Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wächst Jemmy bei seiner mit ihren Liebschaften recht freizügigen Mutter in Holland auf. Sie ist eine englische Exilantin, genauso wie der junge Mann, der eigentlich Charles II. sein müsste - Jemmys Vater, der König. Was das tatsächlich bedeutet, wird ihm erst klar, als ihn sein Vater zu seiner Großmutter Henrietta Maria an den französischen Hof bringt - und als Charles schließlich den englischen Thron besteigt. Jemmy wächst als anerkannter unehelicher Sohn des Königs heran und erlebt die guten und die schwierigen Zeiten seines Vaters mit. Jemmy liebt ihn - aber je älter er wird, desto mehr wird ihm sein Zwischendasein zum Problem: ein Bastard, aber geehrt und bevorzugt vom Vater, der mit seiner Ehefrau kinderlos bleibt ... was ist seine Stellung? Kann er womöglich sogar doch zum Thronfolger werden?
Jude Morgan hatte mich ja schon mit "A Little Folly" begeistert, einer Regency-Romanze. Dies hier ist etwas ganz anderes. Aus der Sicht des unehelichen Sohns, der als James Scott, Duke of Monmouth in die Geschichte einging, wird das Leben Charles II. beleuchtet. Jemmy schreibt mit Mitte 30 seine Memoiren, und wer wie ich die Geschichte kennt, weiß schon, was danach passieren wird und hat deshalb die ganze Zeit dieses bedrückende "Nein, tu's nicht"-Gefühl in sich.
Es ist ein eher langsames Buch, eine Erzählung, und Morgan hält sich wirklich genau an die Fakten, während er natürlich auch einiges erfindet, das geht bei einer solch eng an die Figuren gebundenen Erzählweise, die alle möglichen Details benötigt, ja auch gar nicht anders. Aber im Großen und Ganzen ist das in den historisch überlieferten Dingen, so weit ich das beurteilen kann, sehr realistisch. Das kam mir natürlich sehr entgegen.
Im Grunde ist es auch weniger ein typischer historischer Roman, sondern der Versuch einer Charakterstudie real existierender Personen, und das ist Morgan meiner Meinung nach hervorragend gelungen. Charles II., "the merry king", wurde so plastisch und in seiner Persönlichkeit absolut glaubhaft dargestellt, dass ich mir ihn und auch die anderen Personen, besonders natürlich Jemmy/Monmouth, wohl nie wieder anders vorstellen kann.
Ein Beispielzitat aus der Zeit, bevor er wieder König ist:
"No, no. I always strive to find hope", my grandmother insisted. "If France has not been friendly to you, you must remember that she is still in the toils of Mazarin, who is dead to feelings of honour. The heart of France beats with yours, my son."
"It does no such thing, Mam", my father said, gently but firmly enough. "France doesn't have a heart, any more than England or Spain or any other country. That's a pretty sentiment and no more. A kingdom is a large number of human creatures ruled by a few, and those few look out for their own interests. That's all of it."
Oder auch dieses hier, das auch sehr schön illustriert, wie gut Morgan Dinge in Worte und Metaphern fassen kann:
I was learning, as my poor mother never had, that my father was quicksilver. To grasp it hard was to lose it. I must not repeat her mistake. The trouble was, her blood was strong in me. When my father shook my hand on the steps of Colombes, with sleet slanting down and the waiting horses snorting vapour, I know that I gazed at him with all my mother's greedy yearning.
Überhaupt, der Stil. Immer wieder hielt ich inne und freute mich über Gedanken, die so treffend wiedergegeben sind, manchmal hintergründig, über Worte, die einfach stimmen.
Minette's eyes met mine in the looking glass. I noticed then, for the first time perhaps, how different someone we know well looks in a reflection - somehow lopsided: yet beside them we look just ourselves. One must be wrong.
Zudem war es immer wieder auch definitiv lustig bei aller Ernsthaftigkeit - Charles war ein munterer Charakter, jedenfalls nach außen hin, und sein Hof ist ja berühmt für die Offenherzigkeit, die Skandale und die Affären, für Spiel, Musik, Sex und Intrigen. Ich habe noch nicht oft in historischen Romanen so deftige Worte gelesen, die vollkommen ins Milieu passten und nicht aus Effekthascherei dort zu finden sind. Abgesehen davon hat Jemmy ab und zu einen leicht ironischen Blick auf die Welt, so wie hier, auch noch in Frankreich - und gleich danach eine wieder mal sehr gut formulierte Beschreibung:
For the ladies there were chairs - the usual grand-looking, spinetorturing affairs covered in red velvet (my underlying memory of Louis's France is of everything being uncomfortable, and nobody admitting it), one of which was also reserved for Cardinal Mazarin. He needed it, being shockingly aged, yellow and sunken, his expressive hands all terrible veins, like anatomical diagrams of themselves.
Und jetzt höre ich auch auf mit den Zitaten. Aber ohne kann ich nicht so deutlich machen, was mich an diesem Buch so begeistert hat.
Es hat allerdings durchaus auch seine Schwächen - teilweise war es selbst mir etwas zu behäbig, ging zu wenig voran, sondern trat so lange auf der Stelle, dass ich es problemlos beiseite legen konnte. Aber meist kam dann kurz darauf wieder etwas, was mich erneut an die Geschichte fesselte.
Wie gesagt, für jeden ist es sicher nicht geeignet. Wer Action will, ist hier falsch beraten (auch wenn durchaus viel passiert, und einiges davon auch sehr dramatisch ist - aber es wird eben im Rückblick erzählt und nicht im Augenblick erlebt), denn wie gesagt: Im Grunde geht es um eine Charakterstudie von Charles II., und noch mehr um Beziehungen, vor allem natürlich die zwischen Charles und Jemmy mit all ihren Schwierigkeiten. Das fand ich wunderbar eingefangen.
Und über die Herrschaft dieses Königs der "Restauration" nach Cromwell habe ich definitiv auch etliches dazugelernt.