Rezension
ChiefCvor 14 Jahren
Der Titel ist Programm und das Buch genauso gut und packend geschrieben wie Ferdinand von Schirachs "Verbrechen." Nur dass von Schirach schier unfassbare Kriminalälle als Strafverteidiger erlebt und geschildert hat und Wilfling als langjähriger Leiter der Münchner Mordkommission. Unter anderem hat er die Morde am Schauspieler Sedlmayr und am Modeguru Moshammer aufgeklärt. Von diesen, in wohl allen Details bereits aus den Medien bekannten, Fällen schreibt er nichts. Doch die geschilderten "Abgründe" sind mindestens genauso interessant - aber auch sehr erschreckend. Jeden Tatort-Drehbuchschreiber würde man der Übertreibung bezichtigen, wenn er sich solche Plots ausdächte. Wilflings Buch überzeugt durch eine klaren, unpathetischen Stil, der aber durchaus nicht frei ist von persönlichen Emotionen und Selbstreflexionen. Das macht das Buch bei allem Horror auch menschlich. So hadert Wilfling nicht nur zwischen den Zeilen immer wieder sowohl mit der Justiz als auch mit psychiatrischen Gutachtern. Er ist ebenso wie der "normale" Bürger fassungslos, wenn ein seit Jahren auffälliger Gewalttäter selbst im Wiederholungsfall noch nach Jugendstrafrecht verurteilt wird und schließlich auch noch für die Tötung eines Menschen aus reiner Mordlust mit zehn Jahren davonkommt. Offen übt der pensionierte Beamte auch Kritik an dem unzureichenden juristischen Instrument der nachträglichen Sicherungsverwahrung. Die jüngsten Vorfälle, die vom Europäischen Gerichtshof augrund gesetzlicher Lücken erzwungenen Freilassungen gefährlicher Straftäter, geben ihm leider Recht.