Rezension zu "Murr" von Josephine Mark
Murphy, genannt Murr, ist ein Schurke durch und durch. Schon als Kind ist er ein fieser Typ, klaut Kekse, ärgert Tiere und verprügelt seine Mitschüler. So ist es nicht verwunderlich, dass seine Berufsempfehlung Bandit lautet und er zwanzig Jahre später als gefürchteter Verbrecher sein Unwesen treibt. Schießereien, Betrug, eine Affäre mit der Frau des Sheriffs – Murr lässt nichts anbrennen, kennt keine Skrupel, keine Reue, keine Angst. Sein Leben ändert sich schlagartig, als er eines Tages am Galgen landet und dem Tod höchstpersönlich gegenübersteht. Der Strick reißt, Murr überlebt, aber der Sensemann verfolgt ihn von da an bei all seinen Übeltaten. Der einst unerschrockene Revolverheld bekommt es mit der Angst zu tun und lässt sich schließlich auf einen Deal mit dem Knochenmann ein: Er verliert seine Furcht vor dem Sterben und bekommt dafür die Liebe…Doch diese hat einen Haken.
Es handelt sich hierbei um eine überarbeitete und ergänzte Neuausgabe, deren Vorgängerversion Anfang 2023 im Zwerchfall Verlag erschienen ist. Da ich Josephine Mark vor kurzem für mich entdeckt habe und schon immer eine Schwäche für das Western-Setting hatte, war ich auf „Murr“ sehr gespannt. Und ich wurde nicht enttäuscht!
Josephine Mark hat mit ihrem Comicdebüt eine einzigartige Western-Parodie erschaffen, die gleichermaßen lustig wie tiefgründig ist und alles ohne Umschweife auf den Punkt bringt. Mit viel schwarzem Humor und wunderbarer Leichtigkeit erzählt die deutsche Comic-Künstlerin darin vom Tod, Abschiednehmen und Loslassen, von Freundschaft und Zuneigung.
Schon bei einem genauen Blick aufs Cover, spätestens aber nach den ersten paar Seiten wird einem klar, dass man es hier keineswegs mit einem gerechtigkeitsliebenden und fröhlichen Revolverhelden à la Lucky Luke zu tun bekommt.
Murr, der Protagonist in diesem Comic, macht seinem Namen alle Ehre. Bereits als Baby ist er ein mürrischer Geselle und es ist früh absehbar, dass er auf die schiefe Bahn geraten wird. Grimmig, gewissenlos und eiskalt – das ist Murr. Als sympathisch kann man ihn anfangs wahrlich nicht bezeichnen, doch je weiter die Handlung voranschreitet, desto mehr erwärmt man sich für ihn.
Durch seine schicksalhafte Begegnung mit dem Tod wird sich Murr sehr verändern, er wird neue Gefühle in sich entdecken und damit beginnen, mit einer völlig anderen Art durch die Welt zu gehen. Es macht Spaß seine Entwicklung mitzuverfolgen, die sowohl von köstlichen Szenen und Dialogen als auch berührenden Momenten begleitet wird. Und deren grafische Veranschaulichung eine echte Meisterleistung ist.
Das Artwork von Josephine Mark ist wirklich großartig und sehr erfrischend. Ihre Zeichnungen sind schlicht, aber ausdrucksstark und auch bei der Farbwahl gilt: Weniger ist oft mehr. Hier sitzt jeder Strich und jedes Panel: Text ist dabei oft gar nicht vonnöten. Besonders faszinierend sind die Gesichtsausdrücke der Figuren. Mit nur einer schwungvollen Linie wird Murrs griesgrämige Miene gekonnt dargestellt und obwohl der Sensemann nur ein Totenschädel mit Augenlöchern ist, gelingt es ihm Gefühle auszudrücken, was einfach herrlich anzusehen ist.
Fazit: Galgenhumor trifft auf ernste Themen oder: Ein Bandit ohne Furcht und Skrupel lernt das Fürchten und erkennt, worauf es im Leben wirklich ankommt. „Murr“ ist ein kurios-grandioser Western-Comic ab 12 Jahren, der fasziniert, berührt und einen zum Schmunzeln und Nachdenken bringt. Witzig, klug und voller Kreativität und Tiefgang. Ein außergewöhnliches Lesevergnügen – nicht nur für Western-Fans! Ich bin begeistert von dem, was Josephine Mark hier geschaffen hat, ich kann „Murr“ nur empfehlen. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen!