Seltsam ist das Coverbild, übernommen von der amerikanischen Originalausgabe. Der Typ wirkt absolut nicht vertrauenserweckend, sondern eher wie ein kaltblütiger Gangsterboss. Und warum benutzt er das Image des Wolfes, das ihn nicht nur zum Filmhelden machte, sondern auch in den Knast brachte?
Sein in diesem Buch vorgestelltes System war Grundlage eines riesigen Betruges an Anlegern. Belfort hatte aus einer kleinen Brokerfirma einen der größten Börsenmakler der USA gemacht und führte einen exklusiven Lebenswandel, dessen Einzelheiten man leicht im Netz finden kann. Der von ihm und anderen angerichtete Schaden betrug über 200 Millionen Dollar. Dafür wurde er wegen Wertpapierbetrugs und Geldwäsche zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, die er nicht vollständig absaß, weil er mit den Behörden zusammenarbeitete. Das kommt im Buch nur als Randnotiz vor. Erwähnen sollte man es dennoch, weil es natürlich Fragen aufwirft.
Sein Buch beschäftigt sich ausschließlich mit seinen Straight-Line-Verkaufssystem, das er mehr oder weniger ausführlich erklärt. Es ist nicht vollständig in unserer Kultur anwendbar, weil man hier zum Beispiel Leute niemals so ansprechen kann, wie er das vorschlägt. Im Grunde geht es allein darum, Produkte zu verkaufen. Der Untertitel "Die Kunst der Überzeugung, des Einflusses und des Erfolges" gehört in diesem Sinne zu den üblichen schwachsinnigen Übertreibungen solcher Bücher. Auf der anderen Seite zählt Belforts Buch mit Sicherheit zu den besten Anleitungen für professionelle Verkäufer. Ich habe einige davon gelesen. Sie alle können sich nicht mit diesem Buch messen, das vor allem durch seine Klarheit und schnörkellose Struktur überzeugt.
Es gibt beim professionellen Verkauf einen entscheidenden Punkt: Bei allen Tricks, die auch Belfort vorstellt, sind Ehrlichkeit und ein hervorragendes Produkt die Grundlage eines nachhaltigen Erfolgs. Sicher kann man den in großer Menge vorhandenen gutgläubigen Menschen alles Mögliche aufschwatzen und damit auch reich werden, doch man wird dabei mit ziemlicher Sicherheit zum Zyniker. Einige Menschen können als Zyniker scheinbar gut leben, andere wird es am Ende krank machen. Belfort geht in diesem Buch immer davon aus, dass man Leuten nur hervorragende Dinge verkaufen sollte, die sie auch brauchen und die ihnen helfen ein Problem zu lösen. Inwieweit das bei seiner Vergangenheit glaubhaft ist, mag jeder für sich entscheiden, aber es ist hier sein Ausgangspunkt.
Straight Line heißt sein System, weil es darauf abzielt, den Verkäufer daran zu hindern, sich im Verkaufsgespräch ablenken zu lassen. Solche Ablenkungen bereiten mir als potentiellem Käufer immer wieder viel Spaß, denn nur so kann man Verkäufer testen, falls man sich überhaupt auf sie einlässt.
Belforts Verkäufer hingegen nutzen solche Ablenkungsversuche und kommen in Loops immer wieder zum Thema zurück bis sie einen Kunden überzeugt haben. Natürlich werden dabei allerhand psychologische Tricks angewandt, die ins Fachgebiet der Manipulation gehören. Dazu zählen insbesondere Körpersprache und Tonfall. Jedes Kundengespräch mit bereit vorsortierten Kandidaten dient bei Belfort auch zur Informationsgewinnung, was man dann wiederum dazu nutzt, um den Kunden durch sich fortwährend wiederholende, aber stets leicht veränderte Argumente in seiner Kaufneigung zu beeinflussen.
Insbesondere geht es dabei darum, den Kunden, der das betreffende Produkt tatsächlich braucht (was bei Belfort immer die Voraussetzung ist), von Einwänden und Ausreden abzubringen. Wenn man das System, das darauf angelegt ist, im Gespräch stets die Oberhand zu behalten, in solchen Situationen anwendet, wird man sicher zum Erfolg kommen. So gesehen ist Belforts Buch wirklich grandios.
Ob man Belfort sein ehrliches Anliegen tatsächlich abnehmen kann, mag ich nicht beurteilen. Natürlich kann man sein System auch ohne diese Grundvoraussetzung nutzen. Und das weiß er auch. Im Übrigen hat dieses Buch auch einen gewissen Nutzen für die Gegenseite, weil man die üblichen Tricks von Verkäufern (und manchmal auch ihre Ungeschicklichkeit) mit ihm viel leichter erkennt und sich mit Sicherheit weniger blenden lässt.