Rezension zu "Alice Guy" von José-Louis Bocquet
In der schillernden Geschichte des Films sind es oft die großen Namen wie Georges Méliès, Charlie Chaplin und D.W. Griffith, die im Rampenlicht stehen. Doch in den Schatten dieser Titanen verbirgt sich eine vergessene Pionierin, deren Einfluss auf die Filmindustrie ebenso bedeutend war. Die Comic-Biografie von José-Louis Bocquet und Catel Muller über das Leben und Werk von Alice Guy taucht in die Tiefen des frühen Kinos ein und enthüllt eine Geschichte, die nicht nur inspirierend, sondern auch traurig ist.
José-Louis Bocquet geht chronologisch vor. Der Comic startet mit der Geburt von Alice Guy (01.07.1873) und endet mit ihrem Tod. Somit bekommen wir von jeder Lebensetappe dieser außergewöhnlichen Frau etwas mit. Wir sehen, wie sie aufwächst und mit welchen Herausforderungen ihre Eltern konfrontiert sind, bevor Alice eine Arbeit bei der französischen Firma Gaumont findet, die zu damaliger Zeit eine der ersten Filmproduktionsfirmen der Welt ist. Ab hier wird es sehr spannend, denn es ist der Beginn der außergewöhnlichen Karriere von Alice Guy.
Da Alice sich sehr für das bewegte Bild begeistert und äußerst wissbegierig ist, entwickelt sie sich auf dem Gebiet ständig weiter. 1896 dreht sie mit »La Fée aux Choux« den wahrscheinlich ersten Spielfilm der Filmgeschichte. Insgesamt inszenierte und produzierte Alice an die 500 Filme. Neben ihrem filmischen Engagement sehen wir aber auch, wie sie ihre eigene Familie gründet und versucht, in den USA Fuß zu fassen. Doch egal auf welchem Kontinent sich Alice befindet, es wird immer wieder deutlich, dass sie sich auf männlichem Terrain bewegt. Ich fand es bewundernswert, dass sie sich davon nicht einschüchtern ließ und einfach ihr Ding durchzog.
Der ausführliche Anhang am Ende des Comics hat mir sehr gefallen, da ich ihn hilfreich fand. Dieser besteht aus drei Teilen. Der erste Teil enthält die Chronologie des Lebens und Wirkens von Alice Guy mit den wichtigsten Ereignissen rund um die Entwicklung des Kinos (Jahre 1827 bis 1976). Der zweite Teil besteht aus zweiunddreißig Kurzbiografien der wichtigsten Personen in Guys Leben. Zu finden sind hier zum Beispiel die Brüder Auguste und Louis Lumière, Gustave Eiffel, James Russell, Buster Keaton und Charlie Chaplin. Der dritte Teil setzt sich aus Filmografie und Bibliografie zusammen.
Das Artwork zeichnet sich durch seine eindrucksvolle Verwendung von Schwarzweiß-Zeichnungen und subtilen grauen Schattierungen aus. Die Schwarzweiß-Darstellung ermöglicht es, Kontraste zu betonen und die Aufmerksamkeit der Leserschaft auf wichtige Details und Momente zu lenken. Ein herausragendes Merkmal des Comics ist, dass die Kapitel stets durch die Abbildung des Gebäudes (Haus, Schule etc.), in dem die Handlung des jeweiligen Kapitels verankert ist, abgetrennt werden. Dies bietet einen klaren Rahmen für die Handlung und macht nochmal auf den zentralen Ort des Geschehens aufmerksam.
Fazit: Die Comic-Biografie von Catel Muller und José-Louis Bocquet ist eine inspirierende Hommage an Alice Guy. Der vorliegende Comic bietet die Möglichkeit, die Filmgeschichte neu zu erkunden und das Vermächtnis von Frauen wie Alice Guy wiederzuentdecken. Empfehlenswert ist der Comic besonders für alle, die sich für die Geschichte des Films und die Geschichte der Frauen in der Kunst und Kultur interessieren. Alle, die gerne Comics über historische Persönlichkeiten lesen, sind hier ebenfalls richtig.