Das Grauen, das Grauen!
von Gulan
Kurzmeinung: Eine Flussfahrt auf dem Kongo: Klassiker über die Abgründe des Kolonialismus und der menschlichen Seele.
Rezension
Joseph Conrad veröffentlichte diese Novelle bereits im Jahre 1899. Sie hat im Laufe der Zeit zahlreiche Personen inspiriert, u.a. auch Francis Ford Coppola für seinen Film „Apocalypse Now“. Die Geschichte ist eingebettet in eine Rahmenhandlung, in der der Kapitän Marlow einer Bootsbesatzung auf der Themse diese Geschichte aus seinem Leben erzählt. Conrad erzählt in seiner Geschichte die Praktiken des Kolonialismus und kritisiert diese deutlich. Er lehnt jedoch nicht den Kolonialismus und dessen Ziel der Verbreitung der Zivilisation an sich ab, sondern die vorhandene Praxis von Ausbeutung und Unterdrückung. Daneben hat das Buch auch eine psychologische Komponente, die Reise in die Tiefe des Urwalds ist zugleich ein Blick in die Tiefe der menschlichen Seele. Sprachlich ist das Buch durchaus anspruchsvoll. Mehrfach war mir nicht klar, ob sich bestimmte Szenen tatsächlich abspielen oder nur in Marlows Unterbewusstsein.
Die beiden Hauptfiguren sind der Kapitän Marlow und der Stationsleiter Kurtz. Marlow ist ein ehrlicher und etwas biederer Mann, der aus Abenteuerlust das Engagement in Afrika annimmt. Er lehnt die Gier nach Elfenbein und die damit verbundene Unterdrückung der Einheimischen und Intrigen zwischen den Kolonialisten ab. Seitdem er zum ersten Mal von Kurtz hört, der als äußerst begabte, aber auch verschlagene Persönlichkeit beschrieben wird, übt dieser eine große Faszination auf ihn aus. Lange Zeit wird im Buch nur über Kurtz gesprochen, er wird zu einer Art Mythos, was sich während der Reise durch den unwirtlichen Urwald noch verstärkt. Als der Dampfer schließlich Kurtz' Station erreicht, wird schnell klar, dass Kurtz sich zum gewalttätigen Herrscher über die Eingeborenen gemacht und mit ihrer Hilfe Raubzüge nach Elfenbein durchgeführt hat. Nun finden sie ihn aber todkrank mit schwerem Fieber vor. Trotzdem ist die Situation an der entlegenen Station sehr angespannt und undurchsichtig. Der innere Konflikt von Marlow kommt hier nochmal deutlich zum Vorschein, der zwischen Faszination von Kurtz starker Persönlichkeit und Abscheu von dessen Rücksichtslosigkeit und Brutalität schwankt.
Ein wirklich interessanter Klassiker über die Abgründe des Kolonialismus und der menschlichen Psyche. Besonders der Mittelteil mit der Flussfahrt in den Urwald in gespenstischer, mysteriöser Atmosphäre hat mir gut gefallen.