Wird uns Künstliche Intelligenz (KI) in Zukunft wirklich helfen oder haben wir die Büchse der Pandora geöffnet? Ethan Mollick, Professor an der Wharton University (USA), beschreibt in seinem Buch „Co-Intelligenz“, wie Menschen und künstliche Intelligenz zusammenarbeiten können, um Innovation und Produktivität zu steigern. Mollick argumentiert, dass KI nicht als Bedrohung, sondern als Partner gesehen werden sollte - sei es als Kollege, Lehrer oder als kreative Unterstützung. Das Buch bietet praktische Einblicke in die ethischen und technologischen Herausforderungen der generativen KI und zeigt, wie sie sinnvoll eingesetzt werden kann. Es beleuchtet, wie große Sprachmodelle unsere Arbeitsweise verändern und neue Möglichkeiten zur Erweiterung des menschlichen Potenzials schaffen. Statt Angst vor der Automatisierung zu schüren, ermutigt Mollick dazu, KI als Werkzeug für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung zu begreifen. Allerdings verschließt Mollick auch nicht die Augen vor den negativen Risiken wie Arbeitsplatzverlust, Datenmissbrauch, Fehlverhalten oder unerwarteten Entscheidungen der KI.
Mollick konzentriert sich in seinem Buch auf Sprachmodelle (LLM), die die Basistechnologie für generative KI wie ChatGPT darstellen. In allgemein verständlicher Form erklärt er die Begriffe und Besonderheiten dieser neuen Technologie.
Wie funktionieren Sprachmodelle? Warum sind sie nur „Textvorhersagemodelle“? Woher stammen die Trainingsdaten? Wie können Sprachmodelle manipuliert werden? Was sind Prompts? Kann KI plagiieren? Warum sind KI-Systeme oft voreingenommen, haben Vorurteile und neigen zu Halluzinationen? Welche Gefahren birgt die generative KI? Für den Leser wird deutlich, dass KI alles andere als berechenbar und verlässlich ist - ganz im Gegensatz zu herkömmlichen Softwaresystemen. Sie verarbeitet und analysiert nicht nur Daten, sondern trifft nuancierte Urteile, fasst komplexe Konzepte zusammen und kann ihre Reaktionen aufgrund der ihr zur Verfügung gestellten Informationen anpassen.
Besonders interessant fand ich, wenn der Autor von seinen Experimenten und Studien berichtet, die er seiner Universität, teils in Zusammenarbeit mit Partnern wie der Boston Consulting Group, durchgeführt hat. Über „Prompts“ hat er z. B. untersucht, wie sich die Ergebnisse durch eine unterschiedliche Interaktion mit der KI verändern. Mal betrachtete er die KI als Widersacherin und wollte sie zum Streiten animieren, mal stellte er die Anfrage sachlich akademisch - und zeigt, wie unterschiedlich die KI reagieren kann. Sachlich, emotional, aber auch feindselig und verstörend - menschlich halt.
Andere Studien und Experimente haben gezeigt, dass KI auch bei kreativen Aufgaben oft besser ist als der Mensch ... und schneller sowieso. Aus Sicht des Autors wäre es daher töricht, KI nicht in die Prozesse einzubeziehen, insbesondere wenn der Mensch sich selbst nicht für besonders kreativ hält. Besonders bemerkenswert fand ich, dass Studien immer wieder gezeigt haben, dass Personen mit geringerer Kompetenz am meisten von KI profitieren, aber auch die Besten sich verbessert haben. Es ist wahrscheinlich, dass KI wirklich zu unserer Co-Intelligenz wird.
Mollick zeigt auch Prompt-Beispiele für Vorschläge zur Ideenfindung von Firmennamen oder Werbeslogans und erläutert die Prinzipien der Formulierung. So kann der Leser eigene Prompts entwickeln und in der Praxis ausprobieren.
Abschließend skizziert der Autor verschiedene Möglichkeiten, was aus seiner Sicht in den nächsten Jahren in der Welt der KI passieren könnte. Von der Möglichkeit, dass es kein oder nur ein langsames Wachstum geben wird (Trainingsdaten fehlen, Kosten-Nutzen-Aufwand zu hoch, gesetzliche Einschränkungen) bis hin zu einem exponentiellen Wachstum (Schwungradprinzip) oder der Entstehung einer Superintelligenz, die den Menschen „ablöst“.
Ein spannendes, praxisorientiertes und lesenswertes Buch, das aufzeigt, wie wahrscheinlich es ist, dass KI tatsächlich zu unserer Co-Intelligenz wird und den Menschen zum Cyborg macht. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Amerikaner in neuen Technologien immer vor allem das Positive sehen, während wir Deutschen uns gerade um Datenschutz und Datensicherheit sorgen.