Diese wahre und tiefe Aussage findet man unter Nummer 54 in diesem Büchlein. Dann folgt: "Begreife die Essenz und nähere dich weiter der Verwirklichung an!". Allein an dieser Aussage kann man verstehen, warum dieses Buch sehr nützlich und gleichzeitig völlig unverständlich sein kann. Morihei Ueshiba begründete die Kampfkunst Aikido, die als sehr friedfertig gilt. Ihre Verteidigungstechniken sollten so sanft sein, dass auch der Angreifer seine Freude an ihnen hat, heißt es. Da es weder einen Wettkampf und noch Verlierer gibt, können sich die Teilnehmer eines Aikido-Kampfes beide als Gewinner fühlen. So jedenfalls hört man es von den Anhängern dieser Kampfkunst-Art. Ob dies in der Realität dann auch noch so sein wird, ist eine andere Frage, deren Beantwortung schließlich auch vom Angreifer abhängt.
Darum aber geht es in diesem Text nicht. Er richtet sich wohl nur an die Anhänger des Aikido, die die hier gesammelten Aussagen ihres Meisters verstehen werden und sie immer wieder nachlesen können, denn das Büchlein passt wirklich in jede Tasche. Obwohl sich eben der Weg eines Kriegers in der Tat nicht in Worte fassen lässt, hat Meister Ueshiba sich dennoch die Mühe gemacht, viele Worte aufzuschreiben. Sie sollen jedoch nicht den Weg eines Kriegers vorzeichnen, sondern ihn immer wieder ermutigen, den eigenen Weg zu suchen. Der wahre Kampf findet nicht im Außen statt, sondern im Inneren. Das ist der Weg eines Kriegers, so wie ihn Ueshiba sieht.
Für Außenstehende liest sich dieses Büchlein wie eine Sammlung blumiger, esoterischer und nichtssagender Allgemeinplätze. Leider unterstützen die einleitenden Worte diesen Eindruck auch noch. Ueshiba wird dort in einer Weise glorifiziert, die schon einer Gottesverehrung mit Wundereffekten gleicht. Ebenso merkwürdig klingt der martialische Kriegerbegriff, den Ueshiba mit einem Inhalt füllt, den dieser Begriff im gewöhnlichen Gebrauch eben gerade nicht besitzt. Auch das ist verwirrend, wenn man sich noch nie mit der Welt der vom Buddhismus geprägten Kampfkünste beschäftigt hat. Wer seinen inneren Frieden sucht, um ihn nach außen zu tragen, was das Wesen von Aikido ausmacht, muss sich mit der Suche nach Leere beschäftigen. Dies ist der Weg, den Ueshiba meint. Und Leere kann man nicht in Worte fassen. Es gibt auf diesem Weg nichts zu übermitteln, man muss es selbst herausfinden.
Dennoch beschreiben Ueshibas Worte, die in diesem Büchlein wiedergegeben werden, das innere Wesen seiner Techniken und die hinter ihnen stehende Geisteshaltung: "Gegner konfrontieren uns unablässig, aber in Wirklichkeit gibt es da keine Gegner. Trete tief in einen Angriff ein und neutralisiere ihn, indem du diese fehlgeleitete Kraft in deine eigene Sphäre hineinziehst." (99). Wer sich mit Aikido beschäftigt hat, wird das irgendwann vielleicht verinnerlicht haben.
"Letztlich musst du die Technik vergessen. Je weiter du fortschreitest, desto weniger Lehren gibt es. Der große Pfad ist in Wirklichkeit der Nicht-Pfad." Wer immer sich - egal auf welchem Gebiet - tief mit einer Sache erfolgreich befasst hat, wird das sofort verstehen. Insofern gehen Ueshibas Worte weit über das Aikido hinaus, wenn man sie versteht.
"Der Weg eines Kriegers lässt sich nicht in Worte oder Schriften fassen …"