Jonathan Haidt

 3,6 Sterne bei 9 Bewertungen
Autor*in von Generation Angst, The Righteous Mind und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Jonathan Haidt ist Professor für Sozialpsychologie an der New York University. Seine Forschungsschwerpunkte sind die psychischen Grundlagen von Moral, moralische Emotionen und Moralvorstellungen in verschiedenen Kulturen. Er ist ein herausragender Vermittler wissenschaftlicher Erkenntnisse und eine wichtige Stimme in den gesellschaftlichen Debatten der USA und darüber hinaus. «Generation Angst» stand direkt nach Erscheinen auf Platz 1 der «New York Times»-Bestsellerliste, das Presseecho war enorm. Auch in Deutschland wurde das Buch zu einem Bestseller.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Jonathan Haidt

Cover des Buches Generation Angst (ISBN: 9783498028367)
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Rezension zu "Generation Angst" von Jonathan Haidt

parden
Erkenntnisse und Appelle...

ERKENNTNISSE UND APPELLE...

Drei technologische und mediale Megatrends bestimmten die frühen 2010er-Jahre: Smartphones, Social-Media-Plattformen und die Selfie-Kultur. Das Ergebnis: Eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen verwendete mehrere Stunden am Tag darauf, durch die Beiträge von Influencer:innen und mehr oder weniger fremden Nutzer:innen zu scrollen, statt sich mit Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld auseinanderzusetzen, mit ihnen zu spielen, zu sprechen oder auch nur Blickkontakt aufzunehmen. Die Mitglieder der Generation Z, die als Erste ihre Pubertät mit den neuen Medien in der Tasche durchlebten, wurden so zu Testpersonen für das Aufwachsen in einer radikal umgestalteten, zunehmend digitalen Umgebung. Die Folgen dieses Experiments waren, wie Jonathan Haidt auf Grundlage umfangreichen Datenmaterials zeigt, katastrophal – und sie betreffen auch die heute Heranwachsenden. Die schnellste und allumfassendste Neuverdrahtung menschlicher Beziehungen führte dazu, dass sich die mentale Gesundheit der Kinder und Jugendlichen rapide und dauerhaft verschlechtert hat. Dieser Entwicklung müssen wir jetzt entgegentreten: Haidt erklärt, was Regierungen, Schulen und Eltern tun können, um Kindern ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen. (Verlagsbeschreibung)

Der Autor stellt in diesem Buch klar, dass die weit verbreitete Nutzung von Smartphones die Hauptursache darstellt für den dramatischen Anstieg der psychischen Probleme der Generation Z. Smartphones verhindern nämlich die spielerische Art, mit der Kinder eigentlich die Welt erfahren sollten. Sie berauben sie wichtiger Erfahrungen, die eine gesunde, kognitive und emotionale Entwicklung fördern. Die Generation Z ist die erste Generation, die im Zeitalter ständiger digitaler Anbindung aufgewachsen ist, mit Smartphones, Social Media Hypes und Selfie-Wahn. Und eben jene Generation leidet heute stärker unter psychischen Problemen als jede andere vor ihr. 

Seit 2010 gibt es unter Jugendlichen einen rasanten Anstieg bei psychischen Auffälligkeiten wie Angstzuständen, Depressionen, ADHS-Diagnosen sowie bipolaren Störungen. Selbstverletztendes Verhalten und die Selbstmordrate von Jugendlichen stiegen seither ebenfalls eklatant an. Jonathan Haidt sieht eindeutig den digitalen Wandel als Hauptursache dafür an. 2007 brachte Apple das erste Smartphone heraus. Seit 2010 haben sich Smartphones in Industrieländern wie den USA und Deutschland rasant verbreitet. Und sie haben radikal verändert, wie sich junge Menschen mit sich selbst und ihrer Umwelt auseinandersetzen.

Für den Autor deutet vieles darauf hin, dass die Smartphone-Nutzung und die allgegenwärtige Konnektivität (ständige Anbindung und Erreichbarkeit) die Hauptursachen für diese Flut an psychischen Erkrankungen sind. Smartphone & Co. verhindern lt. Haidt die normale Entwicklung des Kindes:

  • das freie, unstrukturierte, ziellose Spiel - unabdingbar um zu lernen, miteinander zu kooperieren, Risiken abzuschätzen, Freundschaften zu schließen und die eigene Fantasie auszuleben -> Smartphone-Spiele sind zwangsläufig strukturiert und zielorientiert und bieten o.g. Möglichkeiten nicht
  • die Interaktion mit Bezugspersonen und Gleichaltrigen -  nur so lernen Kinder von klein auf, emotionale Signale zu deuten, sich abzuwechseln und soziale Bindungen aufzubauen, sich emotional zu regulieren und soziale Fähigkeiten  zu entwickeln -> die Zeit am Smartphone verhindert zunehmend diesen so elementaren Austausch
  • das soziale Lernen - Kinder schauen sich von Vorbildern ab, wie man sich am besten in sozialen Situationen verhält  -> Jugendliche orientieren sich heute oft eher an fiktiven Online-Größen statt an realen Personen und bekommen so oft ein verschobenes Bild von Werten und erstrebenswerten Zielen

Laut Jonathan Haidt verursacht die Virtualisierung des Lebens im Wesentlichen vier Probleme:  

  • Soziale Deprivation - seit 2010 geht die Zeit, die Kinder mit ihren Freunden verbringen, immer mehr zurück, und die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit wird durch das Smartphone in der Hand auch noch häufig empfindlich gestört
  • Schlafmangel - wer noch spätabends aufs Display schaut, der schläft erwiesenermaßen schlechter, und Schlafmangel wird mit diversen psychischen Problemen in Verbindung gebracht (u.a. Depressionen, Angstzustände, Aggressionen und gestörte Impulskontrolle)
  • Fragmentierung (Zersplitterung) der Aufmerksamkeit - ständig eingehende Nachrichten und Klingeltöne auf dem Smartphone lenken vom eigentlichen Geschehen ab, Konzentration fällt schwer, eine tiefergehende Reflexion ist kaum noch möglich, Erscheinungen wie ADHS werden verstärkt
  • Abhängigkeit - Smartphones und Apps sind bewusst so konzipiert, dass Nutzer so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen (z.B. durch Belohnungen wie Likes oder Kommentare)

Nachdem Haidt die Gefahren und Zusammenhänge aufgezeigt hat, sucht er auch nach konstruktiven Ansätzen, um diese negative Entwicklung aufzuhalten. Allerdings hatte dieser Bereich für mich eher einen appellativen Charakter. Damit sich junge Menschen auch im digitalen Zeitalter gesund entwickeln können, sollten z.B. Online-Unternehmen, Social-Media-Plattformen und Spieleentwickler sensibler mit den Bedürfnissen minderjähriger Nutzer umgehen, notfalls per gesetzlicher Anordnung. Kinder sollten wieder mehr Möglichkeiten erhalten, ohne Smartphone frei und unstrukturiert zu spielen, und eben auch mit anderen Kindern zu spielen, um sich im Sozialverhalten sowie im Lösen von Problemen und Konflikten zu üben. Haidt plädiert für smartphonefreie Schulen, eine Altersbegrenzung für soziale Medien (ab 16), und dass Eltern für jüngere Kinder strenge Grenzen für Bildschirmzeiten festlegen (z.B. nicht mehr als zwei Stunden pro Tag) - usw.

Technologien wie das Smartphone haben für alle Menschen eine gravierende Veränderung mit sich gebracht. Die Digitalisierung des Alltags ist ja auch aus dem Leben von Erwachsenen nicht wegzudenken. Kaum ein Gespräch, in dem nicht mindestens ein Teilnehmer "mal eben" aufs Handy schaut. Und genügend Eltern, die mit ihren Handys beschäftigt sind und dabei die Signale ihrer Kinder übersehen und überhören. Aber der massive negative Einfluss auf die Entwicklung unserer Kinder war mir vor der Lektüre in dem Ausmaß nicht klar. Daher für mich eine interessante Zusammenstellung der Risiken, die mich noch hellhöriger werden lässt.

Auch wenn das alles etwas einseitig dargestellt wird - die Zeiten sind unruhig, Krieg, Corona, die Klimakrise und auch die politische Entwicklung weg von wirklichen Demokratien u.v.m., all das verursacht bei den Jugendlichen ja sicherlich ebenfalls Angst und Bedrückung - ist dies in meinen Augen ein lesenswertes Buch, das hoffentlich noch zur rechten Zeit mahnt... Das sollte jedenfalls in unser aller Interesse sein...


© Parden

Cover des Buches Generation Angst (ISBN: 9783498028367)
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Rezension zu "Generation Angst" von Jonathan Haidt

Lesehonig
Aufwachsen mit dem Internet

Die Generation Z ist die erste Generation, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist. Zu beobachten ist der krasse Gegensatz zwischen der völligen Überbehütung in der realen Welt und der grenzenlosen Freiheit im Internet. Während die Kinder heute nicht mal allein kürzeste Wege ohne elterliche Aufsicht laufen dürfen, werden die Gefahren denen sie im Internet ausgesetzt sind oft unterschätzt. Das Internet ist für Erwachsene entwickelt worden. Kinder müssen den richtigen Umgang damit erst lernen und sie müssen von dem ferngehalten werden, was sie verstören, ängstigen oder sogar süchtig machen kann. Jonathan Haidt zeigt in seinem Buch, belegt durch viele Studien, wie sich die psychische Gesundheit der Jugendlichen in den letzten Jahren stark verschlechtert hat. Welche neuen Gefahren wie das Cybermobbing hinzugekommen sind, die von Eltern oft nicht gesehen werden. Er beschreibt, wie wichtig die einzelnen Entwicklungsschritte sind, damit Kinder und Jugendliche für die reale Welt gestärkt werden. Hier wurde das freie Spiel jedoch immer weiter eingeschränkt und reglementiert. Gleichzeitig wird den Kindern digital eine Welt eröffnet die sie so noch gar nicht begreifen können. Durch dieses Buch hatte ich viele Aha-Erlebnisse.  Seine Kinder von Smartphones fernzuhalten ist sicher nicht der richtige Weg. Die Kinder jedoch anzuleiten und auf ihren Streifzügen durch das Internet zu begleiten auf jeden Fall ratsam. Im letzten Teil des Buches erhält man viele sinnvolle Tipps, die dabei unterstützen können. Wobei diese hauptsächlich auf amerikanische Kinder zugeschnitten sind, da ich denke, dass in Deutschland der Trend zwar ähnlich jedoch schwächer ausgeprägt ist. Dennoch kann ich das Buch nur allen Eltern empfehlen. Und nicht erst bei der Überlegung, ob das Kind ein Smartphone erhalten soll, sondern bereits vorher. Denn die Ausführungen zur kindlichen psychischen Entwicklung fand ich wirklich sehr gut erklärt und überzeugend.

Cover des Buches Generation Angst (ISBN: 9783498028367)
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Rezension zu "Generation Angst" von Jonathan Haidt

Jessy1968
Interessante Überlegungen, aber Kritik an der wissenschaftlichen Arbeitsweise und den Aussagen

Dieses Buch wollte ich unbedingt lesen, weil ich sowohl bei meinen Kindern als auch dem Rest der Familie sehe, wie sehr man im Handy und besonders in Social Media versinkt. Das Familienleben wird hartnäckig von Diskussionen über zu häufige Nutzung aller Arten von elektronischen Medien bestimmt. Von dem Buch habe ich mir Antworten und Lösungsvorschläge erhofft.


J. Haidt sieht in seinen aufgeführten Statistiken einen fundamentalen Umbruch seit der Einführung der Smartphones inkl. Social Media-Anwendungen im Gegensatz zu einfachen Handys, mit denen man nur anrufen bzw. SMS versenden kann. Haidt kommt zu der Annahme, dass es zu einer großen Neuverdrahtung (dauerhaften Veränderung des Gehirns) und einer smartphonebasierten Kindheit bei der Gen Z kam. Somit stürzten die Kinder und Jugendlichen vermehrt in Depressionen und sie neigten häufiger zu Selbstverletzung und Suizid. Bei älteren Personen, die eine Kindheit ohne Smartphones erleben durften, sei diese Veränderung nicht erkennbar. Er erörtert diverse Übel, die diese junge Generation plagen: soziale Deprivation (Zustand der Entbehrung, des Entzuges, des Verlustes oder der Isolation von etwas Vertrautem), Schlafmangel, Fragmentierung der Aufmerksamkeit, Abhängigkeit.


Haidt schlägt einige Veränderungen im gesellschaftlichen Miteinander vor, die sich besonders auf den amerkikanischen Raum beziehen, aber teilweise auch in Europa umsetzbar wären:



  1. Kein Smartphone vor der Highschool (ca. 14 Jahre)

  2. Keine sozialen Medien vor einem Alter von sechzehn Jahren

  3. Smartphonefreie Schulen

  4. Viel mehr unüberwachtes Spiel und Unabhängigkeit in der Kindheit


Im ersten Moment möchte man Haidt sofort in allem zustimmen. Und bekommt es sofort mit Zweifeln zu tun, ob die anderen Eltern mitspielen würden. Wenn man heute Grundschulen anschaut, haben unzählige Kinder entweder ein Smartphone oder eine Smartwatch dabei. Die Eltern wollen ja schließlich immer wissen, wo ihr Kind ist. Zur Verteidigung wird angeführt, dass ihr Kind sie so im Notfall immer kontaktieren könnte. Im Notfall ruft aber die Schule die Eltern an und informiert sie.

 In Amerika scheint zusätzlich das Problem zu bestehen, dass freispielende Kinder auf der Straße in manchen Gegenden gleich als Kindesvernachlässigung angesehen und zur Anzeige gebracht werden. Soweit sind wir in Deutschland ja zum Glück nicht. Und doch sind hier die morgendlichen Staus vor der Schule, die ständige Begleitung zu allen Freizeitterminen etc. auch hier Gang und Gäbe. Kinder gehen nur noch selten alleine zum nächsten Nachbarskind, wenn auf dem Weg eine größere Straße überquert werden muss. Erinnern Sie sich an ihre Kindheit, in der Sie mit einer Gruppe Gleichaltriger solange umherstreiften, bis es dunkel wurde? Hatten Sie in der Gruppe eine erwachsene Person oder ein Telefon dabei? Hat Sie jemand mit dem Auto zu Sport und Spiel gefahren und wieder abgeholt? Wie wäre es, wenn wir unseren Kindern diese Freiheit wieder zugestehen würden? Ja, die Straßen sind unsicher, besonders für fahrradfahrende Personen. Aber wäre es vielleicht ein guter Ansatz, die Straßen sicherer für Fußgänger und Fahrradfahrerinnen zu machen?


Zusätzlich zu meiner grundsätzlichen Zustimmung muss ich noch Kritik loswerden, die sich nach meiner Beschäftigung mit dem Thema entwickelt hat. Es gibt einige renommierte Wissenschaftler*innen, die die Arbeitsweise und Aussagen von Haidt scharf kritisieren. So macht z.B. Psychologieprofessorin Candice L. Odgers in der Fachzeitschrift „Nature“ deutlich, dass es keine eindeutigen Belege für einen kausalen Zusammenhang zwischen Bildschirmnutzung und psychischer Gesundheit gibt*. Ebenso widersprechen Forschende der Universität Würzburg der Aussage von Haidt.** Die Kritiker führen u.a. an, dass die vielen gleichzeitigen Probleme auf der Welt (Kriege, Klimakrise, Corona-Pandemie, politische Polarisierung etc.) zu den vermehrten Depressionen führen und nicht die Nutzung der Smarthpones oder Social Media. Und dass wir nun endlich psychische Erkrankungen bewusster wahrnehmen und sie nicht in Abrede stellen. Auch zeigen viele Studien, dass Kinder und Jugendliche soziale Medien nutzen, um Freundschaften mit Gleichaltrigen pflegen zu können. Gleichzeitig verbinden sich viele Personen über Social Media, um konkrete Probleme gemeinsam anzugehen. Was Haidt auch nicht untersucht: was, wieviel, mit wem und wie lange ein Kind am elektronischen Gerät nutzt und was es sonst in seiner Freizeit tut.


Die Probleme, die Social Media schafft, sind keinesfalls kleinzureden: Cybermobbing, Hass, Hetze – doch auch in der realen Welt haben wir damit zu kämpfen.


*https://www.platformer.news/anxious-generation-jonathan-haidt-debate-critique/


**https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/generation-angst-thesenpapier/


(S.Schantz)

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