Cover des Buches Meine Familie und andere Katastrophen (ISBN: 9783462049060)
JDaizys avatar
Rezension zu Meine Familie und andere Katastrophen von Jonina Leosdottir

Turbulent, aber keine Komödie

von JDaizy vor 8 Jahren

Rezension

JDaizys avatar
JDaizyvor 8 Jahren
"Ich sag dir mal was Vertrauen, mein Freund, du tust mir leid. Du bist nie zufrieden und meinst immer, dass das Gras woanders grüner und saftiger ist. Manchmal machen deine fixen Ideen ja auch Spaß, wenn du dir was in den Kopf gesetzt hast, wie zum Beispiel, als du das Sommerhaus gebaut hast. Aber weißt du, jetzt ... jetzt ist es wirklich traurig, das mitanzusehen. Du hast eine großartige Frau, Raggi. Eine attraktive Frau, die immer gut drauf und fröhlich ist, egal was für einen Mist du baust. Sie liebt dich über alles, unterstützt dich, und trotzdem läufst du einer Göre mit großen Titten hinterher, nur weil du sechzig wirst und Angst hast, was zu verpassen."


Nachdem sich Ragnar, der ungekrönte Meister in Egoismus und spontanen Eskapaden, vehement weigert seinen 60. Geburtstag zu feiern, richtet seine Frau Margrèt eine Überraschungsparty für ihn aus. Auf dieser Feier kommt es zu einer unerwarteten Offenbarung, die das Leben der ganzen Familie gehörig durcheinander wirbelt.
Warum will sich Ragnar so plötzlich von seiner langjährigen Ehefrau trennen? Wird seine Tochter die Familie mobilisieren können, um die drohende Katastrophe zu verhindern? Und wer ist echt und wer spielt nur eine Rolle?

Wer kennt das nicht: (un-)geliebte Marotten des Partners; geheime, unerfüllte Sehnsüchte; turbulente Familienfeiern, die nicht selten im Chaos enden und vielleicht auch die ein oder andere (späte) Midlife Crisis oder eskalierende Konfliktsituation.
"Eine Familie kann man sich nicht aussuchen - auch nicht in Island."
Und weil mich Familiengeschichten wirklich interessieren, habe ich zu diesem Buch gegriffen. Erwartet habe ich eine unterhaltsame, chaotische Familiengeschichte, mit einem guten Schuss Humor, aber auch nachdenklichen Momenten - da das Buch auch als "turbulente Komödie" angeprisen wird.
Leider konnte es meine Erwartungen nicht ganz erfüllen. Aber dazu später.

Sehr schön fand ich den Emailverkehr zwischen Eyglò und ihren Geschwistern zu Beginn. Das war ein gelungener Einstieg ins Buch.
Als Person war mir Fifi am nähesten. Sie war ein Gegenpol zu den anderen, doch recht verunsicherten, eigensinnigen Familienmitgliedern. Sie ist wie sie ist, treu, verlässlich und macht aus allem das Beste. Besonders schön war, dass ihr materielle Dinge egal sind. Wenn zum Beispiel die Enkel wild auf Couch toben und mal etwas zu Bruch geht, ist das für sie kein Weltuntergang. Und auch ein paar Kilo mehr auf den Rippen stören sie nicht. Für mich ist sie der Fels in der Brandung.
Es gab auch nachdenkliche und bewegende Momente. Hier ist mir vor allem die Geschichte mit dem unsichtbaren Jungen, der Eyglò seit sechs Jahren begleitet, im Gedächtnis geblieben.

Das Buch wurde als Taschenbuch 2016 im Verlag Kiepenheur & Witsch veröffentlicht. Die isländische Originalausgabe erschien 2014. Besonders gelungen finde ich den rückseitigen Klappentext, der defintiv Lust auf mehr macht(e) und der mich dazu bewogen hat, dieses Buch zu lesen. Auch das Cover finde ich gelungen. Ich mag die Farben und es ist nicht zu überladen. Das Motiv mit der Deckenlampe die schemenhaft einen Esstisch ausleuchtet, passt zur Geschichte. Für mich sehe ich da eine verlassene unberührte Geburtstagstafel, die durch die Beleuchtung nicht unsichtbar gemacht werden kann. Was passiert ist, ist passiert.
Auch die Kapitellänge und -einteilung hat mir gut gefallen.

Trotzdem hat mich das Buch im Ganzen etwas ratlos zurückgelassen. Die Geschichte hat wirklich Potential und hat mich in der ersten Hälfte auch gut unterhalten. Ich mochte die Mischung aus alltäglichem (Familien-)Wahnsinn, unterschwelligem Humor und nachdenklich stimmenden Themen. Leider wurde mir die Geschichte in der letzten Hälfte zu dunkel, ja schon fast depressiv. Und vielleicht hätte man die Geschichte nicht in 6 Tagen erzählen sollen. Es passiert einfach zu viel in zu kurzer Zeit. Das macht das Ende unrund und irgendwie geht der Geschichte zum Ende hin die Luft aus. Und obwohl ich offene Enden mag, lässt es mich hier unbefriedigt zurück. Ich hätte zum Beispiel gern noch erfahren, wie es mit Eyglo und Örvar weitergeht.


Fazit:
Eine turbulente Geschichte über den alltäglichen Familienwahnsinn: mit Marotten, Bevormundungen und Entäuschungen, aber auch mit Mitgefühl, Verständnis und Anteilnahme.
Die Botschaft: Man darf nicht immer nur an sich selbst denken.
Auch wenn mich "Meine Familie und andere Katastrophen" nicht vollends überzeugen konnte, werde ich der Autorin noch eine zweite Chance geben, weil ich ihren Schreibstil mag und den Ansatz und die Idee der Geschichte toll fand.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks