Jordan Tannahill

 4,1 Sterne bei 27 Bewertungen
Autor*in von Das Summen, Das Summen. Die Ereignisse am Sequoia Crescent und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Jordan Tannahill ist Autor, Dramatiker und Regisseur. Seine Theaterstücke wurden in über zehn Sprachen übersetzt und zwei davon mit dem Governor General's Literary Award for Drama ausgezeichnet, Kanadas höchstem staatlichen Literaturpreis. Sein Roman Das Summen erklomm die kanadischen Bestsellerlisten und stand auf der Shortlist des Scotiabank Giller Prize. Tannahill ist bekennender Kritiker der Monarchie und des Brexits und tritt als Aktivist für die Rechte der queeren Community ein. 2019 wurde er von CBC Arts als einer der einflussreichsten LGBTQ-Kanadier genannt. Er lebt heute in London.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Jordan Tannahill

Cover des Buches Das Summen (ISBN: 9783833745799)

Das Summen

(19)
Erschienen am 16.03.2023

Neue Rezensionen zu Jordan Tannahill

Cover des Buches Das Summen (ISBN: 9783833745799)
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Rezension zu "Das Summen" von Jordan Tannahill

marilovesbooks2020
Ein Psychogramm unserer Gesellschaft

"Du glaubst an eine Wahnvorstellung. Paul, du glaubst an sprechende Schlangen und die Teilung des Roten Meeres und an einen Gott, der irgendwie einen Sohn hat, den er auf die Erde geschickt hat, um von einer Jungfrau geboren zu werden... Okay, okay... Nein, ernsthaft, wie viel Leute müssen an etwas glauben, damit es nicht mehr als Wahnvorstellung gilt? Wenn ich in einer Sekte bin, dann bist du in einer viel größeren und krankeren als ich." (S. 220)


Eines Abends beginnt es, Teil 1 des Unheils. Claire wird wach und hört ES. Ein Summen. Ihr Mann Paul hört es nicht. Ihre Tochter Ashley hört es nicht. Das Geräusch ist unerträglich. Sie sucht das gesamte Haus ab, schaltet Geräte und den Strom ab, sucht auf der Straße. Doch das Summen sitzt. In ihrem Kopf. In ihrem Körper. Sie hört es. Und sonst niemand. Es lässt sie nicht schlafen. Nicht ihren gewohnten Alltag durchführen. Es lässt sie nicht denken. Es macht sich körperlich bemerkbar mit Kopfschmerzen, Nasenbluten. Es verfolgt sie in die Schule. Es treibt sie fast in den Wahnsinn. Sie sucht Fachkräfte auf, um eine Lösung zu finden, doch niemand kann ihr helfen. Ihre Freundinnen, Kolleginnen und Familie zweifeln immer mehr an ihrem Verstand, stempeln sie als überarbeitet ab. Sie schottet sich immer mehr ab, isoliert sich von der Welt. Und dann plötzlich trifft sie auf jemanden, der ES auch hört; einer ihrer Schüler, der 17jährige Kyle. Die beiden machen sich auf die Suche nach der Quelle dieser Qual. Machen Messungen an unterschiedlichen Orten, sammeln Informationen. Alles muss natürlich geheim sein, denn wenn man Claire mit einem ihrer Schüler träfe, wäre der Ofen buchstäblich aus. Doch dann erzählt Kyle eines Tages, es gäbe noch andere. Andere wie sie beide, die dieses unerträgliche Geräusch auch hören und dass es ein Treffen gibt. Doch bevor die beiden sich dort hinbegeben können, beginnt Teil 2 des Unheils seinen Lauf zu nehmen, denn man hat sie beide gemeinsam gesehen. Als gefühlt alles zusammenbricht sieht Claire nur noch einen Weg, sie muss zu dieser Gruppe, diesen Leuten, die verstehen wie es ihr geht. Sie muss wissen, WAS ES IST. Und Teil 3 des Unheils beginnt.


Ich bin immer noch geflashed wie schnell es gehen kann, dass man als verrückt abgestempelt werden kann. Wie rasch die riesige Sturmzelle aufzieht und alles mit sich reißt, bis man als verwurzelter Baum nur mehr alleine am Feld steht. Alle wenden sich ab, keine Unterstützung durch irgendwen. Getreu dem Motto: Was ich nicht habe oder kenne, das kannst du doch auch nicht haben. Das ist unmöglich. Wenn niemand dir helfen kann, dann bildest du dir alles ein. Du machst alles kaputt, reißt mit deinem Wahnsinn alles nieder. Doch DU bist es nicht, im Grunde bist DU einem Ding ausgeliefert – wie einer Gelse im Schlafzimmer, die sich nicht finden lässt, nur dass sie dich 24/7 bespaßt.


„Bis zu diesem Abend und meinem Gespräch mit Ashley auf der Treppe hatte ich vermutlich noch nicht ganz begriffen, dass Hysterie eine psychische Wunde ist, die wir Frauen immer noch tragen. Eine Wunde, die uns jahrhundertelang durch unsere Symptome, unsere Instinkte über unsere eigenen Körper, unsere Freuden und Leiden zugefügt wurde, dadurch, dass wir immer die Ersten waren, die diskreditiert und diskriminiert wurden, sogar von anderen Frauen. Sogar von unseren eigenen Töchtern, wie es vermutlich gerade der Fall war.“ (S. 207)


Der Roman #dassummen schält das Konstrukt von sozialen Strukturen ab, wie eine Mango. Man schält und schält, es wird weicher (man glaubt das Problem zu erkennen) und stößt dann auf einen harten Kern, der nicht genießbar ist. 


Alle Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet, der Roman ist spannend und an vielen Stellen voll passender Dramatik, gepaart mit Zusammenhalt durch Fremde, Glauben an etwas Höheres (und auch doch nicht) und Verschwörungstheorien. 

So wirft uns @jordan.tannahill ein Psychogramm der Gesellschaft in Form von fast 400 Seiten um die Ohren. Der harte Kern, die Menschen, die einem am Vertrautesten sind, wenden sich ab, weil sie nicht nachvollziehen können, was vor sich geht. Der Stempel des Irre-Seins lässt sich leichter aufdrücken, als die Kraft der Unterstützung. Das hatten wir doch erst unlängst bzw. haben wir auch noch im Nachgang mit Long-Covid oder Fatigue. Das sollte uns nochmal zum Nachdenken anregen!


Große #Leseempfehlung!


Cover des Buches Das Summen (ISBN: 9783833745799)
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Rezension zu "Das Summen" von Jordan Tannahill

Coriso
Spannend und sensibilisierend

Claire ist Lehrerin und lebt mit ihrem Mann Paul und ihrer Tochter Ashley ein zufriedenes Leben in einer US-Vorstandt. Eines Tages vernimmt sie ein seltsames Summen und sie beginnt nach der Ursache zu suchen. Weder ihre Kollegen, noch ihre Familie können das Geräusch hören. So fühlt sich Claire zunehmend von ihrem sozialen Umfeld isoliert und unverstanden. Das anfängliche Mitgefühl des Umfeldes kippt in ein kritisches Hinterfragen von Claires seltsamen Verhalten, das durch den permanenten Schlafmangel noch verstärkt wird.

Als Kyle, ein Schüler Claires, ihr mitteilt, dass er auch das Summen hören kann, beginnt eine nicht mehr aufhaltbare Dynmik. Claire fühlt sich endlich wieder verstanden und die beiden schließen sich einer kleinen Gruppe am Seyuoia Crescent an. Alle dort können das Summen hören, doch verfolgen die Mitglieder verschiedene Interessen und versuchen sich gegenseitig zu beeinflussen. Von der Gesellschaft wird die kleine Gemeinschaft schon bald als Gefahr eingestuft.

"Das Summen" ist ein vielschichtiger Roman, der sensibilisiert für Verschwörungstheorien, Polarisierungen und sektiererische Gruppierungen. Auch spirituell gesehen ist der Roman äußerst spannend: Was ist mit den Dingen, die nicht augenscheinlich sind, aber doch wahrgenommen werden? Was, wenn "die anderen" die Wahrnehmung aber nicht teilen können? Der Grat ist eben schmal zwischen sensibler Wahrnehmung und Wahnsinn. Auch wenn der Roman kein Krimi ist, so ist "Das Summen" doch äußerst spannend, denn man versucht als Leser:in herauszufinden, wer Opfer und wer Täter in dieser Dynamik ist.

Cover des Buches Das Summen (ISBN: 9783833745799)
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Rezension zu "Das Summen" von Jordan Tannahill

renee
Beziehungsgeflechte

Jordan Tannahill hat hier ein richtig spannendes Buch geschrieben. Ein Blick auf den Menschen. Ein vielschichtiger Blick. Ein verstörender Blick. Ein interessanter Blick. Claire hört ein verstörendes Summen. Ein Summen, dass sie nicht ignorieren kann. Ein Summen, welches nur sie hört, ihre Familie und ihre Umgebung nicht. Plötzlich ist Claire anders, plötzlich fällt ihr Lebenskonstrukt zusammen. Das ist schlimm zu lesen. Doch ist das leider auch die Realität. Denn Geräusche hören viele Menschen, dies wird Tinnitus genannt. Und auch diese Menschen werden wahrscheinlich Probleme mit ihrer Umgebung haben. Denn der Mensch glaubt ja meistens nur, was er selbst sieht, was es auch den psychiatrisch Erkrankten ja so schwer macht in unserer Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Nun ist Claire ein Charakter, der der Ursache auf den Grund gehen will, der nicht aufgibt, der weiter laut ist. Auch dies ist etwas, was der Umgebung sicher das Umgehen mit Claire schwerer machen wird. Doch warum? Ist es besser nur die verordnete Medizin zu nehmen und schweigend einen Zustand hinzunehmen, der die Möglichkeit hat, den Betreffenden zu zerstören, nur um die Umgebung zu schonen. Diese Gedanken soll sich der Leser hier sicherlich machen. Verstörende Gedanken. Denn auch mir fällt hier nicht die passende Antwort ein. Denn ich kann weder dem Einen zustimmen noch dem Anderen. Natürlich wäre es einfach zu sagen, Claire hätte jedes Recht darauf laut zu sein. Klar darf sie das. Aber man muss halt auch bedenken, dass jedes Tun auch Folgen hat. Und nicht jeder Mensch eine Stärke wie Claire hat. Nicht jeder Mensch ist in seiner Leidensfähigkeit, in seiner Resilienz, in seiner Immunität mit einer Stärke ausgestattet, die Claire hat. Denn meiner Meinung könnten solche Menschen vielleicht mit Claire mithalten, mit Claire um ihr Recht streiten. Vielleicht ist auch die Liebe ihres Mannes nicht stark genug. Wer weiß. Aber kann man diese Ausnahmesituation bewerten. Natürlich kann man alles bewerten. Aber hier sollte man sich eher fragen wie würde ich und meine Umgebung damit umgehen. Auch wenn diese Frage teilweise sicher verstört.

 

Aber nicht nur das thematisiert Jordan Tannahill, weiterhin wird Verhalten innerhalb einer Gruppe Gleichgesinnter in dem Buch aufgegriffen, die Interaktionen ihrer Mitglieder miteinander, menschliches Gruppengefüge also. Und das Ganze wird auch noch unter erschwerten Bedingungen beschrieben. Denn dieses Gefüge steht unter Druck, innerhalb der Gruppe durch radikale Ansichten einzelner Gruppenmitglieder und auch von außerhalb der Gruppe durch die Ausgrenzung, die sie von außen erfährt.

 

Ein weiteres zentrales Thema ist der Umgang von Erwachsenen mit Jugendlichen, eine Lehrerin, wieder Claire, findet einen Gleichgesinnten unter ihren Schülern, Kyle. Gemeinsam versuchen sie hinter die Geheimnisse des Summens zu kommen, schon mit einer Angst behaftet, was wohl die Anderen sagen, wenn das herauskommt. Und die Anderen in der Kleinstadt reagieren natürlich bewertend zu diesem Verhalten der Beiden, befeuert von den Angehörigen von Claire und Kyle. Was besonders schlimm in meinen Augen ist. Was für ein Vertrauensbruch! Dem Summen geht niemand nach, aber den kleingeistigen Vermutungen schon. Ein trauriges Verhalten. Aber ein menschliches Verhalten. Siehe Regenbogenpresse.

 

Jordan Tannahill verstrickt hier in dieser Geschichte eine richtig interessante und mindestens genauso verstörende Gemengelage in seinem Buch. Ein spannendes Buch! Und ein Buch, welches ich den Lesern dringend empfehle, die an psychologisch ausgefeilten Geschichten interessiert sind. Love it!

Gespräche aus der Community

Claire hört ein Geräusch, das nie verstummt. Es treibt sie fast in den Wahnsinn. Als ihre Familie, die das Geräusch nicht wahrnehmen kann, sie verstößt, findet sie Anschluss zu anderen, die es ebenfalls hören. 

"Das Summen. Die Ereignisse am Sequoia Crescent" des Kanadiers Jordan Tannahill ist ein spekulativer, fesselnder Roman, der die feine Grenze zwischen Glaube, Wahn und Verschwörung auslotet.

175 BeiträgeVerlosung beendet
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Letzter Beitrag von  Corisovor 2 Jahren

Vielen Dank für die Leserunde und das Buch. "Das Summen" fand ich sehr spannend und ich habe während der Lesezeit in der Natur auch "genauer hingehört" und mich manchmal gefragt, ob denn alle die gleichen Geräusche hören ... ein tolles und sehr lesenswertes Buch. Hier meine Rezension:

https://www.lovelybooks.de/autor/Jordan-Tannahill/Das-Summen-Die-Ereignisse-am-Sequoia-Crescent-6587441520-w/rezension/10350063723/

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