Rezension zu "Das Land des Lachens" von Jonathan Carroll
Hin und wieder stolpert man in Buchhandlungen über so genannte moderne Klassiker, Romane, die auf dem Klappentext von namhaften Größen der Literatur per Zitat vollmundig als Meisterwerk angepriesen werden. Auf der Rückseite der mir vorliegenden Ausgabe von "Land des Lachens" beneidet Neil Gaiman ("American Gods", "Good Omens") jeden, der das Buch erstmals liest. Und Literaturkritiker Denis Scheck fügt am Ende des Buchs ein mehrseitiges Nachwort an, das voll des Lobes hinsichtlich der Vielschichtigkeit des Romans ist und die Frage aufwirft, wieso dieser nicht die Bekanntheit der Werke Lewis Carrolls oder J.R.R. Tolkiens erlangt hat.
Die Begeisterung kann ich nur in Teilen nachvollziehen. Die Story, die ich hier nicht wiederholen muss, birgt aufgrund der Idee mächtiges Potenzial für einen gewagten Spannungsbogen. Carroll schafft es auch, schillernde Figuren mit Beschreibungen, Handlungen und besonders durch Dialoge zum Leben zu erwecken. Die Perspektive des Ich-Erzählers wird gekonnt für den Transport von dessen Gefühlswelt und Ansichten genutzt und stellt sich als das ideale Mittel dar, die Verwirrung und die Beweggründe des Protagonisten zu verdeutlichen. Der Stil ist flüssig und handwerklich hervorragend.
Trotzdem hinterlässt das Buch einen zwiespältigen Eindruck. Zum einen stößt mir der latente Testosteronüberschuss des Erzählers sauer auf. Vielleicht entspricht das vermittelte Frauenbild dem zu Beginn der 1980er Jahre, als das Buch entstand, und der zur Schau gestellte männliche Chauvinismus war normal. Vierzig Jahre später finde ich ihn beim Lesen fehl am Platz. Unterstrichen wird das von der wenig einfallsreichen Wahl von Verben, mit denen die ermüdend oft wiederholten und lahm geschriebenen Bettszenen ausgestaltet sind.
Die Story kommt leider erst ab dem letzten Viertel so richtig in Fahrt. Zwischenzeitlich war ich kurz davor, das Buch deshalb abzubrechen. Die Andeutungen der phantastischen Ereignisse sind rar und zu unspektakulär, um wirkliche Spannung zu erzeugen. Den meisten Charakteren, allen voran dem Erzähler, bringt man auch nach der Hälfte des Buchs wenig Sympathie entgegen, zu spröde stellen sie sich mir dar.
Das Ende fällt dann überraschend kurz aus und vermag abgesehen vom allerletzten Satz nicht hundertprozentig zu überraschen.
Fazit: "Das Land des Lachens" ist sicher solide literarische Handwerksarbeit, fußt auf einer grandiosen Idee und birgt wundervolle Abschnitte, die ihresgleichen suchen. Trotzdem wird der Roman aus den oben genannten Gründen überschätzt und findet sich zu Recht nicht im selben Regalbord wie "Der Hobbit" und "Alice im Wunderland".