Cover des Buches Geschichte der Belagerung von Lissabon (ISBN: 9783499223075)
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Rezension zu Geschichte der Belagerung von Lissabon von José Saramago

JaNeinJein

von franzzi vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Eine doppelte Liebesgeschichte, eine tatsächliche und eine zur Stadt Lissabon. Saramagos Sprache ist beeindruckend, die Story weniger.

Rezension

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franzzivor 10 Jahren
Der bessere Klappentext: José Saramago schreibt ungemein wunderbar. Dieses Mal über die Folgen, die ein Nein an der Stelle eines Jas haben kann - in einer historischen Quelle wie im echten Leben. Sein Held spielt das alte Gedankenspiel: "Was wäre, wenn...?". Diesen Roman umschleicht allerdings auch das Gedankenspiel: "Was wäre, wenn José Saramago seine Geschichte nicht so kaugummiesk in die Länge gezogen hätte?"

Worum es geht: Der Titel ist tatsächlich Programm. Es geht um die Geschichte der Belagerung von Lissabon. Genau genommen, um zwei Geschichten der Belagerung von Lissabon. Einst gehörte Lissabon den Mauren und die (späteren) Portugiesen wollten das mit Hilfe der Kreuzritter ändern. Sie überreden die Kreuzritter zu einem Ja. Das schreibt ein Historiker auf, und ein Lektor namens Raimundo Silva, Saramagos Held, korrigiert es. Sowohl das Buch, als auch das Ja. Aus einem plötzlichen Impuls heraus fügt er ein nicht ein, wo keines hingehört und verweigert den Eroberungswilligen so nachträglich die kreuzritterliche Hilfe. Als der Verlag diese Manipulation entdeckt, sind alle entsetzt. Alle, bis auf die neue Lektorenbetreuerin Maria Sara. Die möchte jetzt nicht nur den eigenbrötlerischen wie belesenen Silva kennenlernen, sondern auch dessen alternative Geschichte der Belagerung von Lissabon. Eine Liebesgeschichte beginnt, naja, oder sie lässt sich lange erahnen, ehe sie dann irgendwann beginnt zu beginnen.

Worum es wirklich geht: Saramago verwebt mehrere Liebesgeschichten. Die von ihm erdichtete zwischen dem Lektor und seiner Vorgesetzten, die der Portugiesen zu ihrer Hauptstadt und die vom Lektor erdachte zwischen einem Soldaten und einer Rittersgespielin. Dazwischen verwebt er Überlegungen und Denkanstöße zur Manipulierbarkeit allen menschlichen Wissens und zur Glaubwürdigkeit historischer Quellen - wie viele Raimundo Silvas hat es in der Weltgeschichte wohl gegeben? Klingt nach einer schönen Mischung, nicht wahr? Eigentlich. Zumal José Saramago in seiner "Stadt der Blinden" gezeigt hat, was sein eigentümlicher Schreibstil vermag, der mit den vielen Einschüben, der mit den vielen Kommas und den wenigen Punkten, der ohne direkte Sprecherzuordnung im Dialog. Er erzeugt mitreißende Dynamik, dieser Stil, er macht das Lesen so schnell und durcheinander, wie das Leben mitunter ist. Dachte ich. Doch diese Geschichte beweist: Auch ein atemloser Schreibstil übertüncht eine unentschlossen plätschernde Geschichte nicht. Die Poesie rettet den Leser zum Ende des Buchdeckels, aber sie rettet nicht das wohlige Gefühl, das sich beim Lesen kluger und eigenwilliger Bücher so oft einstellt. Schade.

Wie es klingt: "Nur gemach, wie Maria Sara sagen, in ein Jahr paßt nicht mehr hinein als in eine Minute, nur weil es Jahr und Minute sind, entscheidend ist nicht die Größe des Gefäßes, sondern was ein jeglicher von uns da hineingeben kann, mag einiges auch überlaufen und verlorengehen." (382)

Mehr Zitate habe ich, wie so oft, in der Lesechronik gesammelt: http://www.lovelybooks.de/bibliothek/franzzi/lesestatus/1110082599/
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