Cover des Buches Die Verfluchten (ISBN: 9783100540218)
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Rezension zu Die Verfluchten von Joyce Carol Oates

Die verfluchten Snobs

von CorinnaSmiles vor 9 Jahren

Rezension

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CorinnaSmilesvor 9 Jahren

Vielleicht täuscht der Eindruck, dass dieser grandiose Roman von J. C. Oates in der (virtuellen) Leser- bzw. Rezensentengemeinschaft bislang zu wenig Aufmerksamkeit erlangt hat. Es ist zugegeben ein seltsames Buch, das eine „Aufwärmphase“ braucht. Dann besteht aber eine gute Chance, es mit viel Begeisterung über seine bizarre Geschichte, die intelligenten Bezüge zur „realen“ Welt und geschickten Querverweise innerhalb der erzählten Geschichte zu verschlingen.

Wir befinden uns in den Jahren 1905/1906 inmitten der elitären Gesellschaft von Princeton, New Jersey – im Dunstkreis der berühmten Universität. Ein „Chronist“ erzählt uns von den obskuren Ereignissen, die in jenen Jahren die Gemeinde heimsuchen, den sog. „Fluch von Princeton“.

Die Geschichte der „Verfluchten“ wird auf drei Ebenen erzählt. Da sind zunächst die zahlreichen historischen Bezüge: Woodrow Wilson ist noch nicht US-, sondern Präsident der hiesigen Universität und befindet sich im Nerven aufreibenden Kleinkrieg sowohl gegen seine Feinde als auch gegen seinen eigenen kränklichen Körper. Da sind u. a. Upton Sinclair, der sich am Vorabend der sozialistischen Revolution wähnt, und Jack London, dem der schnelle Erfolg seiner Abenteurerromane zu Kopf steigt.

So viel zum Realitätsbezug des Romans. Dem gegenüber steht eine Gothic Novel mit Vampiren, Dämonen und unheimlichen Geistererscheinungen, die für Schauer sorgen und in das behagliche Leben der Bewohner Princetons eingreifen. Insider-Tipp: Die – vergleichsweise leider etwas zu kurz geratenen – Darstellungen des „Reiches der Sümpfe“ sind so abstoßend, widerwärtig und gleichzeitig unfassbar spannend, dass sie zu den eindringlichsten Bildern gehören, die mir seit langem vor meine inneren Augen kamen.

Und letztendlich die 3., die gesellschaftliche Ebene. Reich, politisch/gesellschaftlich einflussreich und sittentreu ist dieser kleine Kreis (befreundeter oder eher missgünstiger) Paare und Familien, die nur wenige Meter voneinander entfernt in den beschaulichen Straßen Princetons leben – die Universität als Kaderschmiede einer nachrückenden Elite und die Presbyterianische Kirche in ihrem Zentrum. Die Arroganz dieser „Snobs von Princeton“ begegnet uns hier genauso selbstverständlich wie Rassismus, Frauenhass und religiöse Heuchelei. Denn die Fassade der Tugendhaftigkeit ist dünn und rissig. Haben die „Verfluchten“ ihr Unglück, den Fluch, der sie ereilt, vielleicht selbst hervorgerufen?

Was es mit dem Fluch auf sich hat, ist letztlich nicht einfach zu beantworten; J. C. Oates lässt ihre Leser immer wieder an ihren eigenen Schlussfolgerungen zweifeln. Historische Fakten, persönliche Dramen, Mystik und Schauergeschichte durchweben sich. An einigen Stellen wird Oates dabei etwas langatmig und verliert sich in entrückt detaillierten Beschreibungen, schafft es aber vielleicht gerade hierdurch, dass ihre Leser sich wie Gäste im Princeton des anbrechenden 20. Jahrhunderts fühlen. Absolute Leseempfehlung!

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