Cover des Buches Mein Bruder schiebt sein Ende auf (ISBN: 9783852187594)
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Rezension zu Mein Bruder schiebt sein Ende auf von Joseph Zoderer

Zwei Erzählungen

von Buchwurmchaos vor 11 Jahren

Rezension

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Buchwurmchaosvor 11 Jahren
"Mein Bruder schiebt sein Ende auf" ist mein Erstkontakt mit dem Autor Joseph Zoderer.
Das sehr schön gestaltete Büchlein mit den beiden Erzählungen aus dem Hause Haymon hat mir ausgesprochen gut gefallen.
Sehr feinsinnig, ruhig, sensibel und manchmal fast melancholisch setzt sich der Autor mit einem Thema auseinander, das uns alle betrifft: Dem Abschiednehmen, dem Tod.
In der ersten Erzählung steht ein "lebenslänglicher" Freund vor den Hinterlassenschaften seines engsten und besten Freundes. Seit dem Studium hatten beide mal sehr engen, mal lockeren Kontakt, der aber nie abriss. Und jetzt ist das Ende der Freundschaft durch den Tod herbeigezwungen und mehr oder minder entsetzt fragt sich der verbliebene Freund, wie gut er den Verstorbenen überhaupt kannte. Wie sehr kann man befreundet sein und sich dennoch fremd bleiben? Wie kommt es, dass man bei allen wichtigen Ereignissen teil hat, aber den inneren Menschen offensichtlich niemals kennenlernte, ihm niemals nahe kam? Hätte man hier und da auf eine engere Bindung drängen sollen? Wie kann es sein, dass man sich so oft austauschte, aber über Wesentliches nicht sprach?
Der Leser steht aussen vor und wird gezwungen als Voyeur auf die Trümmer eines Lebens und einer Freundschaft zu blicken, das Lebensglück in Frage zu stellen, den Sinn der engen Freundschaft zu hinterfragen. Eine tiefe Traurigkeit machte sich bei mir bemerkbar, bleiben Freunde doch immer auch Fremde?
In der zweiten Erzählung hat der endgültige Abschied noch nicht stattgefunden, denn der Bruder schiebt sein Ende auf. Nichtsdestotrotz fühlt man sich als Leser hilflos der wachsenden Gewissheit ausgesetzt, dass der Abschied kommt, kommen wird und man vieles, was der Bleibende danach bedauert eben doch nicht zuvor erledigen kann.
Die Geschichte handelt von 2 Brüdern mit einem Altersunterschied von 10 Jahren. Der Ältere hat die Zeit als junger Mann im Krieg verbracht, das Aufwachsen des jüngeren Bruders gar nicht recht mitverfolgt, und heute, im Alter ist es der jüngere, fittere und gesündere Bruder, der verzweifelt versucht, die Erlebnisse des Älteren zu verarbeiten. Er ist es, der mit dem Nachlassen der Organfunktionen, mit der "Schuld", die man während des Lebens auf sich lädt, mit dem Verpassen des Lebensglücks hadert.
Diese kleine Buch reisst den Leser mit Vollbremsung aus dem stressigen Alltag und führt uns vor Augen, dass das Leben seinen Ablauf geht, egal, ob wir die Zeit für uns oder miteinander nutzen. Mich hat es in sehr melancholische Stimmung versetzt, nicht unglücklich, aber eben nachdenklich zurückgelassen.
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