Manchmal gibt es Bücher, die mich anschweigen, die nicht mit mir in einen Dialog treten möchten, und dann wiederum gibt es Bücher, die mir, auch über die geschriebenen Zeilen hinaus, so viel zu erzählen haben. „Die Reise des Elias Montag“ gehört ganz klar zu letzteren.
Elias Montag, den wir auf seiner Reise begleiten, ist ein junger sensibler und nachdenklicher Mann, der nach einer Trennung eine schwierige Phase der Lethargie durchlebt. „Ich bin jung und alleine und in mir sprießt das Gefühl der Traurigkeit. (9). Im Moment scheint alles stillzustehen, die Tage ziehen vorbei und er sieht ihnen rauchend und trinkend zu. Das Schreiben hilft ihm dabei, seine Gedanken zu ordnen. „Es ist leicht, Scheiße zu produzieren. Schwer ist es, jemanden zu finden, der sie liest. Darum schreibe ich für mich.“ (14). Aus seiner Melancholie reißt ihn der Vorschlag heraus, mit einigen Freunden ein Wochenende in einer Waldhütte zu verbringen. Dort trifft er auf die labile und impulsive Vivian, die ihn auf eine wilde und lebendige Reise mitnimmt, die kein Ziel hat, auch wenn Elias Montag am Ende anzukommen scheint.
In einem Strudel aus Sex und Drogen und anderen Grenzüberschreitungen fühlt er das Leben und lernt sich neu kennen. Eine ganz wundervolle Metapher für das Leben ist ein kleiner Abschnitt, eine Bootsfahrt, die Elias und Vivian unternehmen, ohne dass sie wissen, wo sie sie hinführen wird, der Motor fällt aus und sie müssen selbst, auch gegen Widrigkeiten den Kurs bestimmen. „Manchmal wünsche ich mir, dass das Leben von jedem Einzelnen ein bestimmtes Ziel verfolgt“, (147) sagt Vivian später. Während sie sich so frei von Schuld und von Verantwortung sehen könnte, empfindet Elias dies als schreckliche Vorstellung, weil sie den Menschen der Freiheit beraubt. Doch wie frei ist der Mensch? Vivian, die mit einem Ereignis in ihrer Vergangenheit zu kämpfen hat, hat nicht immer die Kontrolle über das, was sie tut, und doch scheint es genau das zu sein, was beide oft brauchen. Die Kontrolle, die Verantwortung abzugeben und sich treiben zu lassen. Ist sie psychisch krank, was ist Normalität und ist das instinkthafte ihrer Handlungen das Menschliche?
Der Roman gibt ganz klar viel Stoff zum Nachdenken und zum Diskutieren. Es ist keine simple Road Novel oder ein Bildungsroman, auch wenn er mit wunderbarer sprachlicher Klarheit verfasst wurde. Mich ganz persönlich hat er an zwei Autoren und ihre Werke erinnert, die ich sehr schätze, zum einen an Alexander Trocchi, schottischer Vertreter der Beat Generation und zum anderen an Alan Warner, beides Schriftsteller, die in ihren Werken Grenzerfahrungen und Devianzen beschreiben, in denen es aber auch immer um das Schaffen von Literatur und um das Verschwimmen der Grenze zwischen Fakt und Fiktion geht.
Und so hat mir auch der metafiktionale Epilog von der Reise des Elias Montag sehr gut gefallen. „Die Blätter sind gefüllt. Seine Geschichte – fängt gerade erst an.“ (211). Die Geschichte, die er erlebt hat, gibt ihm Stoff zu einem Roman, das Schreiben hilft ihm die Erlebnisse zu verarbeiten. Und dann bleibt das Ende auch noch herrlich ambivalent, auch etwas, das mich an „Young Adam“ von Trocchi erinnert hat.
Die Lektüre von „Die Reise des Elias Montag“ war eine wundervolle Station auf meiner persönlichen Reise, von der ich einiges für meinen weiteren Weg mitgenommen habe. Ein Buch, das man gelesen haben sollte.