„Charles, es wäre nett, wenn du mir diese Blonde vom Weinberg verschaffen könntest.“
Er rollte die Augen. „Die wollen Sie doch gar nicht, Mr. Craven.“
„Woher weißt du, was ich will?“
„Man sagt, sie sei blondes Gift.“
„Hör mal, Charles, wenn Blondinen giftig wären, hätte ich schon vor dreißig Jahren sterben müssen.“
Privatdetektiv Karl Craven wird in eine Kleinstadt geschickt, wo er die junge Lucille Grayson aus den Klauen einer Sekte befreien soll. Der Auftrag ist gar nicht so einfach, denn die junge Dame wurde ordentlich gehirngewaschen und möchte am liebsten im Schoße der liebenden Gemeinschaft verweilen.
Die Sekte, die den Namen "Der Weinberg" trägt und sich nach außen als rechtschaffene, arbeitsame Gruppierung nach dem Muster der Amish gibt, ist in Wirklichkeit eine kriminelle Vereinigung, die sämtliche Fäden des organisierten Verbrechens der Stadt in der Hand hält.
Aber Craven ist auch nicht auf den Kopf gefallen. Er weiß sich zur Wehr zu setzen und macht guten Gebrauch von seinen Fäusten, wenn er nicht gerade seinen Verstand einsetzt um die kriminellen Fraktionen der Kleinstadt gegen einander auszuspielen.
Craven ist fett und selbstsüchtig. Im Grunde müsste er einem unsympathisch sein. Aber irgendwie fällt es schwer diesen Typen nicht zu mögen. Denn er ist auch witzig und schlagfertig, intelligent und pragmatisch.
Jonathan Latimer erzählt mit so viel Tempo und Humor, dass hier selbst die großen der Zunft wie Chandler oder Hammett kaum mithalten könnten. Salomons Weinberg ist ein herrlicher Spaß, der trotz der irrwitzigen Handlung nie die Bodenhaftung verliert und es sogar noch schafft Kritik an dieser gierigen und gewalttätigen Welt zu üben und das gänzlich ohne erhobenen Zeigefinger.
Es gibt Bücher, die erlangen aus irgendeinem Grund nie die Aufmerksamkeit, die ihnen eigentlich zustehen würde. Vielleicht fehlt es ihnen an passender Werbung oder wohlwollenden Kritiken. Oder sie kommen einfach zu früh oder zu spät. Nehmen einen späteren Trend vorweg oder hinken einer früheren Mode hinterher. Es hilft sicher auch nicht die Zensur herauszufordern, wie in diesem Fall.
Gleich die ersten Zeilen von Salomons Weinberg deuten an, dass wir uns hier in freizügigeren Gefilden bewegen:
„An der Art wie sich ihr Hintern unter dem schwarzen Seidenkleid abzeichnete, konnte ich erkennen, dass sie gut sein musste im Bett. Unter der enganliegenden Seide arbeiteten die Muskeln langsam und geschmeidig. Ich sah Masse und Kontrolle über diese Masse, und das, Bruder, sind Dinge, die ich an einer Frau mag.
Sie ging in Richtung Warteraum. Ihr Haar war goldblond, sie hatte tolle kurven und Brüste in der Größe kubanischer Ananas. Dann und wann, zwischen einem Schritt und dem nächsten schwang sie ihre Hüften, bis es so aussah, als müssten sie aus dem Gelenk springen, aber dann ließ sie sie wieder zurückschnappen, worauf ihre, worauf ihre Pobacken unter diesem Kleid, das wie eine schwarze Haut war, erzitterten. Ich schätze, sie wusste, dass ich hinter ihr herging.“
Auf uns heute mag das alles recht harmlos wirken. 1941 muss es den damaligen Sittenwächtern indes einen ordentlichen Schock versetzt haben. Kaum zu glauben, dass dieses Buch erst 1989 in ungekürzter Form in den USA erscheinen durfte.
Eigentlich müsste Salomons Weinberg in der Wahrnehmung der Leser und Kritiker auf einer Stufe mit Hammetts Der Malteser Falke oder Chandlers Der große Schlaf stehen; dass es das nicht tut ist echt ne Schande, Bruder!
Ein vergessener Klassiker