Josef Foschepoth

 4 Sterne bei 2 Bewertungen

Lebenslauf

Prof. Dr. Josef Foschepoth, früher Universität Freiburg, ist Historiker und Publizist. 2012 erschien sein aufsehenerregendes Buch »Überwachtes Deutschland«, das inzwischen in der 5. Auflage und in zwei Sonderauflagen erschienen ist.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Josef Foschepoth

Cover des Buches Überwachtes Deutschland (ISBN: 9783525300411)

Überwachtes Deutschland

 (2)
Erschienen am 01.10.2012

Neue Rezensionen zu Josef Foschepoth

Cover des Buches Überwachtes Deutschland (ISBN: 9783525300411)
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Rezension zu "Überwachtes Deutschland" von Josef Foschepoth

Mehr Staat wagen (SPD 1968)
sabistebvor 11 Jahren

Gegenstand dieses Buches ist die Politikgeschichte, die Geschichte des Staates, insbesondere der Exekutive, konkret der Bundesregierung auf dem Politikfeld der inneren und äußeren Sicherheit am Beispiel der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1989. (S. 10) Aufgrund einer Sondergenehmigung durch das Bundesministerium des Innern wurde, nach erfolgter Sicherheitsüberprüfung durch den Verfassungsschutz, tatsächlich möglich, was zunächst nicht möglich zu sein schien. Der Autor bekam weitgehend ungehinderten Zugang zu den VS-Akten der Bundesregierung, mit Ausnahme der Akten der Geheimdienste (S. 13)

Im Sommer 1963 [griffen die Leitmedien] den Staat erneut scharf an, als durch Indiskretionen bekannt wurde, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz seit Jahren Telefone von Bundesbürgern abhören und deren Postsendungen öffnen ließ. Zur Umgehung des Grundgesetzes, das die Unverletzlichkeit des Post- und Telefongeheimnisses garantierte, bedienten sich die Verfassungsschützer der Alliierten, die aufgrund von weiter geltendem Besatzungsrecht an deutsches Recht nicht gebunden waren. Worin bestand der eigentliche Skandal? Im Abhören des Verfassungsschutzes?[…] In der Ausnutzung alliierter Vorbehaltsrechte zur Umgehung des Grundgesetzes? […] Als der für den Verfassungsschutz zuständige Bundesminister des Innern, Hermann Höcherl, von all dem nichts wusste oder nichts wissen wollte und kurz darauf, nach Beratung mit seinen Spitzenbeamten, alles »absolut rechtens fand, hatte die Bundesrepublik eine neue Affäre, die »Abhöraffäre« (S. 120)“.
Die Überwachung des deutsch-deutschen Postverkehrs und von im lnland aufgegebenen Postsendungen durch den eigenen Staat wurde bewusst heruntergespielt, verneint oder sogar strikt geleugnet. (S. 11)

Das kommt einem irgendwie bekannt vor. Ersetzt man „Indiskretion“ mit Edward Snowden, Sommer 1963 mit Sommer 2013 und Hermann Höcherl mit Angela Merkel, könnte dieser Abschnitt so heute in jeder Zeitung stehen. Was ist passiert? Wie kann es sein, dass sich die Geschichte 50 Jahre Später 1:1 wiederholt mit dem kleinen Unterschied, dass das Maß der Abhöraktionen seitdem exponentiell gestiegen ist?
Heißt es nicht: „Die Grundrechte stehen […] über dem Staat und sind unmittelbar geltendes Recht, das alle drei Gewalten bindet. Aufgrund ihres vorstaatlichen und überpositiven Charakters dürfen und können sie durch keine Verfassungsänderung abgeschafft werden. (S. 11)“

Die Realität sieht leider anders aus: „Der Staatsschutz, so die Begründung, sei ein höherwertiges Rechtsgut als das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Post- und Fernmeldegeheimnisses.“ (S. 9) Aus Siegerrecht wurde Besatzungsrecht, aus Besatzungsrecht wurde Vorbehaltsrecht, aus Vorbehaltsrecht wurde deutsches Recht und gesetzliche Verpflichtung der Bundesregierung, den Post- und Fernmeldeverkehr in der Bundesrepublik durch individuelle und allgemeine Überwachungsmaßnahmen auf Wunsch und im Interesse der Alliierten zu überwachen. (S. 196)

Natürlich hat man dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt:

„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum G 10-Gesetz war ein Urteil, das in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte deutlich hinter frühere Entscheidungen desselben Gerichts zurückfiel, indem es nicht mehr die Grundrechte als »höchstes Rechtsgut«, sondern den Staatsschutz als »überragendes Rechtsgut« definierte, »zu dessen wirksamem Schutz Grundrechte, soweit unbedingt erforderlich, eingeschränkt werden können« (S. 199)
Noch zweimal war die G10-Gesetzgebung Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. 1978 wurde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, 1984 erneut das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen (S. 206)

Gebracht hat es letztendlich nichts.

Im Gegenteil, die Bundesregierung war/ist jetzt neben der Zusatzvereinbarung zum NATO-Truppenstatut auch durch das G 10-Gesetz und eine geheime Zusatzvereinbarung, die hier [in diesem Buch] erstmals veröffentlicht wird, weiterhin verpflichtet, die Überwachungswünsche der alliierten Nachrichtendienste so weit wie möglich zu erfüllen. (S. 15)

Haben die Drei Mächte auf ihre über das Besatzungsrecht, das Vorbehaltsrecht, das Vertragsrecht, das deutsche Recht und Verfassungsrecht immer wieder fortgeschriebenen Rechte zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs bei den Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen verzichtet? […] Nein. Die geheime Zusatzvereinbarung zur Ausführung des G 10-Gesetzes von 1968 zwischen den drei Westmächten und der Bundesregierung wurde nicht aufgehoben, sondern blieb weiterhin in Kraft. (S. 17)
Bis heute weigern sich das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst, Quellen für eine nicht in ihrem Auftrag durchgeführte historische Forschung freizugeben.
(S. 16)
Was war dies für ein Staat, der dem Aufbau eines starken Staates höchste Priorität einräumte und den Staatsschutz gegenüber den Grundrechten als höherwertiges Rechtsgut definierte? (S. 17)

Und es wird noch schlimmer:

Nach dem »Secret Memorandum« sollten Mitarbeiter und Informanten westlicher Geheimdienste vor einer Strafverfolgung durch deutsche Behörden geschützt und Mitglieder gegnerischer Geheimdienste oder Personen, die eine Bedrohung für die Sicherheit der Stationierungsstreitkräfte darstellten, möglichst schnell den Alliierten übergeben werden. (S. 45)

Der hohe Anteil der Fernschreibleitungen in das westliche Ausland zeigt, dass die Amerikaner nicht nur die Feinde, sondern auch die Freunde überwachten und nicht nur an politischen und militärischen, sondern auch an wirtschaftlichen Informationen interessiert waren.
(S. 55)

Die konstante Weigerung der amerikanischen Behörden, ihre Überwachungen zu beschränken oder gar zu reduzieren, machte daher den Westdeutschen besonders »große Sorgen« […]Politiker protestierten und betonten, die alliierte Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (S. 57) 7. Mai 1958 […]. Die USA bestanden darauf, auch weiterhin internationale Durchgangsleitungen zwischen Ost- und Westeuropa, zwischen der Bundesrepublik und dem Westen Europas sowie bestimmte Leitungen in der Bundesrepublik zu strategischen Zwecken allgemein überwachen zu können. (S. 60)

Und das tun sie noch immer!

Es ist jedoch nicht so, dass man nun der NSA den Schwarzen Peter zustecken kann. Das ist alles so gewollt. Die Bundesregierung kann das Volk nicht selber aushorchen. Die Politiker, allen voran erneut die SPD (welche Überraschung), haben immer darauf beharrt, dass die Vorbehaltsrechte erhalten bleiben, um auf Basis der Ausnutzung alliierter Vorbehaltsrechte das Grundgesetz zu umgehen (S. 120). Unsere Regierung hat uns verraten, schon immer und auch diesmal werden sie keinen Finger rühren, diese Verträge endlich aufzukündigen, weil sie das nicht wollen! Weil diese Konstrukte in ihrem Interesse bzw. dem der Geheimdienste ist. Die sitzen das aus wie 1963. Scheigen, leugnen und abwiegeln. Dafür hat Snowden sein Leben riskiert.
Deutschland ist ein Vasallenstaat der USA, wie die DDR ein Vasallenstaat der UDSSR war, aber Deutschland, bzw. die BRD, war es freiwillig! Der Vergleich der Bespitzelung Ost und West ist schockierend. Die Wahrscheinlichkeit in der DDR unbelauscht zu telefonieren war deutlich größer als in der BRD, weil es der Stasi einfach an Geld und Technologie fehlte. Der Ostblock spielte, wie es bei Schachspielern üblich ist, mit offenen Karten. Man wusste, man wird bespitzelt und konnte Vorkehrungen treffen. Der Westen mit seiner Pokermentalität verschwieg sogar das, leugnete es und log und lügt den Bürgern weiterhin frech ins Gesicht. Wenn die DDR als Überwachungsstaat gilt, was bitte ist dann die BRD gewesen und was ist Deutschland heute?
Das Buch raubt einem sämtliche Illusionen. Es ist tatsächlich rechtens, dass der BND jeden einzelnen von uns täglich bespitzelt und das bereits seit dem Ende des zweiten Weltkriegs. Wir wissen es nun und können uns schützen, so wie früher die Bürger der DDR. Wer darauf hofft, dass der deutsche Staat seine Bürger schützen wird, ist verloren. Es bleibt nur eines: verschlüsseln (was wenn es ernst wird nutzlos ist, weil alle Betriebssysteme Lücken für die Geheimdienste haben), von Hand schreiben und persönlich übergeben, bar zahlen, sich anonyme Sim Karten übers Netz besorgen und falsche Informationen streuen. Dem Staat kann und konnte man nie trauen und das wird sich auch nach den Snowden Enthüllungen nicht ändern. Das Leben in der DDR war bis auf die Reisebeschränkungen, was Bespitzelungen angeht anscheinend freier als jenes in der BRD, eine schockierende und extrem ernüchternde Erkenntnis. Das in Kombination mit den Theorien in Schirrmachers Ego und man kann nur noch empfehlen sich dem System wo nur möglich zu entziehen.

Kleine Kritik am Rande, für die ich, wenn der Inhalt nicht so brisant und teils wirklich neu und aktuelle wäre, einen Punkt abziehen würde. Der Autor wiederholt sich häufig. Wenn man das Buch an einem Stück liest, nervt dieses ständige Wiederkäuen, das wohl den Lerneffekt verbessern soll, ungemein. Da das Buch jedoch höchstwahrscheinlich als Begleitlektüre für die entsprechende Vorlesung an der Uni Freiburg gedacht ist, und die Kapitel somit auch autark funktionieren müssen, ohne dass man die Informationen der vorherigen Kapitel kennt, ist das verschmerzbar.

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