Cover des Buches Komm, ich erzähl dir eine Geschichte (ISBN: 9783250111023)
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Rezension zu Komm, ich erzähl dir eine Geschichte von Jorge Bucay

Rezension zu "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte" von Jorge Bucay

von thomas_manegold vor 13 Jahren

Rezension

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thomas_manegoldvor 13 Jahren
Jorge Bucays Geschichtensammlung ist einfach umwerfend schön. Entwaffnend direkt werden beim Hören dieser drei CDs Lebensweisheiten zu praktikablen Lebenshilfen. Wer hätte das gedacht. Ausgerechnet ein Psychiater könnte also die Psychiater arbeitslos machen... Doch es gibt viele Dinge, die uns den Weg des Glücks verstellen, uns die Weisheit und die schönen Momente des Lebens versagen wollen. In vorliegendem Fall sind das ein phänomenal grausiges Cover in Rot und Gold und ein nichtssagender Titel. Links unten steht ein Logo, das die Vermutung nahelegt, die herausgebende Instanz habe dafür sogar Geld gezahlt. Vielleicht ist das ja auch eine Art Herausforderung, positiv zu denken, denn jene gestalterische Totalentgleisung macht dem Heer der unterbezahlten Kreativlinge Mut, vielleicht doch mal für Printmediengestaltung Geld zu bekommen... Dahinter verbirgt sich dann allerdings eine wunderbare Welt aus Fabeln, Weisheiten und Gleichnissen. Jorge Bucay bettet diese in eine Rahmenhandlung, in der er von sich in der dritten Person spricht. Seine Selbsironie ist dabei beispielhaft, denn er weiß offensichtlich sehr genau, wie er bei den anderen rüberkommt. Kein Wunder, denn Jorge oder "der Dicke" ist Psychiater, im Buch wie im richtigen Leben. Sein Patient, der "Ich" Erzähler Demian ist zuweilen betrübt und orientierungslos und begab sich deshalb in die Obhut jenes Therapeuten, der ihn eben nicht auf der Couch versauern lässt, sondern für jedes Problem eine Geschichte parat zu haben scheint. Seinen Mate Tee schlürfend erzählt er vom Elefanten, der sich als großes starkes Tier jene Dinge nicht mehr zutraut, an dem er als kleines Wesen scheiterte, redet von der Veränglichkeit und von der Kraft der Träume, von menschlichen Schwächen und Eitelkeiten, die uns behindern, von Lastern und Tugenden und davon, dass wir uns oftmals selbst im Wege stehen. Viele der Geschichten hat man so oder in anderer Form irgendwo schonmal gehört. Es sind meistens Zen-Weisheiten, Sufi-Geschichten, Gleichnisse oder nacherzählte Märchen und Sagen aus aller Welt. Neu ist dabei ihre komprimierte Art und jene Verknüpfung mit uns allen betreffenden Alltags- und Daseinsproblemen durch die Dialoge zwischen Demian und "dem Dicken", sodass man immer wieder schmunzeln muss und sich die zumeist unter 10 Minuten dauernden Episoden immer und immer wieder anhören kann. In ihnen erkennt Demian, wie eben auch der Zuhörer, oftmals sich selbst, seine eigenen Verhaltensweisen und seine hausgemachten Probleme wieder. Bucays Geschichten helfen seinem Patienten und uns zu einem besseren Selbstverständnis. Mehr noch, als nur Neurosen heilend, vermitteln sie oftmals fundamentale Weisheiten, auch über den uns nicht unmittelbar betreffenden Lauf der Welt. Die "Triebe des Ombu Baums" veranschaulicht beispielsweise wunderbar den Wahnsinn unserer Schubladenmentalität und des alles durchdringenden Parteilichkeitsdenkens. Am besten funktionieren die Geschichten ebenso häppchenweise, wie sie von Jorge erzählt werden. Wie Demian eben eine Geschichte pro "Sitzung" erfährt, sollte man sich vielleicht eine Geschichte pro Tag anhören, vielleicht als Ritual beim morgendlichen Kaffee oder beim abendlichen (Mate)-Tee, was eine viel nachhaltigere Wirkung auf unser Leben verspricht, denn vieles steht eben auch zwischen den Zeilen, offenbart sich nur unterbewusst, nach mehrmaligem Hören oder indirekt. Zudem kommt hier einmal mehr der glückliche Umstand hinzu, dass hier Texte und Stimme perfekt zueinander passen und Edgar M. Böhlkes Vortragsweise auch die Speisekarte der Pommesbude an der Ecke zu einem literarischen Ereignis machen würde ...
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