Man kennt das Ende schon zu Anfang. Aber das macht gar nichts, weil!dieses Buch kein Krimi oder Thriller ist.
Theresa Dunn aus New York, Lehrerin, wurde ermordet - von Gary White. Die Polizei hat ihn. Er gesteht. Er brachte sie aus einem relativ nichtigen Anlaß um. Wie konnte es soweit kommen?
Das Buch springt dann zurück, schildert Theresas Biographie. Vom Kindsein bis zum gewaltsamen Tod.
Sie ist schon seelisch geschädigt durch Traumata als sie das College besucht. Naiv oder hungrig nach Liebe und Anerkennung beginnt sie eine vier Jahre währende Affäre mit einem gebundenen, unsympathischen Professor. Er beendet diese dann schlagartig.
Theresa ist durch den Wind, hat kein Glück mit Männern. Dann eben One Night - Stands? Meistens jedenfalls. Sie zieht von Bar zu Bar, um Männer abzuschleppen, bis sie fatalerweise den Falschen mit zu sich nach Hause nimmt ...
Das ist ein sehr gelungenes Psychogramm einer Frau, die ihre Verletzungen durch wahllosen Sex überkompensiert. ( was auf Männer genauso zutrifft, die das exzessiv betreiben ).
Sie ist eine intelligente, warmherzige Frau, deren Verhalten man zwar nicht immer nachvollziehen, aber verstehen kann. Sie ist "tagsüber" als Lehrerin sogar unnahbar, fast bieder wirkend, bis sie des abends in ihre zweite Rolle schlüpft, als "Vamp".
Es ist klar, daß es bei ihr nicht nur um Sex geht. Kurzfristig Spaß, ja, aber dann eine Leere, ein tiefes Loch. ( Männer fühlen vergleichbar gewiß nicht anders; hohl und leer ). Für eine Weile mag das toll sein und eine Selbstbestätigung, aber langfristig fehlt eben doch eine Art von Bindung.
Es ist durchaus möglich, daß der Shock, den sie durch den Professor erlitt, ihr derart zusetzte, daß sie ab dann Beziehungen generell mißtraut und durch die lockere Unverbindlichkeit sich zu nichts verpflichtet sieht.
Das Buch ist von 1975 und atmet den 70s - Zeitgeist, ist aber zugleich eine zeitlose, lyrische Elegie auf die Wunden, die wir uns gegenseitig schlagen und die Vergänglichkeit, die sehr abrupt und selbstredend irreversibel erfolgen kann.
Judith Rossner bleibt moralisch neutral Theresa Dunn gegenüber. Sie urteilt nie, sondern rekapituliert die erschütternde Geschichte eines zu früh beendeten Lebens. Sie überläßt es klugerweise ihren Lesern ein ureigenes Fazit zu ziehen.
Melancholisch, betroffen machend, wenn man Theresas Weg der Selbstzerstörung literarisch mitverfolgt bis zum bitteren Ende, emotional und unvergeßlich.
Verfilmt mit Diane Keaton, Tom Berenger und Richard Gere. Kongenial umgesetzt! Beim Ansehen der Mordszene des Filmes war Stephen Kings Frau so getroffen, daß sie sich erbrechen mußte. )