Dieses Buch hätte ich glatt für eine noch sehr frühe Entwicklung des Autors gehalten, in der sich sein eigentlich sehr blumiger Erzählstil quasi noch in der Anfangsphase befindet. Dem ist jedoch nicht so, eher gehört es schon zu den letzten Lebenszeichen des Autors. Ich persönlich habe besonders die wunderbar bildhaften Vergleiche, wie Roth sie in "Radetskymarsch" gleichsam auf die Seiten gemalt hat, vermisst. Zwar kommen sie vor, allerdings spärlich gesät. Golubtschik, der Protagonist und vermeintliche Mörder, entzaubert sich und seinen Lebenswandel als Spion des Zaren in einer einzigen, atemlosen Nacht selbst. Sein Charakter ist schwierig und baut sich aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus auf, das er sich als Kuckukskind eines Fürsten im Grunde selbst auferlegt. Dementsprechend konstruiert wirkt sein weiterer Werdegang, Rachegedanken sind im Prinzip sein einziger Antrieb. Die Lektüre gestaltet sich mitunter anstrengend und am Ende ist man als LeserIn vermutlich froh, dass das Werk nicht mehr Seiten umfasst. Interessant ist der Einblick in eine Epoche der Veränderung, doch die Identifizierung mit dem Protagonisten oder dem Erzähler ist nicht darauf angelegt, zu gefallen.
Joseph Roth
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Die Legende vom heiligen Trinker
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Beichte eines Mörders
Das falsche Gewicht. Die Geschichte eines Eichmeisters
Neue Rezensionen zu Joseph Roth
Die junge Adelsdynastie der Trotters, die mit der Schlacht von Solferino beginnt, ist unausweichlich mit dem Schicksal Franz Josefs verbunden und immer wieder kreuzen sich deren Wege. Joseph Roths Epos kongenial eingelesen von Werner Kreindl, ist ein Historiengemälde in Worten. Roth hat einmal ausgedrückt, dass er zu seinen Büchern eine bestimmte Musik im Kopf hat, sozusagen einen Rhythmus, der die Erzähluing trägt. Nicht anders ist es zu erklären, dass die LeserInnen (in diesem Falle ich) von Stimme und Text sinnbildlich auf die Schultern genommen werden und durch die auslaufende Kaiserzeit marschieren, allerdings ohne den Pathos, der dieser Zeit gemeinhin anhängt. Ich fürchte, dass sich moderne Leser auf ein Stück wie dieses kaum noch einlassen, da die Umschreibungen des Autors oft sehr weitschweifig werden. Dabei ist es gerade diese Wortakkrobatik, die das Lesevergnügen, bzw. Hörvergnügen dieses Buches ausmacht. Die drei unterschiedlichen Generationen der Trotters sind fantastisch eingebettet in ihre Umwelt und deren Umbruch. Dass der Kaiser in alle drei Lebensläufe eingreift und umgekehrt der Werdegang der Familie Einfluss auf ihn zu haben scheint, ist der heimliche Höhepunkt der Saga.
Im Anhang des Buches wird die These aufgestellt, das Buch sei seinerzeit ein so großer Erfolg gewesen, da die LeserInnen erleichtert waren, dass sich das Ende doch noch als "happy end" herausstellt. Natürlich gibt es auch eine gegenläufige Meinung aber als Literatur-Laie möchte ich mich der erstgenannten These gerne anschließen. Zum einen ist Joseph Roths Werk von Beginn an durchzogen von einer Schwermut, die ein Verlag heutigen Lesern und Leserinnen wohl in dieser Form selten noch zumutet. Mendel Singer ist ein schwieriger Charakter, ebenso seine Frau Deborah. Ihre drei gesunden Kinder sind gefangen in einer sehr bigotten, kleingeistigen Umgebung und es ist klar, dass sie ihr entfliehen wollen oder werden. Menuchim, das vierte Kind, scheint behindert auf die Welt gekommen zu sein, was für die tiefgläubigen Eltern als Strafe Gottes empfunden wird. Entsprechend fällt die Behandlung ihres Sohnes aus, obgleich Vater und Mutter eine gewisse Liebe empfinden, die auf der Hoffnung gründet, Menuchim könnte doch noch gesunden. Wie im biblischen Original verliert der Protagonist Mendel alles, einschließlich seines Glaubens. Sowohl Mendel als auch die LeserInnen gelangen an einen Tiefpunkt. Dann geschieht das erleichternde Wunder: Menuchim erscheint vollständig genesen und als berühmter Komponist und Dirigent auf der Bildfläche. Man spürt förmlich, dass ab hier alles wieder ins Lot kommt, doch genau an dieser Stelle beendet Roth sein Buch, das Ende - offen. Trotzdem glänzt sein Werk gerade durch eine ungeheuer sprachgewaltige Bilderflut, die seinesgleichen sucht. Der Autor hat selbst einmal geschrieben, dass er bei Verfassen einem musikalischen Thema gefolgt ist und genau das spürt man auch beim Lesen.
Gespräche aus der Community
Ab 5. Februar 2024 lesen wir - jede/r mit eigenem Exemplar - Joseph Roths bekanntesten Roman
Ich glaube, ich habe noch nie so ein tief trauriges Buch gelesen.
Ja mir fällt spontan jetzt auch nicht unbedingt ein anderes derartig trauriges Buch ein. Da Stimme ich dir zu.
Ab 5. Januar 2024 lesen wir gemeinsam - jede/r mit eigenem Exemplar - Joseph Roths kurzen Roman.
Es gibt ja noch dir vermögenden Gäste in den unteren Etagen! Da hatte ich such von einigen den Eindruck,.dass sie schon lange dort wohnen.
Zusätzliche Informationen
Joseph Roth wurde am 01. September 1884 in Brody (Österreich) geboren.
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