Rezension
Thailavor 14 Jahren
Josef Winkler hat sich in seiner Novelle "Natura morta" ein großes Thema gewählt: Tod und Vergänglichkeit. Diesem Thema nähert er sich über das Alltägliche einer Straßenszene. Mittelpunkt des Textes ist ein Markt in Rom, der mit einer überbordenen Sinnlichkeit beschrieben wird. Vorallem die Fleisch- und Fischstände, die Akte des Ausnehmens und Zertrennen werden in aller Ausführlichkeit beschrieben. Verwesung und Sterben von Nahrung zieht sich als Leitmotiv durch die Novelle. Und so beschleicht den Leser zunehmend der Verdacht, dass auch der Mensch in diesem Text nur Fleisch ist, dessen Sterben unvermeidlich ist. Ebenso kaltblütig wie die abgezogenen Hasen und Schafsköpfe beschrieben werden, nähert der Autor sich der Leiche eines verunglückten Jungen. Und so sind die Figuren auch nur Schatten, die durch den Text ziehen, ohne wirkliche Spuren zu hinterlassen. "Natura Morta" ist in jedem Fall eine intensive Lektüre. Winklers Verschränkung des Alltäglichen mit den großen Themen des Lebens, seine sinnlichen Beschreibung, das ist große Kunst - aber ein Lesegenuß war dieses Buch für mich nicht. Und so schwankt mein Eindruck auch im Nachhinein zwischen Ekel und Faszination.