Cover des Buches Here I Am (ISBN: 9780241146187)
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Rezension zu Here I Am von Jonathan Safran Foer

Reden, Imkreisreden, Zerreden

von suse9 vor 7 Jahren

Rezension

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suse9vor 7 Jahren
Jacob und Julia stecken mitten in einer Ehekrise. Es ist wie so oft, sie scheinen alles zu haben, um glücklich zu sein, Achtung voreinander, wunderbare Kinder, eine solide finanzielle Basis, Familie und Freunde, die ihnen zur Seite stehen. Trotzdem fehlt etwas. Das Glücklichsein.
Mitten in den Vorbereitungen zur Bar Mitzwa ihres großen Sohnes Sam erkennen sie, dass sie so nicht weiterleben wollen. Wie sie aber künftig ihr Zusammensein gestalten könnten, ist ihnen auch nicht klar. Dass die Familie zu den Feierlichkeiten anrückt, der Sohn kurz vor der Suspendierung aus der Schule steht und der Großvater sich sträubt, ins Pflegeheim überzusiedeln, macht die Situation nicht leichter.

Ich freute mich auf mein erstes Buch von Jonathan Safran Foer. Die Verfilmung seines Romans „Extrem laut und unglaublich nah“ beeindruckte mich und das Thema von „Here I Am“ sprach mich an. Der Autor beschreibt innere Ängste, Zweifel und Missverständnisse der Protagonisten eindrucksvoll und detailliert. Dabei spielen religiöse Fragen eine große Rolle. Da es sich um eine jüdische Familie handelt, ging es vorrangig um deren Ansichten und Gedanken. Gerne erfuhr ich Neues, nahm Meinungen auf und beleuchtete sie von mehreren Seiten und verglich sie mit meinen. Bücher, die zum Nachdenken anregen, kontroverse Ansichten zur Diskussion stellen und den Leser miteinbeziehen, mag ich. Außerdem versteht es der Autor, mit Worten umzugehen, so dass die Lektüre fordert und Freude bereitet.

Dennoch fühlte ich mich in dem Roman nicht gut aufgehoben. Zwar belebten viele kleine Rückblicke und Szenen die Handlung, aber die Diskussionen zwischen den Protagonisten führten zu oft ins Leere. Nicht selten drehten sie sich im Kreis. Es wurde geredet, geredet und geredet, ohne etwas aus- und anzusprechen. Bereits in den ersten Kapiteln wird klar, dass es sich um eine intelligente Familie handelt. Die Kinder selbst haben beeindruckende Gedanken, die die Erwachsenenwelt aufhorchen lassen sollten. Aber es fehlten hier die „normalen“ Gesten und Gespräche einer „normalen“ Familie. Alles ist wichtig, alles ist von Bedeutung, nichts simpel. Wie kann eine Familie zusammenfinden, wenn sie nicht in der Lage ist, über Gefühle zu reden oder sie zu zeigen, ohne dass dafür immer erst ein Fass aufgemacht werden muss?

Wer gerne über das Leben philosophiert, Hintergründe beleuchtet, Gedanken über Weltgeschichte und – politik austauscht, wird das Buch „Here I Am“ sicher mögen und verstehen. Mir war es einfach zu anstrengend. Die Erwachsenen nahmen sich zu wichtig, die Kinder wurden nicht beachtet, auch wenn dies vorgegaukelt wurde. Niemand hört eigentlich auf den anderen. Jeder klagt darüber, dass niemand ihn versteht. Der Zwiespalt der jüdischen Nachkommen ist mir fremd geblieben. Ich habe so gut wie nichts aus dem Buch mitgenommen. Vielleicht bin ich auch nicht der Adressat. Die schriftstellerische Leistung des Autors erkenne ich an, sie ist mir aber zu ambitioniert.

Ich vergebe 3 Sterne, da es ein gut geschriebenes Buch ist, das beachtet werden sollte, mir aber zu anstrengend war.
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