Jonathan Keates

 4 Sterne bei 1 Bewertungen

Alle Bücher von Jonathan Keates

Neue Rezensionen zu Jonathan Keates

Das vergessene Herrscherpaar. Maria II. und Wilhelm III. von England

Seit Herbst letzten Jahres bringt der Penguin-Verlag eine neue Buchreihe heraus, die "Penguin Monarchs". Es handelt sich um Kurzbiographien aller englischen und britischen Könige und Königinnen seit dem 11. Jahrhundert. Interessanterweise beginnt die Reihe mit den letzten angelsächsischen Herrschern vor der normannischen Eroberung. Auch für Oliver Cromwell ist ein Band vorgesehen. Mittlerweile sind neun von 45 geplanten Bänden erschienen. Die Bücher sind kleinformatig (13x18,5 cm) und umfassen maximal 150 Seiten. Sie enthalten farbige Abbildungen, Stammtafeln und kommentierte Literaturhinweise. Auch wenn eine entsprechende Angabe fehlt, ist davon auszugehen, dass sich die Bände an historisch interessierte Laien richten, die sich rasch über das Leben der englischen Monarchen informieren wollen. Als Konkurrenz zur renommierten Biographienreihe "Yale English Monarchs", deren Bände eher für den wissenschaftlichen Gebrauch in Frage kommen, sind die "Penguin Monarchs" nicht gedacht. Interessant ist die neue Reihe dennoch, denn der Verlag hat zahlreiche bekannte Historikerinnen und Historiker als Autoren rekrutiert. Damit ist sichergestellt, dass sich die einzelnen Kurzbiographien auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen.

Maria II. (1662-1694) und ihr Gemahl Wilhelm III. (1650-1702) sind heute kaum noch bekannt. Das ist aus zweierlei Gründen merkwürdig. Zum einen waren sie das einzige Herrscherpaar in der Geschichte der englisch-britischen Monarchie. Wilhelm war nicht nur Prinzgemahl, sondern Mitregent seiner Frau. Maria und Wilhelm gelangten 1688/89 im Zuge der "Glorreichen Revolution" auf den Thron. Das Parlament übertrug ihnen die Krone, nachdem Jakob II. "desertiert" und nach Frankreich geflohen war. Maria und Wilhelm bestanden darauf, nur gemeinsam den Thron zu besteigen. Mit ihrem Regierungsantritt waren tiefgreifende Veränderungen in der Verfassungsstruktur Englands verbunden. Das ist der zweite Grund, warum das Herrscherpaar eigentlich mehr Bekanntheit genießen müsste. Die Revolution von 1688/89 stärkte das Parlament und schränkte die Befugnisse der Krone ein. Bis dahin nur ein "Ereignis", also eine temporäre Veranstaltung, wurde das Parlament zu einer festen Institution. Es konnte fortan vom Monarchen nicht mehr nach Belieben aufgelöst werden. Maria und Wilhelm bekannten sich zur Bill of Rights, in der die Grundrechte der Engländer festgelegt wurden. Wie Jonathan Keates einleitend anmerkt, ist es eigenartig, dass das Herrscherpaar heute kaum noch bekannt ist und 1988 keine Jubiläumsfeiern stattfanden, um an die Revolution von 1688 zu erinnern.

Keates sieht den Hauptgrund für die fehlende Popularität des Herrscherpaares darin, dass Maria und Wilhelm "unglamourös" waren. Beide bieten Historikern und Biographen wenig Material für farbige Lebensbeschreibungen. Maria war die älteste Tochter des späteren Königs Jakobs II. aus erster Ehe. Wilhelm entstammte dem Hause Oranien und war über seine Mutter, eine Tochter Karls I., mit den Stuarts verwandt. Die 1677 geschlossene Ehe zwischen Maria und Wilhelm diente dem Zweck, die Beziehungen zwischen England und den Niederlanden nach Jahren des Krieges zu verbessern. Maria und Wilhelm hätten bis an ihr Lebensende ein unauffälliges Dasein in Den Haag führen können, wenn nicht Jakob II. mit seiner Religionspolitik die Engländer gegen sich aufgebracht hätte. Wilhelm leistete 1688 einem Hilferuf englischer Adliger und Geistlicher Folge und setzte mit einem Heer nach England über. Kampflos gelangten er und seine Frau auf den Thron. Katholiken wurden für alle Zeit von der Thronfolge ausgeschlossen. Keates stellt klar, dass sich Wilhelm von Oranien nicht als Retter des englischen Parlamentarismus und Protestantismus verstand. Dem Oranier ging es in erster Linie darum, ein Bündnis zwischen England und Frankreich zu verhindern. Wilhelm sah seine Lebensaufgabe darin, Ludwig XIV. von Frankreich an der Errichtung einer Universalmonarchie zu hindern. Mit dem Sturz Jakobs II. war sichergestellt, dass von England keine Bedrohung mehr für die Niederlande ausging. Zum Missfallen vieler Engländer führte Wilhelm England an der Seite anderer europäischer Staaten in den Neunjährigen Krieg gegen Frankreich (1688-1697).

Keates hat sichtlich Mühe, seinen beiden Protagonisten interessante Züge abzugewinnen. Wilhelm III. war zeitlebens ein eigenbrötlerischer Einzelgänger. Seine englischen Untertanen respektierten ihn, liebten ihn aber nicht. Maria II. war eine scheue und unsichere Frau, die das Herrscheramt als schwere Bürde empfand und wenig Freude am Leben hatte. Als sie Ende 1694 an den Pocken erkrankte, legte sie sich erleichtert, ja beinahe freudig aufs Sterbebett. Kinder blieben dem Paar versagt. Wilhelm erlebte noch den Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges. Ebenso wie seine Frau geriet er nach seinem Tod rasch in Vergessenheit. An prunkvoller Hofhaltung war das Herrscherpaar nicht interessiert. Der Königshof verlor unter Maria und Wilhelm an Bedeutung, ein Trend, der sich im 18. Jahrhundert fortsetzen sollte. Keates sieht die Leistungen des Paares in eher nebensächlichen Bereichen: Maria und Wilhelm machten die holländische Gartenkultur in England populär und sorgten dafür, dass sich am englischen Hof holländische Hygienestandards durchsetzten. Einen nennenswerten politischen Gestaltungswillen ließen beide nicht erkennen. Sie akzeptierten die Revolution von 1688/89 und fanden sich mit der Neudefinition der Monarchie ab. Als Ausländer hatte Wilhelm III. ohnehin keine andere Wahl. Keates sieht in Maria II. und Wilhelm III. "die ersten modernen Monarchen" der englisch-britischen Geschichte. Moderne Herrscher waren sie in dem Sinne, dass sie sich nicht mehr als Gottes Stellvertreter auf Erden verstanden, sondern ihr Königtum als Amt auffassten, das im Auftrag und im Interesse der Gesellschaft ausgeübt wurde. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im August 2015 bei Amazon gepostet)

Gespräche aus der Community

Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 1 Bibliotheken

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks