Cover des Buches Blackout (ISBN: 9783404109449)
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Rezension zu Blackout von Jonathan Kellerman

Startschuss für den Psychologen-Krimi

von Stefan83 vor 11 Jahren

Rezension

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Stefan83vor 11 Jahren
Mit einer Beständigkeit, die in der Welt der Kriminalliteratur schon fast seinesgleichen sucht, veröffentlicht Jonathan Kellerman nun seit Mitte der 80er Jahre nahezu jährlich einen neuen Roman aus seiner Reihe um den Kinderpsychologen Dr. Alex Delaware. Erstaunlich also, dass ich mich bisher noch nicht für den Kauf eines einzigen seiner Titel begeistern konnte.

Woher die Skepsis kommt, vermag ich nicht zu sagen. Die oftmals einfallslose deutsche Covergestaltung sowie die unsägliche Titelwahl könnten jedoch einen Teil dazu beigetragen haben. Da man aber nicht weiß, ob es schmeckt, ohne zu probieren, habe ich mir kurzum den ersten Band der Reihe ausgeliehen. In gespannter Erwartung, ob ich womöglich all die Jahre Großartiges verpasst hab. Nach gut 460 Seiten des Debütwerks "Blackout" hält sich meine Begeisterung in Grenzen, wenngleich ich durchaus sehe, warum man dieses Buch mit dem begehrten Edgar Award ausgezeichnet hat. Die Story sei schnell angerissen:

Dr. Alex Delaware ist Kinderpsychologe. Völlig ausgebrannter, vom Stress gezeichneter Kinderpsychologe, der sich mit knapp 32 Jahren in den Vorruhestand hat versetzen lassen. Nachdem er über Jahre nichts als Arbeit gekannt hat, versucht er nun die Sonne Kaliforniens und das Nichtstun zu genießen. Doch diese Pause vom Leben hat nicht lange Bestand, als ihm sein Freund Milo Sturgis, Polizist beim LAPD, einen Besuch abstattet. Ein grausamer Doppelmord ist begangen worden und die einzige Zeugin, ein siebenjähriges Mädchen, völlig verstört. Alex soll nun mithilfe von Hypnose herausfinden, ob sie sich an wichtige Details erinnern kann. Anfangs unwillig lässt er sich von Milo überreden und in einen Fall hineinziehen, der bald größere Ausmaße annimmt, als zu Beginn gedacht. Und auch Alex selbst in Gefahr bringt...

Um dieses Buch fair bewerten zu wollen, muss man sich vor Augen halten, dass es bereits im Jahre 1985 erschienen ist. Psychologische Thriller waren damals etwas Neues im Krimi-Bereich, intellektuelle Schreibweise mit viel Tiefgang in diesem Genre eher eine Ausnahmeerscheinung. Jonathan Kellerman (selbst Psychologe), der offensichtlich viele seiner eigenen Erfahrungen mit eingebracht hat, ist ohne Zweifel ein Buch gelungen, das in erster Linie durch seinen intelligenten Plot besticht. Psychologie wird erklärt, hinterfragt und praktiziert, als Mittel Alex zur Hand gegeben, um den Fall auf eigene Faust zu lösen. Aus heutiger Sicht muss ich jedoch sagen: Nichts davon ist wirklich spannend.

Über gut 350 Seiten kämpft sich der Leser durch Selbstbetrachtungen, seitenlange Dialoge und Liebesbekundungen, ohne das irgendwo ein Spannungsaufbau vonstatten geht. Komplett langweilig, wären da nicht der liebenswerte Ich-Erzähler und die anderen tollen Figuren. Sie sind es, die das Buch aus der Masse herausheben, wenngleich auch der gut pointierte Humor und der verstrickte Fall nicht verhindern konnten, dass ich gelegentlich zum vorblättern neigte. Grund dafür war (für mich) die Offensichtlichkeit. Als Vielleser des Krimi-Genres weiß man ziemlich schnell worauf das alles hinausläuft, liest man in erster Linie deshalb weiter, um das Warum herauszufinden.

Ist das Buch nun deshalb schlecht? Keineswegs. "Blackout" besticht durch einen gefälligen Stil, tolle Atmosphäre und authentische Figurenbesetzung. Ein Page-Turner im heutigen Sinne ist es allerdings nicht. Dafür aber der Startschuss eines neuen Zweigs der Kriminalliteratur, dem mittlerweile viele Autoren (wie z.B. Michael Robotham) gefolgt sind.

Insgesamt ist "Blackout" ein interessantes, nicht auf ganzer Linie überzeugendes Debüt, das mich mit zwiespältigen Gefühlen zurückgelassen hat. In der Hoffnung beim nächsten Mal hinsichtlich der Auflösung mehr überrascht zu werden, gebe ich Jonathan Kellerman noch eine zweite Chance.
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