier erfreulicherweise auf eine diverse Charakterzusammenstellung Wert gelegt hat. Und auch wenn man als Lesende:r bereits erahnen kann, was hier auf einen zukommt, so macht es dennoch einen Heidenspaß, die Kaiju-Dimension zu erkunden. Gerade in der ersten Hälfte fühlt man sich ungefähr so wie Dr. Alan Grant und Dr. Ellie Sattler, wenn die beiden in "Jurassic Park" das erste Mal lebendige Dinosaurier zu Gesicht bekommen – man erinnere sich an die berühmten ungläubigen Blicke der beiden aus dem Geländewagen heraus.
Kurzweilig, actionreich, amüsant – Popcorn-Kino in Buchform
Da das Aufeinandertreffen von Menschen und gigantischen Kreaturen aber in den seltensten Fällen ohne Komplikationen abläuft, erreicht natürlich auch "The Kaiju Preservation Society" irgendwann den Punkt, an dem aus dem aufregenden Monster-Spaß plötzlich bitterer Ernst wird. Zwar läuft dieser Showdown anders ab als nach dem üblichen "Riesenkreatur zerlegt Großstadt"-Muster, wirkliche Überraschungen bringt das Schlussdrittel aber dennoch nicht mit. Das ist aber auch völlig in Ordnung, denn viel mehr als kurzweilige Unterhaltung zu sein ist eben auch gar nicht der Anspruch dieses Romans, oder um es erneut mit den Worten von John Scalzi selbst zu sagen: "KPS is not […] a brooding symphony of a novel. It's a pop song […] with three minutes of hooks and choruses for you to sing along with, and then you're done and go on with your day". Und eben genau das bekommt man hier auch geboten: "The Kaiju Preservation Society" ist aufregend, sympathisch, amüsant, reich an Action und macht einfach Spaß, also praktisch Popcorn-Kino in Buchform – bei mir hat es mit dem Lächeln im Gesicht auf jeden Fall funktioniert.